Endgeräte und LernApps können die Leistungen verbessern, sind aber kein Allheilmittel 

Um zu verstehen, warum sich die Reise zu einer Bildungstechnologiemesse lohnt, reicht ein Blick in die Statistik. Während im OECD-Schnitt Schüler:innen knapp zwei Stunden pro Tag mit digitalen Endgeräten lernen, sind es in Deutschland etwas weniger als anderthalb Stunden (OECD 2022). Um herauszufinden, welche Tools das ändern können, und ob eine höhere Bildschirmzeit überhaupt mit besseren Leistungsergebnissen einhergeht, habe ich die British Educational Training and Technology Show (BETT) in London besucht. Seit über 35 Jahren zieht die BETT Bildungsbegeisterte aus aller Welt in die britische Hauptstadt und zeigt an über 600 Messeständen, wie Bildungstechnologie den Lernerfolg von Schüler:innen steigern kann. Dieses Jahr kamen über 35.000 Besucher:innen aus 130 Ländern nach London. 

Nachholbedarfe und Lichtblicke bei der Endgeräteausstattung 

Die Messe habe ich als Teil einer Delegation aus dem Stiftungssektor sowie der Kultusministerkonferenz besucht. Organisiert wurde die Reise von dem von uns mitgegründeten Forum Bildung Digitalisierung und begann am Mittwochabend im Hauptquartier eines großen Digitalkonzerns in London Battersea. Auch positive Beispiele aus Deutschland kamen hier zur Sprache. An der Alemannenschule in Wutöschingen lernen Schüler:innen selbstorganisiert mit Tablets und werden von Lehrkräften als „Lernbegleiter:innen“ dabei individuell unterstützt. Besonders interessant: Die Gemeinschaftsschule aus dem Schwarzwald schneidet in Vergleichsarbeiten überdurchschnittlich ab. Diese Möglichkeiten des personalisierten Lernens werden in der Digitalbranche als großes Wachstumsfeld gesehen. So können ChatBots individuelle Fragen der Schüler:innen beantworten oder Fehler in am Tablet angefertigten Lösungswegen und Gleichungen erkennen. Schon seit den 1980er Jahren ist bekannt, dass personalisiertes Lernen in kleinen Gruppen zu deutlich besseren Leistungen als Frontalunterricht führt. 

Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Endgerätenutzung und den Schüler:innenleistungen? 

Aber ist alleine eine bessere digitale Ausstattung der Schulen hinreichend für verbesserte Ergebnisse der Schüler:innen? Die aktuellen PISA-Daten zeigen, dass eine bessere digitale Ausstattung der Schulen allein nicht ausreicht. Es kommt nicht nur darauf an, dass die Schüler:innen über die Endgeräte verfügen, sondern darauf was sie mit diesen Geräten tun.  

In der letzten PISA-Welle wurde erforscht, inwiefern die Nutzung von digitalen Endgeräten und Leistungsergebnisse in Mathematik zusammenhängen (siehe Abb. 1). Dabei zeigt sich klar, dass bei einer Nutzung der Endgeräte von bis zu einer Stunde am Tag, sowohl für schulische als auch für private Zwecke (Social Media, Messengerdienste, Gaming-Apps usw.), die Mathematikleistungen besser ausfallen. Dies spricht dafür, dass eine grundsätzliche digital literacy die mathematischen Kompetenzen positiv beeinflusst. Wenn die Geräte für private Zwecke genutzt werden, sinken die Schüler:innenleistungen jedoch ab einer Nutzung von mehr als zwei Stunden bereits unter die eines Kontrollszenarios mit digitaler Abstinenz. Spannend ist der Zusammenhang zwischen der Nutzung von digitalen Endgeräten für schulische Zwecke und den Mathematikleistungen. Selbst bei einer Nutzungszeit von über sieben Stunden am Tag liegen die Schüler:innenleistungen in diesem Szenario gemessen in PISA-Punkten (458) leicht über denen derjenigen, die gar keine Zeit zum Lernen am Bildschirm verbringen (456). Sprichwörtlich lässt sich schlussfolgern: Die (digitale) Substanz macht das Gift!   

Abbildung 1

Welche digitalen Inhalte unterstützen das Lernen der Schüler:innen? 

Die große Anzahl an Apps, die auf der BETT vorgestellt wurden, machen dabei Hoffnung, dass deutschen Schüler:innen zukünftig genug spannende Tools für schulische Zwecke zur Verfügung stehen. So hilft die App Goodnotes dabei, Notizen im Unterricht zu erstellen. Die KI-Erweiterung der App kann mittlerweile Fehler in handschriftlichen mathematischen Rechnungen und Gleichungen auf dem Tablet erkennen. Die französische App Kaligo unterstützt den Schrifterwerb von Grundschüler:innen und kann mittels KI graphomotorische Fehler, z.B. bei der Schreibrichtung, identifizieren. Dies ist besonders hilfreich, weil Lehrkräfte die Schreibrichtung im Nachhinein nicht immer bestimmen können, während die App diese Information speichert. Und auch „Klassiker“, wie die deutsche LernApp Anton, waren auf der Messe vertreten. Neben den an deutschen Lehrplänen angelehnten Fächern verfügt Anton mittlerweile über einen umfangreichen Aufgabenpool im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ), der zugewanderte Schüler:innen beim Spracherwerb unterstützt. Zwischen dem Bedürfnis der Schüler:innen nach „Freizeit“ auf dem Tablet und dem pädagogischen Interesse der Lehrkräfte findet die App ein schönes Belohnungssystem: Wenn die Schüler:innen eine Aufgabe besonders gut meistern, gewinnen sie Münzen, mit denen integrierte Spiele gespielt werden dürfen.  

Digitale Medien unterstützen den Unterricht, ersetzen ihn aber nicht  

Auch wenn die digitalen (KI-)Lösungen im Schulwesen also beeindruckend und zahlreich sind, waren selbst die Vertreter:innen der Digitalbranche zurückhaltend, was einen vollständigen Ersatz analoger Lernmethoden betrifft. Ein moderater Einsatz digitaler Lösungen, so die Mitarbeiterin eines großen Digitalkonzerns, habe sich als sinnvoll für die Verbesserung der Schüler:innenleistungen erwiesen. Ein vollständiger Verzicht auf digitale Instrumente oder ein komplettes Ersetzen konventioneller Lernmethoden sei jedoch nicht zielführend. Dieser Ratschlag und der Zusammenhang zwischen der Nutzungszeit und den Schüler:innenleistungen zeigen, dass im Unterricht wohl tatsächlich das altbekannte Sprichwort greift: Die Dosis (und die Substanz) machen das Gift!  

 


Quellen: 

OECD (2022). Programme for International Student Assessment (PISA) Results 2022 – Volume 2. Daten einsehbar unter: https://stat.link/pyhr6e in der Tabelle II. B1.5.62.  

OECD (2024). Students, digital devices and success. Online verfügbar unter: https://www.oecd.org/content/dam/oecd/en/publications/reports/2024/05/students-digital-devices-and-success_621829ff/9e4c0624-en.pdf#page=6.