Innovation Units in australischen Schulen fordern Lehrer zum Umdenken heraus

Das Konzept der “Innovation Units” wurde in Australien zum ersten Mal vor 10 Jahren entwickelt.[1] Sein Initiator, Stephen Harris, ist seit 19 Jahren Leiter der Northern Beaches Christian School (NBCS), einer Privatschule in der Nähe von Sydney. 2005 war er der Überzeugung, dass das Unterrichtswesen komplett neu gestaltet werden müsse. Er wollte sich von einem “industriellen Klassenzimmer” entfernen, wo der Unterricht standardisiert für 30 Schüler abläuft. Er wollte neue Ideen entwickeln, um das Lernen zu personalisieren. Dafür schaffte er das Sydney Centre for Innovation in Learning (SCIL), eine schulinterne Bewegung, die die Lehrer ermutigte, Erneuerungen einzuführen und diese im Klassenzimmer zu verankern:

“Stephen asked us to go crazy, reinvent everything and think of solutions to personalize our students’ learning.”

(Steve Collis, damals Englischlehrer an der NBCS) [2]

Die Experimentierbereitschaft variierte von Lehrer zu Lehrer, aber als die ersten sich intensiv mit diesem Ansatz befassten, kamen schnell weitere Kollegen dazu. Es war Harris sehr wichtig, eine lehrergesteuerte Veränderung seiner Schule zu bewirken, also keine “top – down” auferlegte und aufgedrängte Umstellung, denn diese hielt er für völlig unwirksam.

Im Fall der Parramatta Marist Schule (PMS) war das Center for Deeper Learning als Ausbildungszentrum für eigene und externe Lehrer gedacht. “Weil wir großartige Ergebnisse und Erfolge mit unserem Wandel zu Project-Based-Learning (PBL) erzielten, wollten wir andere Schulen in diese Methodik einführen, ihnen Anregungen geben und Lehrer fortbilden,” [3] teilte uns Kurt Challinor, Vorsitzender des Centre for Deeper Learning an der Parramatta Marist Schule, mit.

Neuerfindung des physischen Raums und durchdachte Nutzung von Technologie

Eine der ersten großen Neuerungen an der NBCS war die komplette Veränderung der Räumlichkeiten: Klassenräume gibt es in dieser Schule kaum noch. Schüler werden in einen stufen- und fächerübergreifenden Unterricht eingeführt und befinden sich in einem gemeinsamen Raum. Lehrer unterrichten selten auf traditionelle Weise. Schüler werden dazu aufgefordert, Informationen alleine zu recherchieren und in der Gruppe zu arbeiten. Lehrer fungieren als Begleiter und Unterstützer im Lernprozess und nicht mehr als “Content Provider”. Dafür haben alle Schüler ab der 3. Klasse ihr eigenes Gerät, sei es ein Tablet oder ein Laptop, das sie von zu Hause mitnehmen.[4]

“Wir wenden uns in Richtung eines Paradigmenwechsels, wo das Lernen personalisiert und kollaborativ ist, Technologie sich dem Lernumfeld anpasst, der Raum sich komplett von traditionellen Schulen unterscheidet und wo eine Gemeinschaft, die auf positiven Beziehungen aufbaut, im Zentrum steht.”

(Steve Collis, Vorsitzender des SCIL) [5]

Die Parramatta Marist Schule (PMS) hat sich für eine komplette Umstellung auf die Project-Based-Learning-Pädagogik entschieden, die auf dem Modell der New-Tech-Schulen [6] in den USA basiert. Ab der 10. Klasse werden Schüler ins Problem-Based-Learning eingeführt, welches darin besteht, ein Problem pro Tag [7] zu lösen. Das ermutigt Schüler, Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.

Was treibt eigentlich Innovation in Schulen an?

Diese Frage haben wir unseren Ansprechpartnern an der NBCS und PMS gestellt und ihre erste spontane Antwort war bei allen die gleiche: ein visionärer Schulleiter, der offen für neue Ideen ist und bereit, Risiken einzugehen.“Es gibt kein Geheimrezept,” sagte Steve Collis. “Immer wieder experimentieren, testen, was läuft und was nicht. Ich habe so viele Schulleiter und Lehrer getroffen, die behaupten, in ihrer Schule sei es nicht nötig, etwas zu ändern. Der Durchschnitt der Prüfungsergebnisse sei gut genug. Es geht hier aber nicht um Prüfungsergergebnisse, sondern darum, Lernen effektiver zu gestalten.”[8]

Lehrerfortbildung sei ein ebenso wesentlicher Bestandteil einer solchen Umwandlung und sollte sogar die Prioriät sein. Andere, besonders innovative Schulen zu besuchen, sei hilfreich gewesen, teilte uns Kurt Challinor (PMS) mit, der selbst Schulen in Finnland besucht hat. SCIL bietet sogar australischen Schulleitern Studienreisen an, um weltweit innovative Schulen zu entdecken. Aber der Rahmen ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Implementierung dieser neuen Praktiken. Ein Schulmodell kann nicht einfach kopiert werden. Die Lehrenden müssen aktiv an der Gestaltung des Veränderungsprozesses mitwirken, damit die Ergebnisse von allen getragen werden. Sie müssen – mit Hilfe einer überzeugenden Führungskraft – Innovation vorantreiben.

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Quellen:

Foto: © SCIL: Unterricht an der NBCS

[1] Diese sind: The Centre for Learning, Research & Innovation (CLRI) des Geelong College http://www.clri.com.au/ (zuletzt aufgerufen am 4.02.2016)

[2] Steve Collis: telefonische Mitteilung vom 7.01.2016

[3] Kurt Challinor: telefonische Mitteilung vom 8.01.2016

[4] NBCS ist eine BYOD Schule (Bring Your Own Device) wie die Mehrheit der australischen Schulen die Technologie als Teil des Lernplans integriert haben.

[5] Steve Collis: telefonische Mitteilung vom 7.01.2016. Steve Collis’ TED Talk ist empfehlenswert für alle, die mehr über diese Neuerfindung des physischen Raums erfahren wollen. https://www.youtube.com/watch?v=WSKPrVG3Evs (zuletzt aufgerufen am 4.02.2016)

[6] http://www.newtechnetwork.org (zuletzt aufgerufen am 4.02.2016)

[7] Diese Methode inspirierte sich von der Republic Polytechnic eine innovative Schule in Singapur die den 1-day-1-problem Ansatz erfunden hat. http://www.rp.edu.sg/ (zuletzt aufgerufen am 4.02.2016)

[8] Steve Collis: telefonische Mitteilung vom 7.01.2016