Dieser Beitrag wurde verfasst von: Moritz Schmidt-Degenhard.

Nach dem LernLab, über das ich ja bereits ausführlicher berichtete, hatte ich noch Gelegenheit, zwei Tage lang das EduCamp 2013 in Berlin mitzuerleben. Das EduCamp 2013 fand wie das vorgeschaltene LernLab in den Räumlichkeiten der Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule statt. Das EduCamp ist eine sogenannten Unkonferenz. Man fährt dort also nicht hin, um sich von geschliffenen Vorträgen oder Diskussionsrunden berieseln zu lassen, sondern ist von Anfang an dazu aufgefordert, selbst aktiv zu werden und die Veranstaltung mitzugestalten. Die Besucher sind deshalb im besten Fall eher Teilgeber, statt lediglich Teilnehmer.
Niemand kann vorhersehen, welche Themen genau auf dem EduCamp besprochen und behandelt werden. Die Themen finden sich erst über einen Sessionplan, den die Teilgeber zu Beginn des EduCamps gemeinsam zügig erstellen. Wer ein potentielles Thema hat, stellt es kurz vor und wenn Andere ebenfalls Interesse daran haben, kann es als neue Session in den Sessionplan eingetragen werden.
Neben der Sessions geht es beim EduCamp natürlich auch immer um den gemeinsamen Austausch und das Netzwerken, was hier durch die recht lockere Atmosphäre und informellen Strukturen besonders gut gelingen kann. Eine Regel des Educamp lautet: Man duzt sich auf dem EduCamp. Das macht es einfacher, mit bisher unbekannten Leuten ins Gespräch zu kommen.
Bei einer Auswahl von rund 50 Sessions können die Eindrücke bei den individuellen Besuchern sehr unterschiedlich ausfallen. Statt zu versuchen, dieser Fülle an Themen und Ideen insgesamt gerecht zu werden, möchte ich in diesem Beitrag die Gelegenheit nutzen, drei Sessions in den Vordergrund zu stellen, die mir bei meinem EduCamp-Besuch besonders eindrücklich waren. Ein Session-Triptychon.

Lehrer werden – die Initiative kreidestaub.net

Den Anfang macht dabei die Initiative kreidestaub.net. Einige Berliner Lehramtsstudenten machen sich Gedanken über die Lehramtsausbildung an den Universitäten und stören sich an ihr in einigen Punkten. Dazu gehört das Sitzen „zwischen den Stühlen“ der Lehramtsstudenten an den Fakultäten der Universitäten, sowie eine nach wie vor zu geringe Praxisorientierung. So weit, so bekannt. Doch statt es einfach nur bei der durchaus berechtigten Kritik zu belassen, nehmen die Studentinnen und Studenten von kreidestaub.net die Sache einfach selbst in die Hand.

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StudentInnen von kreidestaub.net stellen ihre Initiative im EduRadio vor

So organisierte die Initiative beispielsweise eine Bildungsreise durch ganz Deutschland, in der sie sich besondere, oft mit Preisen prämierte, Schulen ansahen, dort hospitierten und Berichte über ihre Erlebnisse schrieben. Um der Praxis ein Stück näher zu rücken. Über verschiedene Kanäle im Netz versucht die Kreidestaub-Initiative Außenwirkung zu erzielen, andere Studentinnen und Studenten zu erreichen und den Kopf für neue Schulkonzepte- und Ideen freizuhalten. Staub aufwirbeln eben. Nicht nur bei mir als Lehramtsstudent, der das Bedürfnis der Studentinnen und Studenten sehr gut nachvollziehen kann, stößt die Initiative auf dem EduCamp auf reges Interesse. Auch viele erfahrene Lehrerinnen und Lehrer, die das EduCamp besuchen, freuen sich sichtlich über den Einsatz und die Hands-On-Mentalität der Studierenden. Hoffentlich sind es auch solche Initiativen, die Wege und Ideen für eine zeitgemäße Lehrerausbildung aufzeigen können.

