Dieser Beitrag wurde verfasst von: Katharina Korves.

Dass Lehrerinnen und Lehrer heutzutage wahre Multitasking-Talente sein müssen, ist längst kein Geheimnis mehr. Viel mehr noch: es ist längst eine Selbstverständlichkeit geworden, dass der Lehrberuf weit über das Vermitteln von Fachinhalten und kognitiven Fähigkeiten hinausgeht. Dieser Artikel beleuchtet die unterschiedlichen Facetten, Aufgaben und Rollen, die den Anforderungskatalog der LehrerInnen mitbestimmen und bewirken, dass die scheinbar simple Frage nach der professionellen Identität gar nicht so leicht zu beantworten ist.
Zunächst einige Überlegungen zu den vielfältigen Ansprüchen:

Vielfältige Ansprüche an den Lehrerberuf
Vielfältige Ansprüche an den Lehrerberuf

Da gibt es Erwartungen von unterschiedlichen Gruppen. Allen voran natürlich die Schüler, welche sich Lehrer wünschen, die ihnen ganz individuelle Lerngelegenheiten schaffen, dabei stets auf ihre persönlichen Bedürfnisse Rücksicht nehmen und jeden optimal fördern. Daneben stehen die Eltern (und weitere Bildungspartner), die umfassende Kommunikations- und Organisationskompetenzen von den Lehrpersonen fordern. Darüber hinaus gibt es Erwartungen von „außen“, wie etwa von zukünftigen Arbeitgebern, die sich „taugliche“ Berufsstarter wünschen und entsprechende Ansprüche an die LehrerInnen herantragen. Nicht zu vergessen sind die Anforderungen, die auf bildungspolitischer Ebene in Form von Erlassen und Beschlüssen formuliert werden. Das höhere Ziel dahinter ist stets die Absicht der Veränderung und Verbesserung des Status Quo, sei es im Hinblick auf bessere Schülerleistungen und / oder mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem. Beispiele für schulsystemische Entwicklungen sind z.B. der Ausbau des Ganztages, die Gestaltung eines inklusiven Schulsystems oder auch die Einführung der Sekundarschule. Beispiele für unterrichtsdidaktische Weiterentwicklungen bestehen z.B. in der Forderung nach einer neuen Lernkultur mit innovativen, schüleraktivierenden und individualisierenden Methoden. Es leuchtet ein, dass dies deutliche Auswirkungen auf die Aufgaben und somit auch auf die Berufsrollen der LehrerInnen hat (Gudjons 2007). Diese Weiterentwicklungen fordern aus meiner Sicht von den Lehrkräften nicht nur enorme professionelle Kompetenzen, sondern auch enorme Anpassungsfähigkeit. Meines Erachtens stehen LehrerInnen damit im Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Personen und Interessengruppen, welche auf unterschiedlichen Ebenen differenzierte Erwartungen hegen. Ich finde, im Lichte der Frage „Wer bist du, LehrerIn?“ kann man da schon mal ins Schleudern kommen.
Allen Erwartungen gerecht werden zu wollen, erfordert von jeder Lehrerpersönlichkeit ein differenziertes Taktgefühl und hohe Professionalität. Ein enormer Anspruch…
Schließlich – und dass ist mindestens ebenso entscheidend – hat jede Lehrerin und jeder Lehrer ganz eigene Erwartungen, professionelle Fähigkeiten und persönliche Überzeugungen. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Statements einer Kollegin, mit der ich mich neulich zum Thema Klassenleitung ausführlich unterhalten habe. Sie konnte mir nachvollziehbar darstellen, dass insbesondere ihre eigene Persönlichkeit bzw. ihr Berufsethos, der sich in Haltungen und Handlungen den Schülern gegenüber niederschlägt, entscheidend ist.  So entscheide letztlich ihre persönliche Haltung, wie sie mit den Aufgaben des Berufsalltags umgehe und ihre professionelle Identität definiere. Professionelle Identität (gemäß der Frage: „Wer und wie bin ich als LehrerIn?“) ist demnach also etwas, das stark abhängt von den individuellen Überzeugungen und Werten. Die Zusammenfassung des Interviews lesen sie in der nächsten Ausgabe von „Was Schule bewegt – konkret gefragt“. Eine Frage, die mir nachträglich hängen blieb, finde ich jedoch auch für diesen Beitrag spannend:
