Gedanken zum 5. Bildungspolitischen Symposium NRW
„Schule, Kommune, Region – Bildungspolitische Akteure stärken“, so lautete das Thema des 5. Bildungspolitischen Symposiums, zu dem ich mich am frühen Samstagmorgen, den 19. Februar, auf den Weg ins Messezentrum Essen machte.

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann im Gespräch mit Moderatorin Gisela Steinhauer. (Foto: Frauke Schumann)

Gemeinsam mit wohl tausend anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus Schule, Politik und Wissenschaft wollte ich Teil des Forums werden, das zum persönlichen und fachlichen Austausch oder einfach zur individuellen Informationsgewinnung einlädt. Dieses Jahr lockten nicht nur Vorträge und Diskussionen mit Frau Ministerin Löhrmann, dem Schulentwicklungsexperten Herrn Dr. Rösner und dem Rektor der Uni Siegen, Herrn Prof. Dr. Burckhart, sondern auch die Vor- bzw. Ausstellung von vier Gemeinschaftsschulen und ein Erfahrungsbericht über den Weg zu „einer Schule für alle“ in Billerbeck. Dabei beschäftigten alle Beteiligten vor allem folgende Fragen: Wie kann es gemeinsam gelingen, die Chancen und Leistungen von Schülern zu verbessern? Wie wirken Schule, Kommune und Region zukünftig zusammen? Wie sieht die Schule in einer demographisch veränderten Gesellschaft überhaupt aus? Und welche Lehrer brauchen wir für die Schulen von morgen?
Angekommen in den großen Hallen des Messezentrums erwarteten mich zunächst zahlreiche Aussteller, die mich mit den neusten Schulbüchern und Infobroschüren versorgten. Langsam füllten sich auch die letzten Plätze im großen Europasaal, so dass Moderatorin Gisela Steinhauer – die das Publikum mit gewohntem Esprit und Elan durch die Veranstaltung führen sollte – pünktlich um zehn Uhr Frau Ministerin Löhrmann zu ihrer Eröffnungsrede begrüßte.
Der demografische Wandel und die enge Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg stellen für die Ministerin die derzeit größten Herausforderungen in der deutschen Schullandschaft dar. Ihre Antworten lauten: Längeres gemeinsames Lernen und eine individuelle Förderung in allen Schulformen – zustimmendes Nicken geht durch die Reihen. Zudem können gemeinsame Ziele, eine abgestimmte Arbeit vor Ort und ein stärkeres Zusammenwirken aller Beteiligten in regionalen Bildungsnetzwerken (Schulträger, Schulaufsicht, Wirtschaftsunternehmen u.v.m.), nach Meinung der Ministerin, eine Entlastung für Lehrkräfte bewirken. Gemäß dem afrikanischen Sprichwort „wenn du schnell gehen willst, gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, gehe zusammen“ sollen Netzwerkkooperationen, eine schulformübergreifende Vernetzung und qualifizierte Ausbildung den weiteren Weg in der Schullandschaft NRW begleiten.
Im Mittelpunkt des folgenden Einführungsvortrags von Herrn Dr. Rösner standen die Auswirkungen des demografischen Wandels. Eingerahmt von einigen Zahlen der (mittlerweile wohl bekannten) demografischen Entwicklungslinie, kam Herr Dr. Rösner zu einem erdrückenden Ergebnis. Angesichts des Zusammenwirkens sinkender Geburtenzahlen und des Schulwahlverhaltens der Eltern sind nicht nur Grund- und Hauptschulen in ihrem Bestand gefährdet, sondern auch Realschulen. Lediglich Gymnasien kommen seiner Ansicht nach relativ ungeschoren davon. Auch wegen einer derartigen Aussicht hob Herr Dr. Rösner den mahnenden Finger in Richtung Politik. Diese solle bescheidender werden und sagen: „Wir erzwingen keine ungeliebten Schulen, sondern ermöglichen bedarfsgerechte Angebote“. Um neue Wege (leichter) gehen zu können, müsse trotz sinkender Schülerzahlen das Budget natürlich gleichbleiben.
