Dieser Beitrag wurde verfasst von: Katharina Korves.

Mit gutem Beispiel voran gehen, das ist dem Team der Grundschule Amshausen im Kreis Gütersloh heute – nach acht Jahren Engagement und tiefer Überzeugung für ein nachhaltiges Lehren und Lernen – ein Leichtes. Dabei haben sich die Kolleginnen zu Beginn ihrer Umgestaltung selbst an guten Beispielen orientiert. „Unser Selbstverständnis ist das einer lernenden Institution“, so bezeichnet Annette Hellmann, die Schulleiterin, ganz plakativ die Einstellung des Kollegiums. Hinter dieser Einstellung stecken viele Erfahrungen und ein beeindruckendes Engagement…
Es ist Freitag, der 9. Dezember, 7.40 Uhr, als ich das Schulgebäude der Grundschule Amshausen betrete. Ich werde begrüßt mit einem herzlichen „Hallo“ von Frau Hellman, die Besuche dieser Art gewohnt ist. „Wir sind ein offenes Haus, jeder ist willkommen, jeder ist eingeladen, Einblick in unsere Arbeit zu erhalten.“ Das zeugt meiner Ansicht nach von großer Authentizität, denn nur wer nach innen trägt, was er nach außen präsentiert, kann eine solche Aussage mit Bestimmtheit treffen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies gerade im Lehrerberuf nicht immer selbstverständlich ist; so kann auch ich sagen, dass Schul- und Unterrichtsbesuche durchaus schon bei mir bewirkt haben, ein „besonderes Programm“ zu fahren. Nichts dergleichen spüre ich jedoch hier. Nach einer kurzen Einweisung, wie der Tag für mich ablaufen wird,  finde ich mich im Raum der jahrgangsübergreifenden Eingangsklasse, in dem „i-Männchen“ und Zweitklässler jahrgangsgemischt unterrichtet werden. „Routiniert“ denke ich und meine damit sowohl den  Empfang, als auch die Begrüßung durch die Klassenlehrerin und das bereits emsige, aber strukturierte Treiben im Klassenraum. Viele Kinder haben sich bereits sortiert und finden sich nach und nach auf dem „runden Teppich“ ein. Wie ich später erfahre ist dieses simple Utensil ein wichtiges Strukturierungsmittel und in allen Räumen zu finden.
Dann geht’s wie von selbst los.
Die Kinder gestalten den Morgenkreis, moderieren, berichten und präsentieren. Lehreranleitung oder gar Lehrerzentrierung sind hier offensichtlich Fremdworte. Welche Rolle hat also die Lehrerin? Wenn man nicht wüsste, dass es bis zu so einem ritualisierten und eigenverantwortlich initiierten Ablauf auch einige Zeit der Hinführung bedarf, dann würde man sagen, die Lehrerin spiele keine große Rolle. Auch in der nachfolgenden Unterrichtsphase macht sich die Lehrerin im positiven Sinne weitgehend überflüssig, indem Sie die Kinder durch die detailliert vorbereitete Lernumgebung eigenständig arbeiten lässt und als Beraterin individuell hilft. Dies erfordert viel Vertrauen in die individuellen Kompetenzen der Kinder, die sich laut Aussage auf bis zu 10 verschiedenen Leistungsniveaus befinden (besondere Förderbedarfe und besondere Begabungen eingeschlossen). Mir fällt auf, dass diese Lernumgebung intelligent, liebevoll und transparent gestaltet ist:

  • Der runde Teppich: Er definiert das Raumzentrum, er hilft, sich unkompliziert und ohne Stühle zu rücken im Kreis zusammenzufinden.
  • Die Sofaecke: Die Sofaecke schafft neben einer „heimeligen Atmosphäre“ eine bequeme Rückzugsmöglichkeit zum Lesen oder Besprechen.
  • Die Materialordnung: In den Regalen und Schränken im hinteren Teil des Klassenraums sind in farblicher und thematischer Struktur alle didaktischen Materialien für alle Lernniveaus greifbar. Zusätzlich finden sich überall an den Wänden in durchdachter Struktur (Wiedererkennung durch Farben und Symbole) Übersichten und Hilfsmittel für die Kinder. Außerdem gibt es einfache aber wirkungsvolle Helfer, wie z.B. die Ohrschützer, die für konzentriertes Arbeiten in den Freiarbeitsphasen, in denen es schon mal geräuschvoller zugehen kann, zur Verfügung stehen.
  • Die Computerecke: Drei Computer stehen bereit, die mit differenzierenden Lernprogrammen (wie z.B. Antolin) ausgestattet sind.

