Dieser Beitrag wurde verfasst von: Diana Götze.

Eine Diskussionsrunde zum Thema Schule im Wandel, Nutzung von Avartaren in virtuellen Lernumgebungen in Unternehmen, Ausprobieren von Hardware-Lösungen zur Präsentation von Lern- und Arbeitsergebnissen oder das Ausprobieren von Web2.0-Anwendungen zur Unterrichtsgestaltung – das Themenspektrum des diesjährigen EduCamps war wieder breit gefächert. Der Fokus lag auf dem Lehren und Lernen mit digitalen Medien im Kontext von Schule: Eignen sich bestimmte Tools zur didaktischen Aufbereitung von Inhalten? Welche Technologien erleichtern das Präsentieren, Teilen und Diskutieren von  Arbeitsergebnissen? Welche Rahmenbedingen braucht es, um Medienkonzepte in Schulen erfolgreich umzusetzen? Solche und auch viele andere Fragen wurden in 45-minütigen Arbeitseinheiten in kleineren und größeren Gruppen diskutiert und führten zu anschlussfähigen Lösungsansätzen.  Im folgenden Beitrag wird von drei Sessions berichtet, die sich mit verschiedenen Aspekten des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien im Kontext von Schule befassten.
Gamification – Spielerisch lernen mit digitalen Medien
Kinder spielen lieber digitale Spiele, als Lernprogramme zu nutzen, das ist eines der Ergebnisse der KIM-Studie 2012:

„Bei der regelmäßigen Computernutzung am heimischen PC sind für die Sechs- bis 13-Jährigen Computerspiele von großer Bedeutung: 64 Prozent der Computernutzer spielen mindestens einmal pro Woche (alleine) Computerspiele. Die gemeinsame Nutzung mit anderen ist für rund die Hälfte (53 %) von Bedeutung. An dritter Stelle steht das Arbeiten am Computer für die Schule, 48 Prozent tun dies mindestens einmal pro Woche. 42 Prozent schreiben mit dem PC Texte oder Wörter und 36 Prozent nutzen regelmäßig ein Lernprogramm.“

Warum das so ist und welche pädagogischen Konsequenzen sich daraus ergeben, erklärte Nando Stöcklin von der Pädagogischen Hochschule Bern.
Kinder hätten Bedürfnisse, wie den Wunsch nach Lob und Anerkennung oder das Streben nach Selbstwirksamkeit, die digitale Spiele hervorragend bedienten. Darüber hinaus brächten solche Spielen mittels ansprechender grafischer Gestaltung und motivierender Rückmeldungen, Kinder trotz Misserfolgserlebnissen dazu, weiter an den für erfolgreiches Spielen erforderlichen Kompetenzen zu arbeiten.
Spiele schafften damit etwas, das vielen Lernanwendungen und Apps derzeit nicht immer gelinge. Warum also sollten diese Eigenschaften nicht für die Gestaltung von (digitalen) Lernumgebungen genutzt werden?
Stöcklin und Kollegen widmeten sich dieser Fragestellung und entwickelten das Mathematik-LernSPIEL „Questanja“, das die Teilnehmenden in der Session testen konnten. Dem Spiel liegt ein mathematikdidaktisches Konzept zu Grunde, das motivierende Aspekte von Computerspielen integriert.
Erfrischend spielerisch mutet die Lernumgebung von Questanja an, doch nicht nur bei dem Design wurden Elemente von Computerspielen adaptiert. Motivierende Aspekte von Spielen wie direktes Lob, das Feiern kleiner Erfolge auf dem Weg zum großen Ziel, Aufmunterung bei Misserfolg und das Sammeln von Punkten sowie ein Ranking für den direkten Vergleich mit den Mitschülern, werden bei Questanja genutzt, um die Freude am Lernen und die Anstrengungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Positiv fanden die Teilnehmenden das ansprechende Design, die motivierenden Rückmeldungen des Programms an die Schülerinnen und Schüler sowie die intuitive Bedienung. Kritisch gesehen wurde hingegen, dass es sich bei dem Programm um eine Cloud-Anwendung handelt, was bedeutet, dass die Arbeitsergebnisse der Schülerinnen und Schüler und auch deren Bewertung in Form einer Ranking-Tafel online gespeichert werden. Dies sei in einigen Bundesländern ein datenschutzrechtliches Problem.
Ein weiterer Grund zur Nachfrage war die enorme Textlastigkeit der Erklärungen, Rückmeldungen und Aufgabenstellungen des Programms. Bisher, so Stöcklin, sei die Anwendung tatsächlich überwiegend textbasiert. Es seien aber zusätzliche Learning-Apps zum Üben installiert und die Lehrkräfte könnten Videos, Bilder und Audiodateien selbst in das Programm integrieren.
Erste Erfahrungen aus dem Praxiseinsatz fielen durchaus positiv aus: Besonders die schwächeren Schülerinnen und Schüler profitierten von der Anwendung und auch das Unterrichtsklima würde positiv beeinflusst, da das Programm die Schülerinnen und Schüler zu gegenseitigem Austausch anrege. Zudem konnten die Lehrkräfte für die Vorteile eines schülerorientierten, individualisierten Unterrichts sensibilisiert werden.

