Dieser Beitrag wurde verfasst von: Diana Götze.

Wann ist Medieneinsatz sinnvoll? Welche Kompetenzen müssen Lehrende und Lernende dafür mitbringen? Welche institutionellen Rahmenbedingungen sollten gegeben sein, damit neue Technologien effektiv genutzt werden können? – diese Fragen waren zentrale Themen einiger Podiumsdiskussionen und Expertenrunden auf der didacta, der größten Bildungsmesse Europas.
Olaf-Axel Burow, Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel und Autor des Buches „Digitale Dividende“, und Luise Ludwig, Research Managerin an der TU Chemnitz, diskutierten, wie mediengestützter Unterricht gelingen kann, welches Potenzial digitale Medien haben können und welche Rolle das Schulbuch als analoges Medium in der Schule in Zukunft noch spielen wird.
Ludwig, die unter anderem Tablet-Projekte an Schulen wissenschaftlich begleitete, spricht den digitalen Medien didaktisches Potenzial und einen, allerdings undefinierten, Mehrwert zu, gibt aber zu bedenken, dass sie die Lehrkraft im Klassenraum und das Schulbuch als Medium nicht ersetzen können, bzw. sollen. Sie warnt vor zu großem Optimismus mit Blick auf die Ergebnisse aus  sogenannten Leuchtturmprojekten, die sich derzeit noch kaum in die Breite der Schulpraxis implementieren ließen. Auch Burow sieht die Digitalisierung differenziert: Er betont die Vorteile digitaler Medien und sieht besonders im Generieren, Teilen und Rezipieren von Inhalten die Chance, zielgerichtetes Lernen in einer sich entwickelnden Wissensgesellschaft zu fördern. Für Lehrpersonen brächten digitale Medien Vorteile; so könnten sie davon profitieren, wenn Kolleginnen und Kollegen Materialien zur Unterrichtsentwicklung kostenlos zur Verfügung stellen – durch gemeinsames Vorbereiten und Teilen von Arbeitsmaterialien entstünde unter anderem eine Zeitersparnis. Allerdings, so Ludwig,  müsse auch für die Materialien im Open Source Bereich trotz aller Freiheitsgrade die Qualität der Inhalte gewährleistet werden – eine Aufgabe, die derzeit noch hauptsächlich bei den Schulbuchverlagen liege. Hier seien neue Lösungen gefragt, denn das Schulbuch in seiner derzeitigen Form könne nicht länger Bestand haben; eine interaktive Form, an deren Weiterentwicklung Schüler und Lehrer gleichermaßen arbeiten, sei hier eine mögliche Lösung.
Aber nicht nur auf der Seite der Medien, sondern auch bei den Rahmenbedingungen sehen Burow und Ludwig Veränderungsbedarf. Beide betonen, dass es dabei nicht vorrangig um die Investition in digitale Endgeräte und WLAN an Schulen gehe. Vielmehr müsse sich die Kommunikations-, Organisations- und Unterrichtskultur in den Schulen ändern. Die benötigte Kompetenz der Lehrperson liege dabei nicht im technischen Bereich, sondern in der grundlegenden Bereitschaft, den Unterricht zu öffnen und zu individualisieren.

Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Eva Matthes, Wolf-Rüdiger Feldmann, OStR André Spang und Tobias Hübner. Moderation: Prof. Dr. Markus Ritter
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Eva Matthes, Wolf-Rüdiger Feldmann, OStR André Spang und Tobias Hübner. Moderation: Prof. Dr. Markus Ritter

