Individuelle Förderung muss kommunikativ eingebettet sein
Individuelle Förderung muss kommunikativ eingebettet sein

Nicht alles, was gut gemeint ist, bringt auch Gutes hervor. Überall in Deutschland verstärken die Schulen ihre Anstrengungen bei der Förderung ihrer Schüler. Doch es kommt nicht nur darauf an, dass gefördert wird, sondern auch auf das „Wie“. Wenn Fördermaßnahmen nur darauf ausgerichtet sind, Schwächen und Rückstände auszugleichen, übernehmen die „Förderkinder“ den Defizitblick auf sich selbst. Sie ergeben sich in ihr eigenes Unvermögen. Aber wir brauchen Schüler, die ihre Stärken kennen und aus ihren Fehlern lernen. Und  diesen Prozess selbstbewusst in die eigene Hand nehmen.
Um diagnostizierte Defizite auszugleichen, gibt es mittlerweile an vielen Grund- und weiterführenden Schulen eine ganze Reihe von Fördermaßnahmen: zusätzliche Förderstunden, externe ‚Förderbänder‘ für mehrere Klassen (jahrgangsbezogen und -übergreifend) oder auch interne Fördermaßnahmen, bei denen die Kinder im Klassenverband verbleiben und mit passgenauen Materialien individuell üben. Diese Art der Förderung sei „oft wenig wirkungsvoll und pädagogisch fragwürdig“ meint Dr. Horst Bartnitzky, Vorsitzender des Grundschulverbandes, da das Denken bei diesen Förderformen zu stark von den Defiziten der Kinder ausgehe:

Der Blick ist geprägt von einem Negativbild der Leistungen des Kindes. Das Kind selbst erfährt sich dadurch als defizitär. Auf Dauer deprimiert das, führt zu mangelndem Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, kann Lernangst und Lernblockaden auslösen. Trifft es dabei […] auf eine wohlmeinende und unterstützende Lehrkraft, dann macht es willig seine Aufgabe, orientiert sich aber ständig an der Hilfe durch Material und Lehrerin. Es erwirbt auf Dauer das, was ich mit dem Begriff ‚gelerne Hilflosigkeit‘ treffend formuliert fand: Seinen eigenen Kräften wenig zutrauen, misserfolgsängstlich […] Das Kind erlebt sich permanent als förderbedüftig und verlernt dabei, sein Lernen in die eigene Hand zu nehmen. (Bartnitzky, GS aktuell 109. Februar 2010)

Statt der Defizitorientierung fordert Bartnitzky folgerichtig eine Stärken- bzw. Kompetenzorientierung und damit einen anderen Blick auf das Kind, das sich (im konstruktivistischen Sinne) aktiv mit der Welt auseinandersetzt und so den Lernprozess selbst mit gestaltet. Nur dadurch, dass ihm „Zutrauen und Zuversicht zu den eigenen Fähigkeiten“  vermittelt werden, kann es die (Selbstwirksamkeits-)Erfahrung machen, dass sich eigene Anstrengung lohnt. Kurzum: Es muss eine motivierende, anregende und schüleraktivierende Lernumgebung geschaffen werden, die dazu beiträgt, dass die Kompetenzen jedes einzelnen Kindes herausgefordert und gefördert werden. Individuelle Förderung ist keine Sondermaßnahme für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwächen, sondern Kernauftrag von Schule.