Lernvideos mit Quizelementen

Den Gedanken, spielerische Elemente in Lernszenarien zu integrieren, greifen auch Anwendungen auf, mit denen man  Quizfragen in Videos einbauen kann. Educanon z.B ist eine kostenlose, nutzerfreundliche Version eines solchen Werkzeugs. Bisher sind die Funktionen zwar sehr übersichtlich, an der Entwicklung weiterer Features werde aber aktuell gearbeitet, hieß es seitens der Verantwortlichen.
Das Video läuft nur mit Firefox (leider).
In der Session, die Quiz-Apps zum Thema hatte, wurde Capira, ein ähnliches Tools, vorgestellt. Hier ist es für Lehrende möglich, einzustellen, nach wie vielen Sekunden das Video weiterlaufen soll  – unabhängig davon, ob der Lernende eine Frage bearbeitet hat, oder nicht. Ebenso können von den Lernenden Fragen übersprungen werden. Capira speichert die Bearbeitungszeit der Fragen und die Anzahl der Fehlversuche und vergibt entsprechend Punkte. Diese Daten kann der Lehrende in Echtzeit einsehen. Daraus ergeben sich vielfältige didaktische Möglichkeiten der Anwendung. Allerdings gehen die vielen Funktionen zu Lasten der Bedienungsfreundlichkeit für technisch weniger versierte Nutzer.
Eine wichtiger Hinweis gilt sowohl für Capira, als auch für Educanon: Es gibt die Möglichkeit, Youtube-videos einzubinden, auch wenn man sie nicht selbst erstellt hat. Viele dieser Videos haben jedoch keine Creative-Commons-Lizenz, so dass man sich im Zweifelsfall in einer rechtlichen Grauzone befindet, wenn man Videos anderer mit eigenen Quizfragen anreichert und verbreitet.

Medienkonzepte – Tod und Wiederbelebung

Eine Session, die sich stärker mit pädagogischen Aspekten beschäftigte, bot André Hermes, Lehrer für Sport und Erdkunde und Verantwortlicher für das Medienkonzept seiner Schule. Dabei ging es um die Frage, warum gute Medienkonzepte an Schulen zwar erarbeitet, aber  nicht umgesetzt werden und wie man diese brachliegenden Konzepte „wiederbeleben“ kann.
Die Gründe für eine mangelnde Umsetzung seien vielfältig: Schülerinnen und Schüler seien oft fachlich nicht auf dem Leistungsstand, auf dem sie sein sollten, so dass zunächst das Aufholen von Versäumtem Priorität für die Lehrkräfte habe. Hinzu komme, dass die Arbeit mit digitalen Medien immer noch einen additiven und somit auch freiwilligen Charakter besitze.
Lehrer blockten solche zusätzlichen Aufgaben jedoch in den meisten Fällen ab, da die Bewältigung neuer Herausforderungen wie Inklusion oder der Ganztagsausbau für sie – zu Recht – Priorität haben.
Nicht nur die Lehrkräfte, auch die Schülerinnen und Schüler haben durch Neuerungen wie Kernfachbindung, G8 und Zentralabitur kaum Zeit, noch mehr zu leisten, so dass auch hier der Aspekt der Medienkompetenz vernachlässigt werde, bzw. leider werden müsse.
Dennoch sei es möglich, zumindest Teile solcher Medienkonzepte umzusetzen, wenn man anstatt großer Mammutvorhaben kleinere Projekte anstrebe, die mit Blick auf zeitliche und personelle Ressourcen begrenzt sind. Unverzichtbar sei aber ein Ansprechpartner, der das Vorhaben verantwortet – in der Praxis eine hohe Hürde, da eine solche Funktion nur selten mit angemessener Entlastung der betreffenden Lehrkräfte an anderer Stelle einhergehe.
Die Beauftragung externer Experten mit solchen Aufgaben bewerteten die Teilnehmenden kritisch. Oft ginge das inhaltliche Angebot solcher Anbieter an den tatsächlichen Bedürfnissen von Schule vorbei, oder sei schlicht nicht finanzierbar.

Fazit…

Am Ende des Tages war klar: Es gibt viele interessante Programme, Tools und Konzepte für den Medieneinsatz in der Schule, eine selbstverständliche lernwirksame Einbindung digitaler Medien in den Schulalltag ist aber noch die Ausnahme. Innovation – das wurde bei diesem Educamp deutlich – geht vor allem von engagierten Lehrkräften aus, die in digitalen Medien eine Bereicherung von Schule und Unterricht sehen und intensiv an Konzepten und deren Umsetzung arbeiten.
Und noch etwas wurde deutlich: Auch, wenn man dank Twitter, Facebook, Instagram und anderer Plattformen einfach, schnell und weltweit arbeiten und kommunizieren kann, ist ein persönlicher Austausch mit anderen, wichtig und fruchtbar – und das gilt nicht nur für „digitale Themen“.

Literatur:
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hg) 2013: KIM-Studie 2012. Kinder +Medien. Computer+Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger in Deutschland. http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf12/KIM_2012.pdf [Stand: 15.05.2014], S. 29.