Auch in anderen Diskussionen wurde betont, dass die technische Ausstattung eher eine untergeordnete Rolle spiele, sondern vielmehr die Haltung der Lehrpersonen (sowohl als Einzelperson als auch als Kollegium) für die sinnvolle Integration von Medien im Unterricht entscheidend sei. Deutlich wurde das in einem Teilnehmerkommentar in einem Vortrag zu Gefahren im Internet. Handys und Computer jedweder Art würden „einkassiert“, sie hätten im Unterricht nichts zu suchen, da sie vornehmlich zum Chatten und Spielen verwendet würden.
Richard Heinen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Mediendidaktik und Wissensmanagement der Universität Duisburg-Essen und Geschäftsführer des LearningLab, forderte dagegen in seinem Beitrag zum „Runden Tisch“ der InitiativeD21  ein Umdenken bei allen beteiligten Akteuren in der Schule – weg von Handy und Tablet als Teufelswerkzeug hin zum Lernwerkzeug.
Jan-René Schluchter von der Abteilung Medienpädagogik der Uni Ludwigsburg betonte die Rolle digitaler Medien als Werkzeug für Inklusion. Ihre Nutzung sei weder zeit- noch ortsgebunden, so dass auch weniger bzw. nicht mobile Schüler am Unterricht teilnehmen könnten, z.B. als Videokonferenz. Darüber hinaus böten sie die Chance, sich auch über andere Zugänge als den der Sprache zu äußern, z. B. über ästhetische Darstellungen wie Fotostrecken oder selbst gedrehte Videos. Gleichzeitig hätten Lehrkräfte (aber auch Schülerinnen und Schüler) die Möglichkeit, eigene, individuell auf die Lernenden zugeschnittene Szenarien zu schaffen, in denen Wissen auch über auditive oder visuelle Zugänge jenseits von Lehrbuchtexten erschlossen werden könne.
Einige Teilnehmer des „Runden Tisches“ beklagten, dass bei der Digitalisierung der Bildung die Pädagogik der Technik hinterherrenne, obwohl es eigentlich anders herum sein müsse. Viele Apps und Programme seien nicht auf die inhaltlichen und didaktischen Bedürfnisse von Pädagogen zugeschnitten. Ein Schritt in die richtige Richtung sei es, entweder Geld zu investieren, um Praktikern die Möglichkeit zu geben, selbst die passenden Tools zu entwickeln, oder Bildungsfachleuten die Beauftragung zur Entwicklung passgenauer Tools zu überlassen.
Dass einige der bestehenden digitalen Unterrichtslösungen noch an den Bedürfnissen der Lehrenden vorbeigehen, zeigte sich bei einem Rundgang durch die Hallen. Es wurde eine Fülle an Whiteboards, Schulmanagement-Systemen und Tablet-Lösungen angeboten – medienpädagogische Konzepte blieben hingegen Mangelware, der Fokus lag auf den technischen Potenzialen der Hard- und Software sowie deren Handhabung: “ Der Unterricht wird also nicht besser oder schlechter dadurch, dass das Tafelbild nun anstatt auf die Tafel auf ein Whiteboard gezeichnet wird.
Ebenso wird auch ein Schulbuch nicht besser, wenn es nun online im PDF-Format daherkommt. Erst wenn es eine interaktive Nutzung ermöglicht, kann es das Lernen didaktisch und inhaltlich bereichern. Ohne die Verbreitung sinnvoller medienpädagogischer Konzepte, wird das interaktive Potenzial neuer Medien für einen zeitgemäßen Unterricht noch lange brachliegen.

Andrang an den Messeständen
Andrang an den Messeständen

Wie guter Unterricht mit digitalen Medien aussehen kann, zeigten die Preisträger des Wettbewerbs „Ideen bewegen“ der Initiative „Digitale Bildung neu denken“. Den ausgezeichneten Schulen und den jeweils beteiligten Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern gelang es, fächerübergreifenden bzw. fächerverbindenden Projektunterricht mit dem Einsatz digitaler Medien zu entwickeln und durchzuführen.
Besonders eindrucksvoll war das Projekt „Schülerfirma Holzwerkstatt“, das den 3. Platz in der Kategorie der 9.-11. Jahrgangsstufe gewann. Während alle anderen Preisträger Gymnasial- und Realschulklassen waren, konnte hier eine Hauptschulklasse überzeugen. Die Schülerinnen und Schüler der 9. Hauptschulklasse der Gesamtschule Solms entwickelten und produzierten eine Relaxliege und vertrieben diese über die neu gegründete Schülerfirma. Sie dokumentierten dabei Herstellungs- und Arbeitsprozesse, so dass nachfolgende Jahrgänge das Projekt weiterführen können. Entgegen verbreiteter Vorurteile gegen Hauptschulklassen zeigten die Schülerinnen und Schüler so ein großes Maß an Engagement, Konzentration und Verantwortung beim Lernen und Arbeiten. Die Klasse sei zu einer Einheit zusammengewachsen und es herrsche ein neues Unterrichtsklima, konnte der Projektleiter Norbert Löll  berichten.
Medieneinsatz erfordert ein Umdenken in den Köpfen von allen am Lernprozess beteiligten Akteuren. Lernende, Lehrende, Schulleitungen und Eltern, sie alle müssen den Switch vom digitalen Endgerät als Spielzeug hin zum Lernwerkzeug wollen und gestalten.
Solange Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen Smartphones, Tablets und Notebooks aus dem Klassenzimmer oder dem Hörsaal verbannen, weil sie davon ausgehen, dass mit den Geräten nicht gearbeitet, sondern gespielt und gechattet wird, wird sich das Potenzial digitaler Medien weiterhin nur in vereinzelten Leuchtturmprojekten entfalten können.