Digitale Bildung ist die Möglichkeit, über den Tellerrand hinaus zu schauen: Sie ist keine Patentlösung, sondern nur ein Teil der Lösung, sie ist aber ein wichtiges Mittel, um Lern- und Lehrmethoden dem 21. Jahrhundert anzupassen. Der Aufschwung von pädagogischen und lehrplanrelevanten Neuerungen wie Project-Based-Learning, Blended-Learning, Flipped-Classroom u.v.m ermöglicht den Schülern, ihren Lernweg individueller und selbstgesteuerter zu gestalten. Am Ende unserer Reise um die digitale Lernwelt stehen vor allem drei Erkenntnisse:

Geräte ohne Strategie und Inhalt bringen nichts

Technische Geräte sollten als notwendige Ermöglicher, aber nicht als hinreichende Lösung angesehen werden, sie müssen einer Problematik dienlich sein oder die Entwicklung einer neuen Lernmethode unterstützen.

Wir hatten schon in unserem zweiten und vierten Artikel darüber geschrieben: Die Misserfolge der One-Laptop-Per-Child Initiativen in Peru und Uruguay zeigten uns, dass ein einfaches Verteilen von Geräten nichts bringt, wenn ein solcher Ansatz nicht in eine pädagogische Strategie eingebettet ist.

Entwicklungsländer sind zwar unserer Erfahrung nach in der Bildung oft innovationsfreundlicher als entwickelte Länder, weil sie ihren Rückstand aufholen müssen. Dort gilt aber genauso, was auch Beispiele wie dieses aus Los Angeles illustrieren: Digitale Bildung ist kein Wundermittel, das systemische Probleme eines Bildungssystems sofort lösen kann. So funktioniert es leider nicht. Digitale Bildung sollte Teil eines gemeinsam von den Lehrern, von der Schulleitung und von der Bildungspolitik durchdachten Plans sein, und kann nicht top-down allein von der Politik oder staatlichen Einrichtungen erzwungen werden.

Lehrer in den Mittelpunkt stellen

Lehrer sind die wichtigsten Akteure der Implementierung von digitaler Bildung. Sie dürfen nicht vergessen werden. Erstens müssen sie das Potenzial der digitalen Bildung verstehen und den Willen entwickeln zu experimentieren, bereit sein, ihren pädagogischen Ansatz zu ändern und neue Technologie dafür zu nutzen. Angst vor dem Unbekannten muss genommen werden. Dies kann nur durch eine effektive und laufende Fortbildung geschehen. Diese sollte ihnen vermitteln, wie neue technische Geräte eingesetzt werden können, wie unterschiedliche Lernsoftware benutzt werden können, und welchen Mehrwert digitale Bildung so für den Unterricht bringen kann. Dabei sollten ihnen Lösungen gezeigt werden, die in anderen Schulen oder Ländern funktionieren.

Dr. Dick N’Gambi [1] von der Universität Cape Town in Südafrika geht noch einen Schritt weiter. Er ist der Ansicht, dass Lehrer im Rahmen ihrer Fortbildung mehr Freiraum zum Experimentieren brauchen und ihnen Werkzeuge und Kenntnisse zur Verfügung gestellt werden müssen, um aus Lehrern edupreneurs zu machen. Damit sind Akteure des Wandels gemeint, also Lehrer, die auch die Schöpfer von Lösungen ihrer eigenen Herausforderungen sind.

Wenn wir schon von Unternehmertum sprechen: ein Start-up, welches im Bereich Bildung tätig ist, sollte unbedingt einen Lehrer im Team haben. Das hört sich vielleicht banal an, ist aber erfolgskritisch, um nicht an den Bedarfen der Pädagogen vorbei zu arbeiten. Diese Notwendigkeit sehen leider noch nicht alle Start-Ups.

In der Schule muss mehr experimentiert werden

4Cs
Schüler müssen sich als Lernende im 21. Jahrhunderts auch die Fähigkeiten des 21. Jahrhunderts erschließen. Diese “21st century skills” bestehen aus “4Cs”: “Communication, Creation, Critical Thinking, Collaboration”. Ein Weg, um eine solch aktive Haltung im Unterricht zu etablieren, ist eine “Maker culture”. Sie fördert die Kreativität der Schüler: Basteln, filmen, fotografieren, bauen, programmieren, das sind Beispiele von Aufgaben, die die Schüler kreativ aktivieren. Die New Tech Schulen in den USA sind ein besonders gutes Beispiel dafür. [2] Sie nutzen die Project-Based-Learning Methodik, mit der Schüler eigenständiger agieren als an anderen Schulen und ihr Lernen eigenverantwortlich gestalten.

Auch hierzulande sollten Lehrer und Schulleitung mehr experimentieren: Wie kann man Schüler, die ständig online sind und fast alle ein Smartphone besitzen (85% der Zwölf- bis Dreizehnjährigen in Deutschland) [3], im und fürs 21. Jahrhundert unterrichten? Warum nicht diese Handys im Klassenzimmer zum gemeinsamen Lernen benutzen, wenn sie ohnehin in jeder Tasche liegen? Schulleiter sind hier die wichtigsten Akteure des Innovations- und Experimentierungsprozesses. Die besten und innovativsten Schulen haben daher fast immer Persönlichkeiten mit großen Visionen in der Schulleitung.

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Mehr über unsere Erfahrung und innovativen Bildungsinitiativen und digitale Bildungstrends weltweit können sie in unserem Edtech 2016 Bericht finden, der hier frei verfügbar ist.

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Die Edtech World Tour ist eine Forschungsreise zur Entdeckung innovativer digitaler Bildungspraktiken weltweit. Wir stellen uns besonders die Frage der Rolle, die digitale Bildung für mehr Chancengleichheit und einen besseren Zugang zu Bildung haben kann. Dafür sind wir fünf Monate unterwegs und besuchen Schulen und Unis, treffen uns mit Unternehmern, Denkern und Innovatoren der digitalen Bildungswelt, um so viele Einblicke in “best practices” aus jedem Land zu bekommen. Wir sind in den USA, Chile, Neuseeland, Australien, Indien, Südkorea und Südafrika unterwegs.

Wer sind wir? Audrey & Svenia, ein deutsch-französisches Team, das sich leidenschaftlich für Bildung interessiert und die Auswirkungen, die Technologie auf sie haben kann.

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Quellen

Fotos: © Edtechworldtour

[1] Er hat das ETILAB (Educational Technology Inquiry Lab) gegründet, das Lehrer ein Rahmen zur Experimentierung bietet: http://etilab.org (zuletzt aufgerufen am 26.03.2016)

[2] https://medium.com/@Edtechworldtour/incremental-vs-revolutionary-transformation-how-school-innovation-works-the-case-of-new-tech-2d46342ee52d (zuletzt aufgerufen am 26.03.2016)

[3] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1104/umfrage/smartphone-nutzung-durch-kinder-und-jugendliche-nach-altersgruppen/ (zuletzt aufgerufen am 26.03.2016)