Schule21 im Gespräch mit Dr. Ingo Fehrmann und Prof. Dr. Detlef Pech. 

Der Q-Master Studiengang an der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin bietet (Fach-) Hochschulabsolvent:innen ohne vorangehendes Lehramtsstudium seit 2018 die Möglichkeit, sich für den Quereinstieg in die Lehrtätigkeit an Grundschulen zu qualifizieren. Die Evaluation des Studiengangs, die unter Federführung der Universität Potsdam entstanden ist, hat gezeigt, dass der Q-Master hohe fachlich-didaktische Standards erreicht und zu mehr Vielfalt unter den Lehrkräften beitragen kann. 

Wie kam es zur Einrichtung des Q-Masters an der Humboldt-Universität?

Anlass für diesen neuen Studiengang war natürlich der Lehrkräftemangel im Land Berlin speziell im Grundschullehramt. Die anderen Berliner Universitäten, also die Freie Universität und die Technische Universität, bieten im Rahmen von sog. Modellversuchen bereits seit längerem Q-Master-Studiengänge für andere Lehramtstypen an, daher ist die Idee eines Q-Masters für das Lehramt an Grundschulen vom Land Berlin an die HU herangetragen worden. Die Alternative wären noch massivere Erhöhungen der Bachelor-Zulassungszahlen gewesen.

Allerdings basieren die Q-Master-Studiengänge der anderen Universitäten auf sehr individuellen Studienverläufen und bereits erbrachten Leistungen in einem ersten Lehramtsfach und richten sich nur an eine recht spezifische Gruppe von Personen; im Ergebnis können sie mit ihren Q-Master-Studiengängen die vorhandenen Lehrkapazitäten besser ausnutzen, allerdings bei hohem individuellen Beratungsaufwand. Das Q-Master-Modell der HU dagegen setzt keine spezifischen Fachleistungen voraus, dadurch wird eine wesentlich größere Zielgruppe angesprochen, was mit den besonders hohen Bedarfen im Grundschullehramt korrespondiert. Gleichzeitig werden in der Masterphase die Studierenden voll in die regulären Module integriert. Dadurch werden potentiell auch größere Kohorten ermöglicht – die allerdings mittlerweile sowohl die personellen als auch die räumlichen Ressourcen der HU an ihre Grenzen bringen.

Vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen mit den regulären Lehramtsstudierenden und den Q-Master- Studierenden: Inwiefern unterscheiden sich die beiden Gruppen?

 Im Hinblick auf die im Evaluationsprojekt erhobenen Dimensionen unterscheiden sich die beiden Gruppen überraschenderweise kaum. Im Studienalltag sind jedoch z.T. recht deutliche Unterschiede zu beobachten. So treten längst nicht alle, aber viele Studierende im Zertifikatsstudium, das dem Q-Master in den meisten Fällen vorgeschaltet ist, und im Q-Master deutlich selbstbewusster gegenüber Lehrenden auf. Insbesondere auf manche BA-Erstsemester-Studierende kann das einschüchternd wirken. In manchen Fällen fordern Q-Master-Studierende auch aktiv eine stärkere Sonderrolle ein, obwohl das Q-Master-Modell der HU eine solche für sie gerade nicht vorsieht.
In der Studienberatung treten viele Studierende in Zertifikat und Q-Master sehr reflektiert auf; einige geben z.T. an, sich bewusst gegen den berufsbegleitenden Quereinstieg entschieden zu haben, um sich „ordentlich“ für die Tätigkeit in der Grundschule zu qualifizieren. Lehrende berichten aus Seminaren, dass zwar erwartungsgemäß bestimmte Kenntnisse aus dem Bachelor fehlen (etwa im Bereich der Sprachbildung oder in den Fachdidaktiken), dass die meisten Q-Master-Studierenden sich dessen aber bewusst sind und dankbar Angebote zum „Aufholen“ annehmen. Von solchen Angeboten könnte es durchaus mehr geben, entsprechender Bedarf ist da. Fachliche Kenntnisse aus dem jeweiligen Erststudium werden aber laut Aussagen von Lehrenden häufig sehr gewinnbringend in die Seminardiskussionen eingebracht.
Im Grundsatz ist die Zusammensetzung der Studierenden durch das Angebot deutlich heterogener geworden. Das findet sich auch bspw. im Männeranteil unter den Grundschullehramtsstudierenden wieder. Aber diese Heterogenität transportiert nun auch Herausforderungen in die Hochschullehre: Wenn Studierende direkt im Anschluss an das Abitur gemeinsam mit Masterabsovent:innen aus den entsprechenden Fachgebieten in derselben Lehrveranstaltung sitzen, kann dies besonders produktiv, aber ebenso auch sehr frustrierend für die Einzelnen sein.
D.h. der Q-Master leistet auch einen Beitrag dazu, mehr Heterogenität auf Lehrkräfteseite in die Schulen hineinzutragen. Das ist ein überaus spannender Nebeneffekt, den wir anfangs gar nicht intendiert hatten.

Neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium wird für den Q-Master ein gewisses Maß an Leistungspunkten in Deutsch, Mathematik und Sachunterricht vorausgesetzt. Für Personen, die diese Leistungen nicht nachweisen können, bieten Sie ein Zertifikatsstudium an. Können Sie kurz skizzieren, welche Bedeutung das Zertifikatsstudium im Zusammenhang mit dem Q-Master hat?

