Dieser Beitrag wurde verfasst von Bianca Brinkmann.

In der öffentlichen Debatte konzentriert sich momentan vieles auf den DigitalPakt Schule, der nach den neuesten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern auf der Kultusministerkonferenz vergangene Woche Anfang 2019 starten soll. Durch ihn sollen Deutschlands Schulen endlich flächendeckend mit schnellem Internet ausgestattet und so die technischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit das digitale Klassenzimmer Realität werden kann. Im Gegenzug verpflichten sich die Länder, für die entsprechende Ausbildung der Lehrkräfte zu sorgen, damit sie die neuen technischen Möglichkeiten auch pädagogisch und didaktisch sinnvoll nutzen können. Und genau damit hapert es derzeit noch gewaltig. Es ist heutzutage an vielen Hochschulen noch möglich, ein komplettes Lehramtsstudium zu absolvieren, ohne sich mit den Anwendungsmöglichkeiten, Chancen und Herausforderungen digitaler Medien in Schule und Unterricht beschäftigt zu haben.

Ziel: „Bildung in der digitalen Welt“

Auf dem Papier ist Rettung in Sicht. Die Kultusminister der Länder haben sich bereits im Dezember 2016 auf die gemeinsame Strategie „Bildung in der digitalen Welt“  verständigt, in der umfänglich Kompetenzen gelistet werden, die einerseits die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende ihrer Pflichtschulzeit erwerben sollen, die aber andererseits auch die Lehrkräfte selbst benötigen, um diesem Bildungsauftrag überhaupt nachkommen zu können. Zu letzteren gehören unter anderem zwei große Kompetenzbereiche: die eigene digitale Medienkompetenz, also der sichere und selbstbestimmte Umgang mit digitalen Medien und mediendidaktische Kompetenz, also die Fähigkeit, digitale Medien sinnvoll und lernförderlich im eigenen Fachunterricht einzusetzen. In diesen beiden Kompetenzbereichen müssen jedoch nicht nur Lehrkräfte, die bereits im Schuldienst tätig sind, fit sein und sich entsprechend fortbilden. Die künftige Lehrergeneration, die gerade an den Hochschulen ausgebildet wird, sollte bereits nach dem ersten Staatsexamen über die notwendigen Grundlagen in diesen Bereichen verfügen. Im Papier der Kultusminister verpflichten sich die Länder zu einer entsprechenden Anpassung der Lehrerbildung. Aber Papier ist bekanntlich geduldig.

Realität: Lehrerbildung hinkt hinterher

Aktuell hängt es noch häufig vom Zufall ab, ob und in welcher Form angehende Lehrkräfte im Studium mit digitalen Medien in Berührung kommen, wie eine Erhebung zeigt, die der Monitor Lehrerbildung unter den lehrerbildenden Hochschulen in Deutschland durchgeführt hat. Die Kultusministerkonferenz hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2021 jeder Schüler bzw. jede Schülerin in jedem Fach eine digitale Lernumgebung nutzen können soll. Sie betont ausdrücklich die Relevanz digitaler Medien für jedes einzelne Unterrichtsfach. In Lehramtsstudiengängen für das Gymnasium bzw. für die Sekundarstufe II gibt es aber derzeit nur sieben Hochschulen, die wirklich in allen angebotenen Lehramtsfächern verpflichtende Lehrformate vorsehen, in denen Lehramtsstudierende entweder Medienkompetenz oder mediendidaktische Kompetenzen erwerben können. In Lehramtsstudiengängen für andere Schulformen sind es sogar noch weniger. An den meisten Standorten hängt es hingegen vom jeweiligen Fach ab, ob es verpflichtende Lehrformate gibt oder nicht. Vielfach befinden sich solche Angebote außerdem im Wahlpflichtbereich, so dass die Studierenden selbst entscheiden können, ob sie sich mit der Thematik beschäftigen möchten oder nicht.

Auch die Lehrenden an den Hochschulen haben keine Verpflichtung, digitale Medien in ihrer eigenen Lehre einzusetzen oder sich hochschuldidaktisch weiterzubilden. Ob digitale Medien also in der Hochschullehre Anwendung finden, hängt zu großen Teilen von den persönlichen didaktischen Vorlieben der Dozierenden ab. Insbesondere in den Fachwissenschaften, die gerade in Lehramtsstudiengängen für die Sekundarstufe II bzw. für das Gymnasium einen großen Studienanteil einnehmen, sind digitale Medien nur an insgesamt zwei Hochschulen flächendeckend verankert.

Konkret bedeutet das: Es kann niemand garantieren, dass Lehramtsabsolventen sich mit Anwendungsmöglichkeiten, Chancen und Herausforderungen digitaler Medien in Schule und Unterreicht auseinandergesetzt haben. An vielen Hochschulen ist dies nicht sichergestellt. Zeitgemäß ist das nicht, zukunftsweisend ist es schon gar nicht. Im Studium als erster Ausbildungsphase für den Lehrerberuf sollen Grundlagen für die spätere Berufsausübung geschaffen werden und ihm kommt eine große Bedeutung bei der Ausprägung von Haltungen (z. B. auch in Fragen der Digitalisierung) zu.

Herausforderung: Allen Lehramtsstudierenden Basis-Kompetenzen vermitteln

Eine Studie des Monitor Digitale Bildung zeigte 2017, dass gerade Lehramtsstudierende im Gegensatz zu Studierenden anderer Fachdisziplinen digitalen Medien gegenüber besonders skeptisch eingestellt sind. Dabei sind spätere Lehrkräfte ganz wichtige Treiber des mit der Digitalisierung einhergehenden gesellschaftlichen Wandels. Speziell im Lehramt muss also das Studium seiner Bestimmung verstärkt nachkommen, Berührungsängste abzubauen und eine Haltung gegenüber digitalen Medien und Fragestellungen der Digitalisierung zu befördern, die von Offenheit, Experimentierfreude und Begeisterungsfähigkeit zeugt, ohne dabei wichtige ethische Aspekte von Gefahren und selbstbestimmter und verantwortungsvoller Nutzung dieser Medien außer Acht zu lassen.

Die Ergebnisse unserer Studie, die hier online zur Verfügung steht, zeigen deutlichen Handlungsbedarf bei der Verankerung von Studieninhalten in Lehramtsstudiengängen, die eine Bildung in der digitalen Welt auch tatsächlich ermöglichen. Über mehr Verbindlichkeit im Lehramtsstudium sollte jetzt sichergestellt werden, dass Absolventinnen und Absolventen, die in einigen Jahren an die Schulen gelangen, bereits die notwendigen Grundkompetenzen mitbringen, auf die sie im Referendariat bzw. im Vorbereitungsdienst aufbauen können. Nur so bringen sie das notwendige Rüstzeug für eine erfolgreiche Berufsausübung und guten zeitgemäßen Unterricht mit an die Schulen. Hier ist bundesweit noch ein langer Weg zu gehen: Die lehrerbildenden Hochschulen müssen  ihre Lehramtscurricula in allen Fächern und für alle Schultypen um entsprechende Kompetenzbereiche erweitern. Die Länder sollten darum ihrerseits dringend von ihren Steuerungsmöglichkeiten Gebrauch machen und digitale Kompetenzen in staatlichen Prüfungsordnungen festschreiben. Außerdem sollten sie stärkere Anreize für die Hochschulen setzen, das Thema zu verankern. In Baden-Württemberg wurde z. B. jüngst eine eigene Förderlinie des Wissenschaftsministeriums zur zielführenden Umsetzung der Digitalisierung in der Lehrerbildung gestartet, auf die Hochschulen sich auch als Verbünde bewerben können.