LA Unified School District

“They bought tablets the same way they bought textbooks, of course it didn’t work!”

So reagierte Qiana Patterson, ehemalige Lehrerin und Mitarbeiterin des Los Angeles Unified School District (LAUSD), Edtech Expertin mit 10 Jahren Berufserfahrung auf diesem Gebiet, als wir sie nach ihrer Meinung zu der „Pearson/Apple-Geschichte” in Los Angeles fragten. Der Distrikt, der zweitgrößte in den Vereinigten Staaten, entschied sich 2013 für die Einführung von iPads in jede öffentliche Schule – insgesamt 600.000 K-12 Schüler. Ein riesiges Unterfangen, das den Distrikt insgesamt eine Milliarde US-Dollar kostete. Der Distrikt kaufte 43.261 iPads mit einem Pearson-Lehrplan und 77.175 weitere ohne die Pearson-Software.*1   Das Problem bestand in der Qualität der Lernsoftware: sie war nicht gut genug und Grund dafür, dass Lehrer ihre Benutzung verweigerten.

Hardware Strategy vs. Instructional Strategy

Der LAUSD/Pearson-Streitfall wird heute als Beispiel einer gescheiterten Einführung von Technologie an Schulen dargestellt. Warum? Was ist eigentlich falsch gelaufen? Wir denken: Das größte Problem war die Tatsache, dass mehr Wert auf Geräte als auf Lernmethoden gelegt wurde. Den Schülern Tablets in die Hände zu drücken war keine schlechte Idee – was fehlte war die Prioritätensetzung in diesem Prozess. Erst sollte die wichtigste Frage der Lehr- und Unterrichtsmethoden beantwortet werden: Welches Problem gehen wir an? Welche Schulerfahrung wollen wir für unsere Schüler? Wie soll der Unterricht aussehen? Was soll sich ändern und wie? Diese unerlässlichen, vorrangigen Überlegungen haben nicht stattgefunden, obwohl sie am wichtigsten sind, bevor man an das “wie”, also die Implementierung, denkt.

Die Lehrer wurden nicht um ihre Meinung gebeten, erklärte uns Qiana, was heute ihre Ablehnung begründet: Lehrer sind enttäuscht und verweigern die Benutzung der vorgegebenen Software. Eine Studie des American Institutes for Research zeigt, dass lediglich eines der 245 besuchten Klassenzimmer die Pearson Software benutzte.*2

Wahrscheinlich war einer der größten Fehler, wie Qiana sagte, dass sie iPads in der selben Art gekauft haben, wie sie es früher mit Schulbüchern gemacht haben. Sie haben die Verantwortung, einen Lehrplan für 12 Stufen in den Fächern Mathe und Englisch zu entwickeln, einem einzigen Akteur übergeben. Das ist an sich schon eine komplexe Aufgabe, auch oder gerade für einen Schulbuchverlag. “In keinem anderen Bereich unseres Lebens würden wir alles, was wir brauchen, bei einem einzigen Unternehmen kaufen. Warum sollte es in der Bildung klappen?” meinte Qiana.“Es gibt keine Einheitsgrößen in der Bildung.”

Mangelnde Lehrerfortbildung

Wie Qiana unterstrich, mussten Lehrer innerhalb von zwei Jahren mit Tablets anstatt Lehrbüchern unterrichten, was viele von ihnen überfordetete. “Es wird oft angenommen, dass die jüngere Generation von Lehrern besser mit Technologie umgehen kann. Klar, sie wissen bestimmt, wie man ein Smartphone benutzt und was Twitter, Facebook und Instagram ist. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie eine Ahnung davon haben, wie sie mit Technologie unterrichten können,” sagte Qiana. Eine effiziente Implementierung von digitalem Lernen benötigt eine Änderung der Unterrichtskultur, der Rolle des Lehrers. Eine Fortbildung in Edtech sollte keine einmalige Begebenheit sein, sondern eine fortlaufende Diskussion, Erprobung und Überlegung. Der digitale Wandel in der Bildung wird nicht von heute auf morgen stattfinden. Er ist zeitaufwändig und fordert einen Gedankensprung, eine Änderung in der Wahrnehmung von Bildung, vor allem in Bezug auf die Rolle des Lehrers.

 

Die Edtech World Tour ist eine Forschungsreise zur Entdeckung innovativer digitaler Bildungspraktiken weltweit. Wir stellen uns besonders die Frage, welche Rolle digitale Bildung für mehr Chancengerechtigkeit und einen besseren Zugang zu Bildung haben kann. Dafür sind wir fünf Monate unterwegs und besuchen Schulen und Unis, treffen uns mit Unternehmern, Denkern und Innovatoren der digitalen Bildungswelt, um so viele Einblicke in “best practices” aus jedem Land zu bekommen. Wir sind in den USA, Chile, Neuseeland, Australien, Indien, Südkorea und Südafrika unterwegs.

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*1:  Offizielle Anzahl wie sie in die LA Times berichtet wurde: http://www.latimes.com/local/lanow/la-me-ln-ipad-curriculum-refund-20150415-story.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2015)

*2:  “While students and teachers were making use of the iPads in a variety of creative ways, the Pearson curriculum was basically not being implemented, and was witnessed by AIR staff in use by only one teacher in the 245 classrooms it visited.”  Siehe eine Zusammenfassung des Berichts auf: http://laschoolreport.com/report-on-ipad-programs-effectiveness-gives-mixed-results-lausd/  (zuletzt aufgerufen am 12.11.2015)