Eltern hospitieren im Unterricht: Noch die Ausnahme
Eltern hospitieren im Unterricht: Noch die Ausnahme

In letzter Zeit wird sie häufiger gestellt: die Frage, wie Lehrer und Eltern besser bzw. konstruktiver zusammenarbeiten können, um die gemeinsame (!) Verantwortung für den Bildungs- und Erziehungsauftrag auch gemeinschaftlich zu tragen.  Neulich erst auf dem bildungspolitischen Symposium in Essen und zuletzt in der ZEIT („Schüler brauchen starke Eltern für den Erfolg“). Doch an Konzepten und festen Vereinbarungen zur Elternarbeit mangelt es bisher.
Wissenschaft und Bildungspolitik sind sich einig, dass Eltern als wichtige Partner von Schule mit ins Boot geholt werden müssen. Wichtig vor allem wegen des immensen Einflusses der Familie auf die Lernentwicklung  der Kinder. Glaubt man den empirischen Befunden, dann ist der Einfluss der Familie auf Lesekompetenz, mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenz doppelt so stark wie der von Schule, Lehrkräften und Unterricht. Trotz der großen Bedeutung des Elternhauses prägen laut Prof. Werner Sacher von der Universität Erlangen-Nürnberg derzeit eher „impressionistische“ Formen der Elternarbeit das Bild: Es gibt kein klares Verständnis, kein Gesamtkonzept, keine langfristige Planung. Oder aber der Kontakt zwischen Schule und Elternhaus ist rein anlassbezogen: die Eltern kommen lediglich zu schönen Events (Theateraufführung, Schulfest) und bei konkreten Problemen in die Schule.
Die Eltern-Lehrer-Kooperation sei hierzulande punktuell und wenig effektiv, Vorbehalte auf beiden Seiten stünden einer engeren Zusammenarbeit entgegen, meint auch Prof. Elke Wild von der Uni Bielefeld. Beide Wissenschaftler fordern darum Standards für die Elternarbeit und orientieren sich dabei an internationalen Beispielen (u. a. den PTA National Standards):

  1. Es sollte ein Klima des Willkommenseins in der Schule herrschen (Schule als offener und einladender Ort, der von einem freundlichen, wertschätzenden Miteinander geprägt ist)
  2. Intensiver und vielfältiger Informationsaustausch zwischen Eltern und Lehrkräften
  3. Lern- und Erziehungskooperation (Kooperation mit Eltern im Unterricht, Unterstützung des häuslichen Lernens, Elterntrainings)
  4. Fürsprecher für jedes Kind (Eltern über Schulsystem und Bildungswege informieren, sie befähigen, mit ihrem Kind gemeinsam dessen Zukunft zu planen)
  5. Macht mit Eltern teilen (Mitbestimmung der Eltern bei allen Entscheidungen, welche die Familien und die Kinder betreffen)
  6. Zusammenarbeit mit Gemeinde und Region (die Schule und die Elternschaft organisieren Unterstützung durch Partner in der Gemeinde)

Die Formulierung dieser Standards mag eine erste Orientierungshilfe darstellen, wie die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus gestaltet werden könnte. Bei der Umsetzung ist es aber immens wichtig, den spezifischen Kontext der eigenen Schule zu berücksichtigen: In sozial benachteiligten Stadtteilen beispielsweise kann die Hemmschwelle für Eltern, in die Schule zu kommen, zu hospitieren oder gar im Unterricht mitzuarbeiten, recht groß sein. Hier braucht es niedrigschwelligere Angebote, wie sie z. B. die Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund mit dem Elterncafe und vielfältigen Beratungsservices anbietet. Und die Praxis zeigt weitere Herausforderungen. So lässt sich eine Partnerschaft zwischen Lehrern und Eltern nicht realsieren, wenn nicht auch die Schüler ihre Rechte geltend machen können.