Die Strategiekonferenz „Shaping the Digital Turn – Hochschullehre im digitalen Zeitalter gestalten“ am 24. September 2018, die vom Hochschulforum Digitalisierung in Berlin ausgerichtet wird, findet offenkundig großen Zuspruch. Es haben sich bereits so viele Teilnehmende angemeldet, dass für alle weiteren Interessenten eine Warteliste eingerichtet werden musste.

In der Peer-to-Peer Beratung wurde deutlich, dass es ein großes Interesse gibt sich über strategische Ziele und operative Maßnahmen auszutauschen – im Rahmen einer Strategieentwicklung für das digitale Zeitalter. Diesem Bedarf wird bei der Konferenz in zwei Slots mit fünf bzw. sechs parallelen Workshops zur Entwicklung von Hochschulstrategien mit Blick auf die Digitalisierung und zu deren Umsetzung Rechnung getragen. Die Workshops werden in insgesamt elf Blogbeiträgen an dieser Stelle vorgestellt bzw. nachbereitet.

Für alle, die am 24.9. vor Ort sein werden, geben die Blogbeiträge einen ersten Eindruck zu den Inhalten der Workshops. Für alle anderen, die an diesem Tag nicht dabei sein können, dokumentieren die Blogbeiträge zentrale Inhalte der Tagung.

Nach dem Interview mit Dr. Barbara Getto zum strategischen Thema „Diversity“ folgt nun der Blick auf die Anforderungen an Absolventinnen und Absolventen von Hochschulen. Noch mehr als bisher sind in allen Berufen Kompetenzen im Zusammenhang mit der Digitalisierung gefordert. An diesen Kompetenzen müssen sich künftige Strategien von Hochschulen ausrichten, wie Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian Kuhn, Oberarzt am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Mainz in seiner Session „Curriculum 4.0 – Neue Kompetenzen für das digitale Zeitalter“ zeigen wird.


Inwieweit sich ein Studiengang an den künftigen Digital-Kompetenzen eines Berufsfelds ausrichten kann, zeigt Sebastian Kuhn am Beispiel der Tätigkeiten von Ärzt:innen. Spontan denkt man dabei an Themen wie die Gesundheitskarte der Patienten oder an Datenbanken für pharmazeutische Produkte. Doch der Arztberuf stellt für die kommenden Jahre noch ganz andere Anforderungen: Stichworte lauten hier „Medizinische Apps“, „Smart Devices“ oder „Virtual/Augmented Reality“. Hinzu kommt die Unterstützung durch KI-basierte Assistenzsysteme – auch diese Werkzeuge muss man als Arzt oder Ärztin angemessen nutzen können.

Eine große Rolle spielt ferner die zunehmende Bedeutung von Daten. Bisher benötigen Ärzte und Ärztinnen Statistik-Kenntnisse, um Forschungsergebnisse besser zu verstehen, z. B. auf der Basis von Testreihen. Jetzt hingegen ist „Data Literacy“ erforderlich. Ein Lehrkonzept, welches „Data Literacy“ als Kernkompetenz ernst nimmt, muss sich dementsprechend zusätzlich auf die Vermittlung von digitalen Fertigkeiten bezüglich eines kritischen, planvollen und kontextspezifischen Umgangs mit Daten fokussieren. Daten müssen somit nicht nur ausgewertet und Störvariablen ausgeschaltet werden, sie müssen auch als ethisch gute und rechtlich sichere Entscheidungs- und Handlungsgrundlage dienen. Nicht zuletzt bedeutet ein kritischer Umgang auch, die Grenzen der Aussagekraft von datenbasierten Entscheidungen zu kennen.

Entscheidend ist hierbei die Bedeutung dieser Daten für das ärztliche Handeln. Orientierung bieten laut Sebastian Kuhn folgende Leitfrage: Was ist technisch möglich?

  • „Was ist technisch möglich?
  • Was ist rechtlich erlaubt?
  • Was ist ärztlich sinnvoll und vertretbar?“

Was bedeutet dies für künftige strategische Konzepte an medizinischen Hochschulstudiengängen? Sebastian Kuhn vertritt die These: Derzeit werden künftige Ärzte und Ärztinnen durch ihr Medizinstudium nur unzureichend auf den digitalen Wandel des Gesundheitssystems vorbereitet. So ist vielen praktizierenden Ärzt:innen beispielsweise nicht klar, dass der Gebrauch von „WhatsApp“ zur Kommunikation mit Kolleg:innen als Bruch der ärztlichen Schweigepflicht gewertet werden kann. Auf der anderen Seite sind ihnen viele hilfreiche Apps unbekannt, die speziell für Mediziner:innen entwickelt wurden. Der hierfür notwendige Kompetenzerwerb entsteht nicht einfach als Nebenprodukt der fachlichen Ausbildung oder praktischen Tätigkeit, sondern fordert eine gezielt und systematisch verankerte Qualifizierung in den Aus-, Weiter- und Fortbildungscurricula.

Wie das funktionieren kann, zeigt eine einwöchige Veranstaltung „Curriculum 4.0 – Medizin im digitalen Zeitalter“ an der Universitätsmedizin Mainz. Hier werden die digitalen Innovationen nicht nur in der Theorie vorgestellt, sondern auch ausprobiert. Auch die Lernprozesse erfolgen teilweise digital. Wert gelegt wird auch auf eine Reflexion der persönlichen Haltung.

Dies ist ein Beispiel, wie Studiengänge auf neue digitale Anforderungen ihres Faches reagieren können. Im Dialog sollen die Teilnehmenden am Workshop auf der Strategiekonferenz anhand dieses Beispiels den Transfer zu den Kompetenz-Anforderungen in ihrem eigenen Lehrgebiet herstellen. Die Session „Studierenden-Kompetenzen für ein digitales Zeitalter“ von Sebastian Kuhn wird hierfür ausreichend Raum bieten, um das Beispiel aus dem Fach Medizin auch auf andere Fachdisziplinen zu übertragen.

Zu den Kompetenzanforderungen durch die Digitalisierung und die Implementierung entsprechender Veranstaltungen ins Medizinstudium hat Herr Kuhn folgende Beiträge veröffentlicht:

  • Kuhn, S. (2018): Transformation durch Bildung. Medizin im digitalen Zeitalter. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 115, Heft 14, 6. April 2018. S. 633-638.
  • Kuhn S., Kadioglu D., Deutsch K., Michl S. (2018): Data Literacy in der Medizin). In: Onkologe. online first 2018 Feb 13
  • Blogbeiträge von Sebastian Kuhn im Hochschulforum Digitalisierung unter https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/gastblog/priv.–doz.-dr.-med.-sebastian-kuhn