Neulich war ich mal wieder unterwegs, um mir spannende Praxisprojekte anzusehen, die sich mit digitalem Lernen beschäftigen. An der Universität in Osnabrück habe ich Prof. Oliver Thomas und Dirk Metzger getroffen, die das Projekt GLASSROOM ins Leben gerufen haben. Bei „GLASSROOM“ geht es darum, mit Hilfe von sogenannten Head-Mounted-Displays, Augmented Reality und Datenbrillen Menschen an virtuellen Landmaschinen für deren reale Reparatur zu schulen.

Ich schlüpfe also in die Rolle eines Technikers, der einen Tank reparieren soll. „GLASSROOM“ arbeitet mit der Datenbrille Oculus Rift. Schwupp – habe ich die Brille auf und stehe in einer virtuellen Welt, in diesem Fall einer riesigen Werkshalle mit ziemlich großen Landmaschinen. Mit Handbewegungen kann ich die Blickrichtung steuern und um die Maschinen herum laufen. Das funktioniert absolut intuitiv und vollkommen flüssig. Ich gewöhne mich schnell an das neue Umfeld. Mit einem Klick schickt mich Dirk Metzger ins Cockpit der Maschine. Ich bin früher schon Trecker gefahren und fühle mich genauso: ziemlich weit oben im Vergleich zum Auto und irgendwie doch alles vertraut. Dann geht´s ans Eingemachte: ich muss in den Tank. Mit einem weiteren Klick stehe ich in der großen gelben Tankwanne und sehe mehrere Schläuche vor mir. Schon blinkt ein Teil auf. Mit meiner Hand kann ich danach greifen. Im Sichtfeld erscheint eine virtuelle Abbildung meiner eigenen Hand. Wenn ich meine eigene Hand drehe, dreht sich auch die virtuelle Hand und ich bekomme Hintergrundinformationen zum Bauteil. Schritt für Schritt setze ich so verschiedene Teile ein und lerne, was wo hin gehört und in welcher Reihenfolge ich die Teile zusammensetzen muss. Wenige Minuten später bin ich fertig. Hilfe habe ich dabei nicht gebraucht, das Programm ist so leicht zu bedienen, dass man sich sofort und in jeder Situation zurecht findet. Toll, ich kann Trecker-Tanks reparieren! Ob das in der realen Welt auch so einfach klappen würde?

Dort hilft „GLASSROOM“ den Technikern vor Ort mit Datenbrillen, die sie direkt bei der Reparatur einsetzen können. Der virtuelle Teil dient der Schulung im Vorfeld, erklärt mir Dirk Metzger. Mit Hilfe von „Google Glass“ können Techniker auch in der realen Welt vor Ort virtuelle Unterstützung bekommen. Ich kann mit Hilfe der Brille eine Auftragsliste einsehen, welche Probleme zu beheben sind und die Brille führt mich sogar durch die einzelnen Schritte des Reparaturprozesses – alles sprachgesteuert. Dabei gehe es nicht darum, die Techniker zu bevormunden, betonen die Macher des Projekts. Die Brille solle von Technikern nur unterstützend für ihre Arbeit eingesetzt werden.

Was ich gut finde: Bei Schwierigkeiten kann man ein Foto machen und eine Botschaft dazu sprechen. Dieses Feedback geht dann zurück an den Admin und der kann auch Anpassungen vornehmen, zum Beispiel wenn ein Problem auftaucht, das neu ist. Dann wird der gespeicherte Ablauf in der Brille daraufhin angepasst. So fühle ich mich kein bisschen als Sklave der Brille, ich habe eher das Gefühl, ein virtuelles, interaktives Handbuch dabei zu haben – wiegt nur nicht so viel wie deren physischen Abbilder!

Mittelfristig soll das Projekt auch auf andere Bereiche übertragen werden und auf Geräten unterschiedlichster Hersteller laufen. Daran arbeiten die Kollegen bei „GLASSROOM“ derzeit. Mir hat der integrierte Ansatz von Training einerseits und Einsatz in der Praxis vor Ort andererseits gut gefallen. Ziemlich komplex ist das Ganze und natürlich entstehen durch solche Geräte auch Fragen zum Datenschutz: Darf ein Techniker beim Kunden Datenbrillen tragen? Was darf fotografiert werden und was nicht? Reicht es bestimmte Funktionen an der Brille zeitweilig zu blocken? Das sind keine trivialen Fragen und derzeit sind sie noch nicht abschließend und einheitlich gelöst. In der Praxis finden Mitarbeiter in allen Branchen und Bereichen oft Wege des pragmatischen Umgangs mit solchen Themen. Insofern bin ich sehr gespannt auf die weitere Entwicklung im Hinblick auf solche Fragen und auf die des Projekts „GLASSROOM“!

 

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Quellen

Foto: Maurizio Pesce