Dieser Beitrag wurde verfasst von: Lara Ruppertz.

Etwas überwältigt von dem Überangebot an neumedial anmutendem Schulmaterial und der allgemeinen Marketingmaterialschlacht der Aussteller, stand ich letzte Woche zum ersten Mal auf der didacta. Umso besser, dass das Veranstaltungsprogramm mit seinen vielen Vorträgen und Podiumsdiskussionen mir einiges mehr an Struktur und Inhalt bot. Mit leichter Skepsis, aber vor allem viel Neugier, stürzte ich mich daher in die Debatten zur Reform der Lehrerbildung, Relevanz der Ganztagsschule, Schule in der Einwanderungsgesellschaft und Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule. Hier eine kleine Zusammenstellung von Themen, die auf der didacta diskutiert wurden und Veränderung von Schule ermöglichen.
Schule in der Einwanderungsgesellschaft – Das Potential der Zweisprachigkeit nutzen
Im Rahmen der Podiumsdiskussion „Schule in der Einwanderungsgesellschaft“ diskutierten Bernd Althusmann, Heinz Meidinger (Deutscher Philologenverband), Armin Laschet und Cem Özdemir die Frage nach einer angemessen Form der Sprachförderung von Schülerinnen und Schülern mit ausländischen Wurzeln. Unser Schulsystem scheint derzeit noch immer Schwierigkeiten zu haben, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Aneignung der deutschen Sprache und ihrer jeweiligen Muttersprache effektiv zu unterstützen. Ob das vor einiger Zeit diskutierte Gedankenspiel einer Quotenregelung für den Sprachgebrauch auf Schulhöfen als Lösungsansatz für diese Problem geeignet ist, stellt sich für mich als äußerst fragwürdig dar. Als deutlich sinnvoller erscheinen mir da die im Rahmen der Diskussion geforderten Ansätze, Deutsch als Fremdsprache in den Lehrplan aufzunehmen und Sprachunterricht für die verschiedenen Muttersprachen anzubieten. Ziel sollte es schließlich sein, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund als potentielle bilinguale Sprecher zu fördern, anstatt sie halbsprachig zurückzulassen, sodass sie am Ende keine Sprache richtig beherrschen. Es gilt also: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund dürfen ihre potentielle Zweisprachigkeit nicht als Manko betrachten, sondern müssen sie selbstbewusst als Vorteil erkennen. Eine gute Schule sollte dies gezielt unterstützen. Fraglich bleibt für mich jedoch, wie Schule den vielfältigen Sprachbedürfnissen nachkommen kann, ohne dabei einzelne Minderheitssprachen zu stigmatisieren. Wenn jedes Kind ein Recht auf die Pflege seiner Muttersprache erhalten soll, dann müssten manche Schulen für mehr als zehn Sprachen einen entsprechenden Unterricht anbieten. Wie aber können Schulen dies bewältigen? Bisher fehlen hierzu, meiner Meinung nach, die nötigen Ressourcen. Wie in der Debatte jedoch angemerkt wurde, könnte die gebundene Ganztagsschule hier vielleicht die große Chance sein.
Ganztagsschule als Schule der Zukunft
In unterschiedlichsten Kontexten begegnete mir auf der didacta immer wieder die Forderung nach einer gebundenen Ganztagsschule. Die Ganztagsschule als eine gute Möglichkeit familiäre Betreuungs- und Erziehungsdefizite zu kompensieren und damit allen Kindern und Jugendlichen die gleiche Chance auf Bildung zur gewährleisten, stand dabei im Vordergrund. Mit Blick auf die Migrationsfrage, scheint die Ganztagsschule auch den Herausforderungen von Schule in der Einwanderungsgesellschaft gerecht zu werden. Sprechen Eltern zu Hause bspw. kein Deutsch, so kann dieses Defizit ausgeglichen werden, indem Kinder in der Ganztagsschule mehr Zeit mit deutschsprachigen Mitschülern und Lehrkräften verbringen. Gleichzeitig können aber auch zusätzliche Sprachangebote wie der oben genannte Unterricht der verschiedenen Muttersprachen ermöglicht werden.
