Dieser Beitrag wurde verfasst von: Katharina Korves.

Das Portfolio kann ein gewinnbringendes Instrument für die Arbeit der Schüler sein. Insbesondere das Prozess- oder Entwicklungsportfolio eröffnet ihnen Möglichkeiten der Selbstbeobachtung und Selbststeuerung im individuellen Lernprozess (vgl. hierzu folgende kürzlich erschienene Beiträge auf Vielfalt lernen hier und hier). Die Chance für die Lerner liegt darin, sich der eigenen Lernprozesse, aber auch der eigenen Stärken und Entwicklungsbedarfe bewusst zu werden und die Erkenntnisse konstruktiv für die Weiterentwicklung zu nutzen. Diese Potenziale der Portfolioarbeit können auch in der Lehrerausbildung genutzt werden…

Interview

…dieser festen Überzeugung ist auch mein Interviewpartner Dieter Vorrath-Diepold. Als Pädagogikfachleiter hat er bis zu seiner Pensionierung im Juli 2012 die Portfolioarbeit am Studienseminar Oldenburg gemeinsam mit Carola Junghans und Heike Bock-Schnibbe vorangetrieben. Gemeinsam mit KollegInnen und LehramtsanwärterInnen machte er sich auf den Weg, das Portfolio als Unterstützungsinstrument in der Lehrerausbildung zu nutzen. Der Experte und gefragte Referent berichtet in diesem Beitrag, was das Portfolio in der Lehrerausbildung leisten kann und worauf es beim Einsatz ankommt.

K: Lieber Dieter, in welcher Form und welcher Art lässt sich das Portfolio in der Lehrerausbildung einsetzen?
D: Das Portfolio (Entwicklungsportfolio) ist ein geeignetes Mittel, die professionsspezifische, kritische Selbsteinschätzung und damit eine Einschätzung der eigenen Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Somit ist das Portfolio auch ein wichtiges Instrument zur Reflexion des eigenen Lehrerhandelns. Die Arbeit am Portfolio sollte dabei freiwillig sein und keiner Bewertung unterliegen. Sie ist vom Grundsatz her eine persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Entwicklung. Die Arbeit am Portfolio motiviert, Verantwortung für den Aufbau der eigenen Lehrerpersönlichkeit und des eigenen Lehrstils zu übernehmen. Gleichzeitig fordert die Portfolioarbeit auf, die eigene Ausbildung selbstständig und eigenverantwortlich mitzugestalten.
Das Portfolio ist eine geeignete Form, um sich seiner persönlichen Stärken und unterrichtsrelevanten Entwicklungsfelder bewusst zu werden.

K: In wie fern können Anwärter von der Portfolioarbeit profitieren?
D: Sie reflektieren eigene Lernfortschritte und die Effektivität der angewandten Arbeitsmethoden. Die Chance besteht darin, dass die Anwärter sich praktisch als ihre eigenen Ausbilder erfahren. Gleichzeitig ermöglicht die Portfolioarbeit  den professionellen Austausch mit anderen Anwärtern auf freiwilliger Basis. So können sich gruppenspezifische Formen der kollegialen Beratung entwickeln. Es können dadurch professionelle Lerngemeinschaften entstehen, die auch über die Ausbildungszeit Bestand haben können.
Zusätzlich ist das Portfolio eine geeignete Form zur Vorbereitung auf die in der Prüfungsordnung vorgesehenen Gespräche zum Ausbildungsstand. Die Anwärter nehmen noch einmal das Geleistete in den Blick und begreifen ihre Ausbildung als einen Prozess, der sich auch nach dem 2.Staatsexamen fortsetzt.

K: Wie hast du als Pädagogikfachleiter den Portfolioprozess deiner Anwärter wahrgenommen? Welche Erfahrungen kannst du berichten?
D: Auch hier gilt: Aller Anfang ist schwer. Der Seminarleiter wird zu Beginn des Referendariats vorwiegend in seiner Beurteilungsfunktion wahrgenommen. Durch eine zielorientierte Gesprächsführung, basierend auf entsprechenden Arbeitsformen im Seminar, kann jedoch sehr schnell die Eigenverantwortung der Anwärter für ihre persönlichen Entwicklungen bewusst gemacht werden. Der Seminarleiter muss seine beratende Funktion in besonderem Maße vermitteln können. Dies gilt besonders für die Beratungsgespräche bei den ersten Unterrichtsbesuchen. Wird die Selbstwahrnehmung der Anwärter zum Ausgangspunkt der Gespräche genommen, können sich die Anwärter als Reflektierende begreifen. Die subjektiv bedeutsame und fundiert vorgenommene Selbstbeobachtung wird Grundlage des Austausches mit den Ausbildern. Durch diese Erfahrung ist es den Anwärtern möglich, auch weiterhin die Portfolioarbeit als Chance zu begreifen, Verantwortung für die Ausbildungszeit zu übernehmen. Die Ausbildung wird begriffen als eine Arbeit an sich selbst und das Portfolio gibt den Anwärtern ein geeignetes Arbeitsmittel an die Hand. Je intensiver sich die Anwärter in meinem Seminar mit dem Portfolio auseinandergesetzt haben, um so positiver waren auch die Rückmeldungen. Es gab auch Fälle, in denen sich Anwärter über die Portfolioarbeit erneut mit ihrer Berufswahl auseinander gesetzt haben und dabei erkannt haben, das ihre Berufswahl nicht unbedingt ihren persönlichen Kompetenzen entspricht. Sie sind so bewusst und gestärkt aus der Ausbildung ausgestiegen.

K: Kannst Du Tipps zur Portfolioarbeit geben? Zum Beispiel: Wie kann man hiermit beginnen und worauf sollte man achten?
D: Die Portfolioarbeit sollte sich im Austausch mit anderen entwickeln. Dies gilt nicht nur für die Anwärter sondern auch für die Ausbilder. Dabei müssen die spezifischen Voraussetzungen der einzelnen Studienseminare mit berücksichtigt werden. Oft ist weniger mehr. Auch das Führen eines Tagebuchs kann ein erster Schritt sein. Wird in bestimmten Abständen eine Bestandsaufnahme vorgenommen, so können Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und korrigiert werden. Ziel ist und muss bleiben: Die Portfolioarbeit in der Lehrerausbildung  ist eine freiwillig zu nutzende Form zur Selbstregulation und Steuerung persönlicher Lernprozesse.
 
Vielen Dank für Deine ausführlichen Erläuterungen und Einschätzungen, Dieter. Und vielen Dank für das nachhaltiges Engagement von Dir, Carola Junghans und Heike Bock-Schnibbe in Sachen Portfolioarbeit in der Lehrerausbildung! Wir freuen und bedanken uns, Euer bewährtes Arbeitsmaterial (Portfolio-Script) hier präsentieren zu dürfen.
 
Katharina Korves

Portfolio-Skript vom Studienseminar für GHRS Oldenburg
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