Welten schaffen – Minecraft und interessegeleitetes Lernen

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Neue Lernwelten in Minecraft

Ein weiterer Höhepunkt meiner EduCamp-Impressionen war eine Session zum Einsatz von Minecraft im Unterricht. Minecraft ist ein Computerspiel, in dem sich Blöcke abbauen und neu arrangieren lassen. Im Grunde eine unerschöpfliche Kiste mit Lego-Bausteinen, die sich sehr flexibel anordnen lassen. Da sich das Spiel auch kollaborativ auf Servern spielen lässt, hat die Fangemeinde des Spiels schon riesige Welten zusammengebaut, die sowohl durch ihre schiere Größe, als auch ihren Detailreichtum beeindrucken.
Sessionleiter Kelvin beschreibt, wie er verschiedene Ideen mit seinen Schülerinnen und Schüler mit Hilfe von Minecraft umsetzte. In einem Beispiel sollten sie möglichst ikonische Szenen von literarischen Klassikern nachbauen. Durch den großen, roten Apfel, den die Schülerinnen und Schüler auf eine kleine Figur bauten ist das Drama Wilhelm Tell bei den Sessionbesuchern schnell erkannt, einige Bilder wurden kreativ als Bildrätsel gestaltet. Außerdem fand das Spiel Einsatz, als die Schülerinnen und Schüler verschiedene architektonische Gattungen und Stile herausarbeiten sollten. Dass der Einsatz von Minecraft gerade bei den Schülern gut ankommt lieg nahe und wurde in der Session am lebenden Bespiel durch einen spontan teilgebenden Jungen verdeutlicht, der mit seinem Minecraft-Expertenwissen an zahlreichen Stellen glänzen konnte.

Schule machen – Lernen an der Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule

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Herr Großpietsch stellt die Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule vor

Eine der letzten Sessions des Educamps 2013 am Sonntagnachmittag wurde vom Schulleiter der gastgebenden Schule gehalten. Und genau um diese Schule drehte sich die Session dann auch: Die Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule. Ich hatte ja schon im Beitrag über das LernLab über die auffallend angenehme Schulatmosphäre und die offenen Schülerinnen und Schüler gesprochen. In dieser Session konnte man erfahren, welche Geheimnisse und vor allem, welche Anstrengungen sich dahinter verbargen.
So erzählte Schulleiter Großpietsch, wie die Schule es meistens schafft, zwei Lehrkräfte gleichzeitig in den Unterricht zu schicken und das ohne außergewöhnliches Stundendeputat. Wie sich in der gebundenen Ganztagsschule vieles um die Projektarbeit dreht. Wie grundsätzlich alle Abschlüsse an der Schule durch die Schülerinnen und Schüler erreicht werden können und die Entscheidung darüber erst in Klasse zehn fällt. Wie individuelle Förderung durch diverse Projektarbeitsphasen, den zahlreichen TÜV-Einheiten (Trainieren+Üben+Verstehen) im Wochenplan, durch Lernwerkstätten und jahrgangsübergreifenden Unterricht Wirklichkeit werden kann. Spannend zu hören, wie die Schulleitung und das Kollegium manche Hürde pragmatisch überwanden und gemeinsam immer wieder Lösungen für eine moderne Schule fanden. Mehr Informationen zur Schule finden sich auf der Schul-Homepage, die bei der Session gezeigten Powerpoint-Folien sind ebenfalls abrufbar.
Das Session-Triptychon vom EduCamp 2013 in Berlin: Drei Eindrücke von drei völlig verschiedenen Antworten darauf, wie Lernen, Schule oder das Bildungssystem funktionieren können. Auf der EduCamp-Seite gibt es eine Sammelstelle, bei der man noch weitere Berichte von Teilgebern nachlesen kann. Martin Riemer hat zudem noch einige Fotos gemacht.