Eltern immer wieder zur Mitwirkung an der Schule ihrer Kinder zu motivieren, anstatt ihnen mit Vorurteilen zu begegnen war ein Anliegen vieler Teilnehmer der Veranstaltungen auf der didacta. Eine Intensivierung der Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule scheint im Rahmen einer Ganztagsschule möglich zu sein. Insbesondere bei der Arbeit an Schulen mit sozial benachteiligter Schülerschaft kann eine vertrauensvolle Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften zum echten Erfolgsrezept werden. Im Interesse einer gelingenden Integration sollten Lehrkräfte daher unbedingt interkulturelle Kompetenzen erwerben, um auch die Perspektiven von Eltern mit Migrationshintergrund verstehen zu können.
Reform der Lehrerbildung
Als Studentin des Lehramts in den finalen Zügen habe ich natürlich auch die Stimmen von Prof. Dr. Gabriele Bellenberg und Prof. Dr. Kurt Czerwenka zu einer Reform der Lehrerbildung bei der Podiumsdiskussion „Gute Bildung durch gute Lehrerbildung“ nicht überhört.
Im Zentrum der Diskussion stand dabei die Frage, inwiefern Lehrer neben dem Aufbau von fachlichem Wissen bei der Entwicklung personaler und sozialer Kompetenzen unterstützt werden müssen. Das bereits während der universitären Phase der Lehrerbildung auch Persönlichkeitsaspekte geschult werden sollten, ist ein Aspekt den ich bei meiner Ausbildung selbst oft vermisst habe. In diesem Zusammenhang kam auch die bereits bekannte Forderung nach Verfahren zur Überprüfung der Eignung von Lehramtskandidaten auf. Sicherlich sind Formen der Selbst- und Fremdanalyse vor Eintritt, aber auch während der Lehrerausbildung hilfreich. Besser ist doch, ich gelange rechtzeitig zu einer realistischen Selbsteinschätzung als am Ende meiner Ausbildung oder noch schlimmer, wenn ich bereits mitten im Job angekommen bin und echte Berufsalternativen plötzlich fehlen.  Eine ähnliche Intention haben in NRW die Eignungspraktika als Voraussetzung für das Studium des Lehramts. Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Lehrerberuf im Vorfeld der Ausbildung kann gewiss dazu beitragen, dass weniger Lehramtsstudenten erst kurz vor Beendigung oder bei Eintritt in das Referendariat feststellen, dass sie für den Beruf nicht geeignet sind. Problematisch ist nach wie vor auch, dass insbesondere die erste Phase der Lehrerausbildung an den Universitäten viel zu theoretisch verläuft. Eine bessere Verzahnung von Theorie- und Praxisphasen scheint daher ein guter Ansatz zu sein, um junge Lehrer vor einem Praxisshock zu bewahren. Eine logische Konsequenz ist sicherlich die Forderung nach einem gemeinsamen Curriculum für die 1. und 2. Phase der Lehrerausbildung. Die Ausbildung von Lehrern endet jedoch nicht mit dem Referendariat, ein guter Lehrer hört schließlich nie auf zu lernen. Junge Lehrkräfte durch das Konzept von Mentoringmodellen in den ersten Jahren durch erfahrenere Kollegen beratend und unterstützend zu begleiten, ist hier eine Überlegung wert. Der Vorschlag, dass Lehrer stärker in Teams arbeiten, um sich somit gegenseitig stetig weiterzuentwickeln, ist meiner Meinung nach, ein wirklich guter Ansatz. Warum sollten Lehrer z.B. nicht im Unterricht ihrer Kollegen hospitieren, um voneinander zu lernen? Eine echte Chance zur besseren Vernetzung von Lehrkräften sieht Prof. Dr. mult. Wassilios E. Fthenakis, Präsident des didacta Verbandes, dabei auch in neuen Technologien. Social Media und Web 2.0 bieten viele Möglichkeiten sich über die eigenen Schul- und Ländergrenzen hinweg mit anderen Lehrern zu vernetzen und kann damit einen wichtigen Beitrag zur stetigen Weiter- und Fortbildung von Lehrern leisten.
Lara Ruppertz