Dieser Beitrag wurde verfasst von: Stefanie Rother.

Schulverpflegung im Ganztag überzeugt bisher nur theoretisch 

Seit 2003 unterstützen Bund und Länder gemeinsam den Ausbau ganztagsschulischer Angebote im Zuge des Investivprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“. Die Bundesregierung fördert den Aus- und Aufbau der Ganztagsinfrastruktur mit insgesamt vier Milliarden Euro. Wenn man heute über die Ganztagsschulentwicklung in Deutschland spricht, rückt darum die Frage nach der Quantität mehr und mehr in den Hintergrund. In Zeiten, in denen Ganztagsschulen in fast allen Bundesländern das bevorzugte Schulmodell darstellen und in manchen Ländern – insbesondere den ostdeutschen Bundesländern – auch über 50 % der Schullandschaft ausmachen, steht die Frage nach der Qualität von Ganztagsangeboten im Mittelpunkt – endlich!
Doch was heißt Qualität von Ganztagsschule? Zu dieser Frage haben sich in den vergangenen Jahren viele  Personen den Kopf zerbrochen. Mittlerweile gibt es in einigen Ländern, wie z.B. Hessen und Brandenburg, Qualitätsrahmen, die die Eckpunkte einer guten Ganztagsschule festlegen. Hierzu gehören z.B. die Rhythmisierung, die Kooperation mit außerschulischen Partnern, die Partizipation von Eltern und Schülern und auch ein Pausen- und Mittagskonzept.
Dass kontinuierlich an all diesen Qualitätsmerkmalen gearbeitet werden muss, steht außer Frage. Ein Punkt lässt mich jedoch schmunzeln – das Pausen- und Mittagskonzept. Vor gut vier Wochen titelte die Süddeutsche „Schulmensen mit gravierenden Defiziten – Essen: mangelhaft“. Wissenschaftler, die fünf Jahre lang in 200 Schulmensen den Küchenhilfen über die Schulter schauten, stellten fest, dass etwa 90 Prozent der überprüften Schulen die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DEG) an gesundes Essen nicht erfüllten. Das ist ein derber Schlag, wenn man überlegt, dass seit beinahe 10 Jahren die Ganztagsschulentwicklung auf dem Vormarsch ist und die Verpflegung der Schülerinnen eine zentrale Bedeutung im „Lebensraum Ganztagsschule“ hat.
Woran mag das als liegen, frage ich mich.

Schüler beim Mittagessen in einer Schulmensa
Schüler beim Mittagessen in einer Schulmensa

In den Qualitätsrahmen und Checklisten der Länder lassen sich entsprechende Schlüsselindikatoren auf jeden Fall ausfindig machen. So heißt es in Hessen z.B. „Das Konzept Gesunde Ernährung wird über den ganzen Tag hinweg umgesetzt“.  Schaut man etwas tiefer, findet man im Nationalen Aktionsplan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und Bewegung“ und dem „DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung“ auch Kriterien zur optimalen Lebensmittelauswahl, Speiseplanung und -herstellung und Ernährungsbildung. Vernetzungsstellen für Schulverpflegung bringen gegenwärtig in jedem Land den Wust an Infomaterial bei Infoveranstaltungen an den Mann.
Und doch spiegelt uns die Praxis ein anderes Bild wider. Wie die Süddeutsche berichtet, wird das Essen in den Schulen oft bis zu sechs Stunden warmgehalten; nach Vitaminen und Geschmack sucht man danach vergebens.
Offensichtlich haben die Papiere, die guten Ideen und Angebote zur qualitativ hochwertigen Schulverpflegung ihren Weg bis in die Praxis (noch) nicht gefunden. Ob punktuelle Aktivitäten/Attraktionen, wie z.B. Promi-Köche, die einen Tag lang in Schulen kochen, ihr Profil medienwirksam aufpolieren und dann wieder in ihre exquisiten Küchenstudios verschwinden, an dieser Stelle weiterhelfen können, sei dahingestellt. Vielmehr bedarf es einer systematischen Qualitätsoffensive, die  alle Schulen umfasst. Es ist gesetzliche Pflicht, Schülern im Ganztag ein Essen anzubieten; es muss auch Pflicht sein, hierbei Standards zu erfüllen und  diese kontinuierlich unter Einbeziehung aller Beteiligten (Schüler, Lehrkräfte, externe Partner etc.) zu kontrollieren.

Mädchen beim Mittagessen in einer Schulmensa - Qualität muss Pflicht sein!
Mädchen beim Mittagessen in einer Schulmensa – Qualität muss Pflicht sein!

Ernährung in der Schule steht immer in enger Verbindung mit Gesundheitsbildung und Werteerziehung. Nicht zuletzt vermittelt ein gemeinsames Mittagessen das Gefühl von Zusammengehörigkeit.  Umso unerklärlicher, dass in vielen Bereichen positiven Entwicklungen beobachtet werden können und  bei der Ernährung – einem essentiellen Bereich der Ganztagsschule – offensichtlich nur wenige Fortschritte gemacht werden.
 
 
Stefanie Rother
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/bildung/schulmensen-mit-gravierenden-defiziten-essen-mangelhaft-1.1257486