Dieser Beitrag wurde verfasst von: Christina Bauer.

Dass das Thema Digitalisierung bewegt, zeigte sich auch wieder auf der Konferenz „Mobiles Lernen“ am 16. März in Oldenburg. Ganze 500 Teilnehmer aus ganz Deutschland machten sich auf den Weg zur dortigen Universität, um sich über die Möglichkeiten von Tablets im Unterricht zu informieren und auszutauschen.
„In den letzten Jahren haben sich die Teilnehmerzahlen an unserer Konferenz stetig verdoppelt. Noch einmal mache ich das nicht mehr mit“, erklärt Andreas Hofmann, Haupt-Organisator der Konferenz und Lehrer an der Waldschule Hatten, zum Auftakt der Veranstaltung. Der Ton etwas ironisch, und schon zwei Wochen nach der Konferenz berichtet er von den Planungen für das nächste Jahr. Die Herausforderung für eine Erweiterung der Veranstaltung sei angenommen, ein Ende sicherlich nicht in Sicht.
Die 500 Teilnehmer der diesjährigen Konferenz passten gerade noch in den größten Hörsaal der Universität, wo sie sich für einleitende Worte der Veranstalter und zweier Vorträge versammelten, bevor sie sich in verschiedene Workshops aufteilten. In seinem Vortrag betonte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Informationsmanagement Bremen Prof. Dr. Breiter die Bedeutung digitaler Medien in zwei Bereichen. Zum einen können digitale Medien dazu dienen, die Schüler hinsichtlich ihrer Medienkompetenz auf ein Leben in einer digitalisierten Welt vorzubereiten. Der Begriff „digital natives“ sei letztlich nur ein längst überholter Mythos. In Wirklichkeit schnitten Deutschlands Schüler in der International Computer and Information Literacy Study (kurz ICILS-) Studie gerade mal durchschnittlich ab. Neben der Förderung der Medienkompetenz können digitale Medien aber auch einen didaktischen Mehrwert erbringen. Digitale Medien haben Potential, das Lehren und Lernen effizienter zu gestalten, Kommunikation durch interaktive Systeme zu verbessern und nicht zuletzt eine schülerzentrierte Lehrform zu befördern bei der auch die Rolle der Selbstregulation gestärkt wird.

Tablets werden immer beliebter- und haben Notebooks in ihren Verkaufszahlen schon überholt. (c) Tino Jelken

Dass Selbstregulation und Technik gewinnbringend zusammengedacht werden kann, ist im Prinzip nichts Neues. Bereits 1972 hatte John Watson als einer der berühmtesten Psychologen aller Zeiten beobachtet wie schon Babys interessierter und motivierter waren, wenn sie ein Mobile über einen Sensor an ihrem Kopf selbst steuern konnten als wenn das Mobile sich einfach automatisch bewegte. Neben motivationalen Aspekten spielt Selbststeuerung aber auch eine wichtige Rolle für die Möglichkeiten individueller Förderung bei der der einzelne Schüler mit seinen individuellen Talenten und Bedürfnissen im Zentrum steht.
Diese Potentiale und die beispielhafte Umsetzung an einzelnen Schulen wurden in den anschließenden Workshops genauer beleuchtet. Dabei kam auch der Spaß-Faktor nicht zu kurz. In Kooperation konnten die Teilnehmer von denen die meisten in einem Lehrberuf arbeiteten, in die Rolle der Schüler schlüpfen und verschiedene Anwendungen ausprobieren. Der motivationale Anreiz von „gamifizierten“ Lernspielen war schnell entdeckt und das Staunen über die technischen Möglichkeiten groß.

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Leuchtende Bildschirme faszinieren- Doch verbessern sie auch den Unterricht? (c) Tino Jelken

Die Potentiale von digitalen Medien gehen aber- wenn richtig genutzt- weit über den Fun-Faktor hinaus. Besonders begeistert waren die Workshop-Teilnehmer von den verschiedenen Anwendungen zum Erstellen von Erklär-Videos in Anlehnung an das Lernen durch Lehren Konzept von Jean-Pol Martin. Die Idee ist simpel: Ein Schüler erklärt einen Sachverhalt, nimmt die Erklärung auf Video auf und teilt sie dann mit seinen Klassenkameraden. Durch das Erstellen des Videos muss der Erklärende das Thema selbst noch einmal tiefer durchdringen- das weiß jeder, der schon einmal beim Erklären eines „ganz einfachen“ Sachverhalts ins Stottern gekommen ist und gemerkt hat, dass er sich den Inhalt doch nochmal zu Gemüte führen sollte. Auch ohne, dass ein belehrender Erwachsener dies anweisen müsste. Gleichzeitig profitieren auch die Mitschüler von den Aufzeichnungen des Klassenkameraden, der durch seine Schüler-Perspektive den Stoff manchmal sogar verständlicher erklären kann als ein 40 Jahre älterer Lehrer für den der Inhalt seines Unterrichts selbsterklärend sein mag. Zudem werden nebenbei noch Kommunikations-Skills geübt und Gruppen-Arbeit gestärkt- denn die besten Videos werden im Team erstellt. Zusammen können sich die Schüler den Inhalt des Videos besser erarbeiten und das Video kreativ mit ihren individuellen Potentialen gestalten. So kam auch das Konzept der individuellen Förderung nicht zu kurz, was uns im Workshop durch ein sehr Schüler-Video mit künstlerisch ausgearbeiteter Story-Line eindrücklich bestätigt wurde. Gleichzeitig können auch die Zuschauer ihr Lerntempo selbst regulieren und entscheiden, wann und wie oft sie sich das Video anhören wollen. Dabei sind solche Apps für nahezu alle Jahrgangsstufen geeignet. Einfache Varianten der Anwendungen sind schon für Grundschüler nutzbar. Für ältere Schüler gibt es dann auch noch komplexere Tools, bei denen verschiedene Materialien wie PowerPoint-Folien, Fotos oder Diagramme integriert werden können.
Wem das noch nicht genügt, der kann über die Grenzen seines Klassenzimmers hinausgehen und seine eigene Nachrichten-Sendung aufnehmen. Der Hintergrund der Sendung kann mit einem Mausklick ausgetauscht werden durch thematisch passende Bilder und Videos aus den Hotspots der Welt- digitale Medien scheinen eben keine Grenzen zu kennen. Durch Online-Lernplattformen können Schüler und Lehrer solche Nachrichten-Sendungen und Erklär-Videos dann noch austauschen- und fertig ist ein Beispiel für die Nutzung digitaler Medien, bei der Didaktik im Mittelpunkt steht.

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Von wegen Apps sind nur was für Einzelarbeiten- Kooperation war ein zentraler Bestandteil der Workshops. (c) Tino Jelken

Insgesamt war die Konferenz in Oldenburg ein erkenntnis- und erfolgreicher Tag für alle Beteiligten. Fazit: Unter den richtigen Bedingungen können digitale Medien dazu beitragen, Schülern den nötigen Raum zu geben, um ihre Potentiale entfalten zu können. Dabei ist besonders wichtig, dass digitale Medien nicht als bloßer Ersatz analoger Medien gesehen werden. Die Freiräume, die mit digitalen Medien geschaffen werden können, müssen gezielt genutzt werden, indem der einzelne Schüler im Zentrum des Lernens erkannt und besonders die Rolle von Selbststeuerung gestärkt wird- getreu dem Motto des Entwicklungspsychologen Piaget: „Jedes Mal, wenn wir Schülern etwas beibringen, hindern wir sie daran es selbst zu entdecken“