Diese Lernumgebung bietet den äußeren Rahmen für den gelingenden Lernprozess. Der innere Rahmen wird mit großem Bewusstsein für die Individualität der Kinder und Überzeugung für den beschrittenen Weg von den Lehrerinnen definiert.

Raumkonzept
Raumkonzept

„Wie haben uns gemeinsam für unseren Weg entschieden“
Mit diesen Worten verdeutlicht mir Frau Hellmann den zentralen Schlüssel, der zur Umkehrung der traditionellen Lehr- und Schulkultur geführt hat. Sie führt weiter aus, dass es vor acht Jahren, nach großen Anstrengungen und weniger großen Erfolgen im „alten System“ den Punkt gab, da es offensichtlich wurde, neue Wege in Richtung einer neuen, individualisierenden Lernkultur zu beschreiten. Also hat sie sich mit ihrem Team deutschlandweit Best-Practice-Schulen angeschaut mit dem Ziel, von diesen Vorbildern zu lernen. Neben den vielen guten Ideen und einem engen Netz an Kompetenzpartnern haben die Kolleginnen hierbei jedoch etwas ebenso Wichtiges gewonnen: eine starke Teamkultur, die vom Miteinander lebt:

  • Miteinander eine Entscheidung über die pädagogische Lehr-Lernkultur treffen,
  • Miteinander nach Best-Practice-Ideen suchen,
  • Miteinander die Schulumwelt (um)gestalten,
  • Miteinander Unterrichtsmaterialien entwickeln und
  • Miteinander die Kindern individuell fördern.

Dieses Miteinander zahlt sich aus, nicht nur für die Kinder, die besser gefördert werden können und nachweislich zu besseren Ergebnissen (kein Sitzenbleiben mehr, die „Fehlerquote“ der Schulempfehlungen ist fast gleich Null) kommen. Auch das Wohlbefinden der Lehrerinnen ist durch das gegenseitige Unterstützen und von den unterschiedlichen Kompetenzen profitieren deutlich gestiegen. Das Miteinander geht jedoch noch weiter und hat zur Folge, dass nicht nur intern eine bessere Kooperation herrscht, sondern auch Kooperationen mit unterschiedlichsten externen Partnern (Eltern, Gemeindebibliothek, Forstbetrieb, AWO, Heimatverein, Sportverein, …) vorangetrieben werden. Auch hierin spiegelt sich der Ansatz wieder, von den Kompetenzen der anderen zu lernen und zu profitieren.
Offenheit  – Wertschätzung – Vertrauen

Schülerinnen an der Grundschule Amshausen
Schülerinnen an der Grundschule Amshausen

Diese drei Schlagworte bleiben mir insbesondere hängen. Dabei spiegeln sie sich in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Grundschule Amshausen wieder:
Es ist ein offenes Haus, dass offen ist für alle Kinder, für alle Eltern, externe Partnerschaften und Interessierte. Darüber hinaus aber auch – und das ist grundlegend – Offenheit für neue Wege.
Die Potentiale aller Beteiligten werden nicht nur (an)erkannt, sondern auch als wertvoll gewürdigt. Das schafft Sicherheit und motiviert.
Unabhängig von jeglichen Schwächen oder Defiziten dem individuellen Vermögen zu vertrauen führt dazu, dass die Stärken in den Fokus rücken.
Durch diese Brille blickt es sich leichter…und Erfolge werden sichtbar.
Katharina Korves
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