Zugegebenermaßen steht die Politik den demografischen Entwicklungen und dem Schulwahlverhalten von Eltern relativ ausgeliefert gegenüber. Auch in diesem Punkt stimme ich mit Herrn Dr. Rösner überein. Anders sieht es für die Schulpolitik bei der qualifizierten Ausbildung von Lehrkräften aus; hier sind mit dem Eignungspraktikum vor Beginn des Lehramtsstudiums bereits erste Neuerungen in die Wege geleitet worden.
Doch welche Lehrkräfte braucht die Schule von morgen? Dieser Frage widmete sich anschließend Prof. Dr. Burckhart. Für ihn muss die Schule von morgen vom Schüler aus gedacht werden und sich an folgender Frage messen: „Wird die Schule (als systemischer Komplex von Institution, Lehrern, Unterrichtsformen, Räumen etc.) der Differenz und Individualität des Einzelnen und der Diversität der Gesellschaft gerecht?“Eine mehrperspektivische Ausbildung soll Studenten dazu befähigen, beim einzelnen Schüler anzusetzen und dessen Lernmuster und -möglichkeiten zu verstehen. Dabei dürfe eine reflexive Erprobung in der Praxis ebenso wenig fehlen wie eine Einbeziehung des öffentlichen Raums und die enge Verzahnung aller Beteiligten. Die Lehrkräfte von morgen müssen sich eine gezielte Kombination von Fachlichkeit, Fachdidaktik, Bildungswissenschaften und Praxis aneignen, die das Wissen um Lernertypen, um soziale Wirklichkeiten und emotionale Andersheiten umschließt.
Ein politisches Signal sollte, nach Meinung Burckharts, zudem mit der Einführung einer gleichwertigen Ausbildung für alle Lehramtsstudenten gesetzt werden, um eine erstrebenswerte Wertschätzung aller Schulformen zu übermitteln. Bis dies Wirklichkeit wird und tatsächlich tradierte Denkweisen aufbricht, muss allerdings, so scheint mir, noch viel Wasser den Rhein runter fließen.
Nach einem Theoriemarathon am Vormittag rauchten die Köpfe. Die wohlverdiente Mittagspause tat nun allen entsprechend gut. Anderthalb Stunden später ging es endlich in die Praxis: „Eine Schule macht sich auf den Weg“ – unter diesem Aufhänger schilderte Frau van der Wielen (Schulleiterin der Geschwister-Eichenwald-Realschule Billerbeck) den spannenden Weg zur Gemeinschaftsschule. Beflügelnde Voraussetzungen (u.a. zwei gut sanierte und ausgestattete Schulgebäude), hilfreiche Zwischenschritte (u.a. eine Fortbildung im Change-Management), der ein oder andere Stolperstein (u.a. die Befürchtung, dass die Heterogenität der Schüler zu groß ist) und eine Reihe visionärer Zukunftshoffnungen begleiteten die Schule in ihrem Entwicklungsprozess. Und auch hier brauchte es ein vernetztes und abgestimmtes Miteinander des „gesamten Dorfs“, um die „Schule für alle“ für eine glückliche Zukunft zu wappnen.
Abgesehen von viel fachlicher Information und ein paar praxisnahen Einblicken überzeugte mich beim 5. Bildungspolitischen Symposium auch das Rahmenprogramm. Die United-Brass- Big-Band schmetterte Songs u.a. von den Beatles und die „Kettwichte“, nach Auffassung der Presse „Deutschlands bestes Jugendkabarett“, ließen mit kontroversen Beiträgen manch Teilnehmer unwohl auf dem Stuhl hin- und herrutschen.
Auch wenn das Unterhaltungsprogramm für reichlich Stimmung sorgte, werden uns weiterhin wohl eher die Fachinhalte begleiten. Was bleibt nun übrig vom diesjährigen Symposium?
Eins ist klar, der Demografie können wir nicht entkommen, also müssen wir konstruktiv mit ihr umgehen. Die Devise kann nur lauten: Weniger Auslese – mehr Vernetzung, um Förderung zu sichern.
Stefanie Rother