Dieser Beitrag wurde verfasst von: Lara Ruppertz.

Lehrer werden ist nicht schwer…
…und Lehrer sein erst recht nicht! Ein gängiges Klischee, mit dem ich während meiner Ausbildung oft konfrontiert wurde.
Jeder meint aus eigener Schulzeit das Aufgabenfeld eines Lehrers zu kennen – und neigt dazu, es zu unterschätzen: Der Lehrerberuf – ein Halbtagsjob bei Vollbezahlung mit langen Ferien. Kein Wunder also, dass sich auch viele junge Studenten auf der Basis völlig falscher Vorstellungen zu einem Lehramtsstudium entschließen. Eine folgenschwere Entscheidung, denn die meisten merken erst im Klassenzimmer, dass sie für den Beruf nicht geeignet sind. Viele Lehramtsstudenten und Referendare zeigen bereits vor dem eigentlichen Berufsstart erste Anzeichen eines späteren Burnouts, fühlen sich überfordert und für den Beruf ungeeignet. Dennoch bleiben viele von ihnen an den Schulen, weil nach dem Lehramtsstudium echte Jobalternativen fehlen. Eine kopflose Entscheidung für den Lehrerberuf kann jedoch nicht nur zu einer echten Belastung für den Lehrer selbst werden, sondern hat vor allem Konsequenzen für die Qualität von Unterricht und die Bildungsbiografie der Schüler. Ohne gute Lehrer keine gute Bildung!
Mit Eignungstests die Geeignetsten für das Lehramt gewinnen
Sicherlich gibt es nicht die eine ideale Lehrerpersönlichkeit. Dennoch belegen Studien, dass Studenten mit günstigen Eingangsbedingungen und Persönlichkeitsmerkmalen die Ausbildung zum Lehrer erfolgreicher absolvieren und sich zufriedener und weniger belastet fühlen. Im Zuge der neuen Lehramtsausbildung werden daher Stimmen lauter, die obligatorische Eignungstests vor Beginn des Studiums fordern. Das Credo lautet: Nur die Besten für das Lehramt gewinnen.
Seit dem Wintersemester 2011/2012 sieht Baden-Württemberg als erstes Bundesland den Selbst-Test des Career Counselling for Teachers (CCT) für die Aufnahme eines Lehramtsstudiums verpflichtend vor. Auf der Plattform des CCT können Studieninteressierte anhand eines Fragebogens testen, inwiefern ihre Persönlichkeit und Tätigkeitsinteressen mit dem Aufgaben- und Persönlichkeitsprofil eines Lehrers korrespondieren. Neben dem Selbst-Test hält die Plattform außerdem interessante Informationen und Hinweise rund um den Lehrerberuf bereit. Eine ähnliche Selbst-Prüfung bietet auch der im Rahmen der Potsdamer Lehrerstudie entwickelte Online-Test „Fit für den Lehrerberuf“. Um das Risiko einer unrealistischen Selbsteinschätzung zu minimieren, umfasst dieser Test zusätzlich einen Fragebogen zur Fremdeinschätzung.
Gewiss können die erwähnten Tests Anstoß für eine kritische Reflexion über die persönliche Eignung zum Lehrer sein. Dennoch bleibe ich skeptisch, ob sie wirklich hilfreich sind. Erinnere ich mich an die ersten Semester meines Studiums, so denke ich vor allem an Orientierungsveranstaltungen, die zwei wesentliche Fragen zum Inhalt hatten: Warum möchte ich Lehrer werden? Was ist ein guter Lehrer? Eine Erinnerung die ich sicherlich mit vielen Studenten teile. Sollten Lehramtsstudierende demnach nicht spätestens an dieser Stelle bemerken, dass sie für den Beruf eventuell ungeeignet sind? Offensichtlich nicht, denn die meisten Studenten stellen dies erst zum Ende ihres Studiums fest. Welchen Unterschied sollen da also Eignungstests ein halbes Jahr früher machen? Ähnlich wie Seminare setzen sich nämlich auch Selbst-Tests nur theoretisch mit dem Lehrerberuf auseinander. Die Theorie sieht in der Praxis aber oft ganz anders aus. Mit der Praxis werden Lehramtsstudierende jedoch zu wenig und viel zu spät konfrontiert. Was folgt ist ein Praxisschock.
Sinniger als Eignungstests erscheint mir das in NRW vor zwei Jahren eingeführte Eignungspraktikum. Wird ein solches Praktikum von engagierten und qualifizierten Lehrern begleitet, so können Studenten für 20 Tage Schule aus der Lehrerperspektive erleben. Eine Erfahrung, die kein Test ersetzen kann. Der persönliche und individuelle Austausch mit erfahrenen Lehrern und Referendaren ist sicherlich intensiver und hilfreicher als ein anonymer Selbst-Test. Was aber, wenn Schulen diese Aufgabe nicht ernst nehmen und der Praktikant letztlich wieder wie ein Schüler „hinten im Unterricht“ sitzt? In diesem Falle verliert wohl auch ein Eignungspraktikum seinen Wert.
Mit Eignungstests die Spreu vom Weizen trennen?
Bisher dienen Selbst-Tests und Eignungspraktika ausschließlich zur Selbstreflektion, d.h. sie gefährden die Zulassung zum Studium auch bei negativen Ergebnissen nicht. Es bleibt die Frage: Sollten Eignungstests überhaupt genutzt werden, um Studenten vom Studium auszuschließen? Ich bin skeptisch. Prinzipiell halte ich Eignungsverfahren, die Studenten bereits vor dem Lehramtsstudium zu einer kritischen Selbstreflexion bewegen, für sinnvoll. Riskant erscheint mir jedoch Studierende anhand von Eignungstest vom Studium auszuschließen. Manch ein vermeintlich ungeeigneter Student mag sich im Laufe des Studiums zu einer vorbildlichen Lehrerpersönlichkeit entwickeln. Zu groß also die Gefahr Potentiale zu verschenken. Anstatt selektiver Eignungsverfahren zu Beginn des Studiums würde ich mir daher Mentoring-Modelle wünschen, die Studenten während des gesamten Studiums bei der Entwicklung ihrer Lehrerpersönlichkeit beraten und begleiten. Gewiss sind solche Modelle aufwendiger und teurer als Online-Tests. Eine Investition, die sich meiner Meinung nach jedoch lohnen würde, denn: Gute Lehrer – gute Bildung.
Lara Ruppertz

Links zu den Selbst-Tests:
http://www.cct-germany.de/de/0/tours/start/1
http://www.cct-germany.de/de/0/tours/start/2
http://www.cct-germany.de/de/0/tours/start/3
http://www.vbe.de/angebote/potsdamer-lehrerstudie/fit-fuer-den-lehrerberuf.html
Links zum Eignungspraktikum in NRW:
https://www.schulministerium.nrw.de/BP/ELISEAngebote
https://broschueren.nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/msw/lust-aufs-lehramt-informationen-zum-eignungspraktikum-in-nordrhein-westfalen/943