Das Curriculum des Q-Masters ist fast identisch mit dem des regulären Masters in den drei Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht. Daher ist es auch gerechtfertigt zu sagen, dass der Quereinstiegsmaster nach seiner Zielgruppe benannt ist, nicht jedoch nach dem Ergebnis: Zielgruppe sind Interessierte an einem Einstieg ins Lehramt an Grundschulen, das Ergebnis sind Master-of-Education-Absolvent:innen in der – ab dem Zeitpunkt des Masterabschlusses – regulären Lehramtslaufbahn.
Das Zertifikatsstudium ist dagegen der eigentliche Quereinstieg, denn hier müssen die Studierenden genau die Leistungen nachholen, die ihnen für die Masterbewerbung fehlen. Diese Phase ist also die entscheidende, sowohl aus der Perspektive des Qualifizierungsweges als auch aus der Perspektive der Studierenden selbst: Das äußert sich in einem sehr hohen Beratungsbedarf, mit dem die Studierenden im Zertifikat an die Studienfachberatungen und an die Q-Master-Beratung herantreten. Die Studierenden planen erfahrungsgemäß sehr genau, wie sie ihr Zertifikatsstudium gestalten, um auf jeden Fall den Übergang in den Q-Master zu schaffen. Auch der empfundene Stress ist aufgrund der noch ausstehenden Masterzulassung relativ hoch. Sobald die Studierenden im Q-Master angekommen sind, sinkt der Umfang der Beratungsanfragen drastisch – das kann als positives Zeichen dafür gewertet werden, dass die Studierenden der Struktur des Masters Lehramt an Grundschulen relativ problemlos folgen können.

Ein Ergebnis der Begleitforschung ist, dass sowohl Studierende des Q-Masters als auch reguläre Lehramtsstudierende ihr didaktisches Wissen in Naturwissenschaften im Sachunterricht während des Masters nicht signifikant weiterentwickeln. Wie sind Sie mit diesem Ergebnis umgegangen?

Einer Antwort vorgeschaltet werden muss, dass die Erhebungsinstrumente hinsichtlich der fachdidaktischen Anteile im Studium des Sachunterrichts und seiner Didaktik für die Evaluation neu entwickelt wurden. So etwas gab es zuvor nicht. Zudem brauchten sie eine Passung zu der Studienstruktur an der HU. Auch wenn die Tragfähigkeit der Instrumente eindeutig ist, bleibt hier weiterhin eine Unsicherheit, inwieweit ein Zusammenhang mit dem Instrument existiert. Dies ließe sich nur in Folgestudien klären.

Für uns waren die Ergebnisse auch deshalb bedeutsam, weil durch die Ergebnisse eine „Lücke“ offengelegt werden konnte. Bei „geschickter“ Wahl innerhalb der entsprechenden Module konnten auch reguläre Bachelorstudierende die naturwissenschaftsbezogene Didaktik umgehen. Wichtig ist dabei zu betonen, dass es diese „Umgehungsmöglichkeit“ nur im fachdidaktischen Anteil gab, nicht in den Naturwissenschaften als Fachdisziplinen.  Die identifizierte Lücke haben wir im Rahmen einer Überarbeitung der Studien- und Prüfungsordnung bereits geschlossen. Ab dem Wintersemester 2022/23 müssen sowohl Studierende im Zertifikat als auch im Q-Master den Erwerb von Leistungspunkten in naturwissenschaftsbezogener Didaktik nachweisen.

Welche Ratschläge würden Sie anderen Universitäten geben, die mit dem Gedanken spielen, ein Q-Master-Programm einzurichten? Welche Ihrer eigenen Learnings könnten für diese Kolleg:innen interessant sein?

Pauschal kann diese Frage eigentlich kaum beantwortet werden, das zeigen die unterschiedlichen Ansätze von Q-Master-Programmen an den Berliner Universitäten und die unterschiedlichen Erfahrungen, die diese Universitäten damit machen. Je nachdem, wie das Programm konkret ausgestaltet ist, kann es entweder eine Nische besetzen oder es kann eine sehr hohe Nachfrage generieren.
Im Fall des HU-Modells mit seiner sehr breiten Zielgruppe war die Nachfrage von Beginn an sehr hoch, die Universität war jedoch an vielen Stellen nicht darauf eingestellt und ist von der Nachfrage geradezu überrollt worden, und zwar ohne eigene Werbung für den Studiengang.

Wer also ein solches Angebot plant, sollte nicht nur mit der zuständigen Bildungsbehörde des Landes sprechen, sondern auch im Vorfeld einen gewissen Grad an „Markterkundung“ betreiben, um besser planen zu können. Das Q-Master-Modell der HU beispielsweise wird von der Lehrkräftegewerkschaft GEW positiv beurteilt. Daher werden auch Bewerber:innen auf das Modell hingewiesen, die sich eigentlich gar nicht an der Universität informiert hatten.

Wir waren bei der Einführung des Q-Masters bereits gewarnt, dass der Beratungs- und Organisationsaufwand sehr groß sei, da quasi jeder Studienfall einzeln betrachtet werden müsse. Was dies indes bedeutete, haben wir trotzdem unterschätzt — und dies auch dahingehend, dass es neben der allgemeinen strukturellen Ebene auch fachbezogene Spezifika gibt.