Kann man Lehrer-Sein wirklich lernen, oder ist vielmehr die Persönlichkeit ausschlaggebend dafür, ob man geeignet ist?
Meine individuelle Meinung ist, dass es hierbei nicht DIE eine Wahrheit gibt. Führt man sich mal die Aufgaben vor Augen so wird deutlich, dass es ganz unterschiedlicher Fähigkeiten bedarf, um den Berufsansprüchen gerecht zu werden (vgl. auch Gudjons 2007). Fachkompetenz ist ohne Zweifel lernbar, aber was ist z.B. mit pädagogischer Kompetenz? Hier geht es ja nicht nur um didaktisch-methodisches Geschick, welches aus meiner Sicht sicherlich auch erlernbar ist. Ich glaube, dass insbesondere persönliche Wertüberzeugungen und das Selbstkonzept, welches sich auch in Charaktereigenschaften niederschlägt, die erzieherischen Fähigkeiten von LehrerInnen mitbestimmen. Ob jemand z.B. viel Wert auf Höflichkeit, Ordentlichkeit oder aber Selbstentfaltung legt und ob jemand ein eher „ruhiger“ oder „temperamentvoller“ Typ ist, wirkt sich nach meiner Erfahrung auch im Lehr- und Erziehungsstil aus. Darüber hinaus ist die Lehrerin oder der Lehrer eine Person, die insbesondere in den unteren Jahrgängen Orientierung bietet. In diesem Lichte betrachtet finde ich auch den allgemein bekannten Ausspruch: „Lehrer sein ist mehr als ein Beruf, es ist eine Berufung“ sehr bezeichnend. Wie gesagt, im Bezug auf die letzte Frage vermute ich stark, dass Beides irgendwie stimmt und die Eignung für den Lehrberuf sowohl deutlich von der Persönlichkeit abhängt, als auch von Kompetenzen, die in weiten Teilen zu erwerben sind… sonst bräuchte man ja auch nicht die umfangreiche Ausbildung.
Doch zurück zu den angesprochenen Aufgaben, die meines Erachtens sehr vielfältig und umfangreichreich sind. Was machen Lehrer eigentlich im Detail und vor allen Dingen auch wie? Bei der Reflektion dieser Frage passiert es fast beiläufig, dass man die unterschiedlichen Rollen beschreibt, die LehrerInnen gemäß ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen (müssen). Die folgende beispielhafte Auflistung soll dies ansatzweise verdeutlichen:
Vorgebende Lehrerrolle:  hierunter wird z.B. die Steuerung durch das Schaffen einer reichen Lernumgebung oder die Individualisierung in lehrergesteuerten Lernprozessen verstanden.
Aktivierende Lehrerrolle: diese Rolle impliziert, dass die Lehrperson z.B Verantwortung an die Schüler zum Zweck der Selbststeuerung des Lernprozesses abgibt und dazu motiviert,  das Lernen zur eigenen Sache zu machen (auch im Sinne von „Lernen lernen“).
Organisierende Lehrerrolle: Hierbei plant die Lehrperson den Unterricht und die Methoden, initiiert Rituale, Reglementiert bei Regelverletzungen, organisiert Klassendienste oder gestaltet den Klassenraum. Diese Aufgaben lassen sich auch als „Classroom Management“ zusammenfassen.
Begleitende Lehrerolle: Diesbezüglich fungieren LehrerInnen insbesondere in schülerverantwortlichen Lernprozessen wie offenen Unterrichtsformen, Lernwerkstätten oder Projekten als kompetente, individualisierende und differenzierende BeraterInnen.
Diese Liste der Berufsrollen ist sicherlich hiermit nicht vollständig. Deutlich wird aber bereits jetzt, dass die verschiedenen Berufsrollen selbst sehr differenziert und anspruchsvoll sind. Letztlich wirken auch die oben genannten vielfältigen Erwartungen hier hinein.
Für mich steht fest: wie auch immer die Antwort auf die Eingangsfrage ausfällt – und da gibt es je nach Person sicherlich sehr unterschiedliche Meinungen – sie wird immer äußere und innere Aspekte der Lehrerpersönlichkeit integrieren und somit facettenreich sein. Das liegt daran, dass der Raum zwischen Anspruch und Ethos selbst sehr vielfältig ist. Ich finde das gar nicht so schlecht. Denn Vielfalt ist doch etwas, was wir in der Schule nicht nur haben, sondern auch brauchen – unter Schülern wir unter Lehrkräften!
Katharina Korves

Literatur:
Gudjons, H.: Neue Unterrichtskultur – veränderte Lehrerrolle. Bad Heilbrunn 2007