„Ich höre und ich vergesse. Ich sehe und ich erinnere mich. Ich tue und ich verstehe.“ (Konfuzius)

Dass Lernen umso erfolgreicher ist, wenn wir das neue Wissen selbst praktisch anwenden, ist vielfach wissenschaftlich bestätigt (u.a. Piaget 1974, Papert 1980, Hattie & Donoghue 2016). Doch wie können die Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden? Der Ansatz des Playful Learnings gibt hier Antworten: Er stellt die Lernenden in den Mittelpunkt und bestärkt sie darin, in einem geschützten Umfeld spielerisch zu lernen, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten und lebenslang eigenständig neue Kompetenzen zu erwerben. Im Folgenden beschreiben wir, wie wir bei Junge Tüftler:innen Playful Learning in unserer Arbeit umsetzen. Dabei ist es uns wichtig, die Bildungschancen für alle zu verbessern. Mit Hilfe des Connected Learnings schaffen wir Wirkräume für Jugendliche, die sie neben fachlichen und digitalen Kompetenzen auch in ihrem Selbstvertrauen stärken. So unterstützen wir sie auch dabei, neue Wege für ihre berufliche Zukunft zu entdecken. Technische Hilfsmittel wie digitale Badges können Lernende zudem dabei helfen, die eigene Lernbiografie selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen. Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen sowie mit Lehrenden, Expert:innen und unseren Partner:innen entwickeln wir zusammen auf Augenhöhe Lösungsansätze für eine gelingende Bildung, lernen ständig Neues dazu – und entfalten gemeinsam Wirkkraft.

 

Playful Learning. Ein Ansatz für gelingendes Lernen

Halima und Magnus sind gerade dabei, eine neue Art und Weise zu entwickeln, um gemeinsam mit elektronischen Sounds Musik zu machen. Dafür haben sie das T-Shirt von Magnus mit leitfähiger Farbe bemalt. Jetzt tüfteln sie daran, wie sie den Mikrocontroller anschließen, um das Soundsignal durch menschliche Berührung auszulösen. Es funktioniert! Halima ist noch ganz erstaunt darüber, dass sie durch ihre Berührung das T-Shirt von Magnus zum Klingen gebracht hat. Die beiden sind fasziniert und stolz zugleich, was sie geschafft haben … und machen weiter.

Die geschilderte Episode illustriert ein typisches Beispiel für Playful Learning. Demgegenüber steht ein traditionelles Bild von Bildung, wonach Lernen nur in formalen Einrichtungen stattfindet, zu einer festgelegten Zeit und nach einem festgelegten Lehrplan. Tatsächlich belegen jedoch eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien, dass diese Vorstellung überholt ist und Lernen gerade durch einen experimentellen und spielerischen Ansatz besonders sinnstiftend und erfolgreich ist (vgl. Zosh et al. 2017). In der Anwendung des Playful Learnings werden im Gehirn Strukturen aufgebaut, die es Menschen ermöglichen, flexibel zu denken und kreative Lösungen für neu auftretende Probleme zu entwickeln – und das ein Leben lang. Oder anders gesagt: Die uns angeborene Kreativität ist wie ein Muskel, der ständig trainiert werden will. Tun wir dies nicht, so verkümmert er. Dies geschieht etwa durch geschlossene Fragestellungen oder standardisierte Tests, die nur eine richtige Antwort kennen. Ermuntern wir Lernende hingegen, eigene Lösungen zu entwickeln, Bestehendes kritisch zu hinterfragen und neue Wege zu finden, so fördern wir ihre Kreativität und Selbstständigkeit. Und gerade diese zählen zu den Kompetenzen des 21. Jahrhunderts (s. OECD 2020). Da unsere Welt so vielen Veränderungen unterworfen ist, braucht es Kompetenzen, um flexibel reagieren zu können und Vertrauen in die eigene Fähigkeit zu entwickeln, neue Lösungsansätze für auftretende Herausforderungen zu finden.

Der Ansatz des Playful Learnings gibt hierfür Orientierung. Er ist weniger eine didaktische Methode als vielmehr eine Haltung. Ähnlich wie beim Spielen zählt hier der eigene Antrieb, um selbstbestimmt ausprobieren zu können. Die eigene Erfahrung durch das Arbeiten mit den Händen an konkreten Projekten ist dabei ebenso zentral wie die Einbettung in einen kulturellen Kontext der Zugehörigkeit und sozialen Unterstützung.

Indikatoren von Playful Learning – ein Modell der International School of Billund (nach: https://isbillund.com/academics/pedagogy-of-play/indicators-of-playful-learning/)

Doch wie genau sehen Lernumgebungen aus, die Playful Learning fördern? Um Antworten auf diese Frage zu finden, braucht es die domänenübergreifende Zusammenarbeit: Im gemeinsamen Dialog mit Lehrenden und Lernenden sowie Expert:innen der Zivilgesellschaft gilt es in einem ko-kreativen Prozess Lernerlebnisse zu gestalten, die Begeisterung wecken. Im Zentrum steht das eigene Erlebnis als wichtiger Teil des Lernprozesses (erfahrungsbasiertes Lernen) sowie der Austausch und die Interaktion mit anderen (social learning). Auch der Lernort ist entscheidend: Es braucht Räume, die eine große Offenheit haben, einladend sind und viel Inspiration bieten. Hierzu zählen Räumlichkeiten in Bibliotheken und Museen, die sich auf den Weg machen neue Lernerlebnisse zu gestalten, aber auch Makerspaces und offene Werkstätten (vgl. Grunewald et al. 2021).

 

Connected Learning. Ein Ansatz für mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung.

Dabei findet Lernen eben nicht nur in Schule statt, sondern auch an anderen Orten und in nahezu allen Lebensbereichen. Neben der Schule haben das Zuhause sowie dritte Lernorte eine große Bedeutung. Auch der Freundeskreis, also das Lernen von- und miteinander, spielt eine wichtige Rolle. Menschen, die hier einen besseren Zugang zu Lernmöglichkeiten erhalten, allein durch ihre Herkunft und das soziale Milieu, haben Vorteile. Dies führt dazu, dass sich die Chancenungleichheit im Bildungskontext verstärkt. Um diese Kluft zu überbrücken, sucht der Ansatz des Connected Learnings nach Möglichkeiten, die Lernkontexte von zu Hause, in der Schule, in der Gemeinschaft und unter Gleichaltrigen besser miteinander zu verknüpfen (Ito et al. 2013). Dabei gilt es, gerade sozio-ökonomisch benachteiligte Menschen in ihren Lernprozessen zu unterstützen, indem ihnen explizit der Zugang zu verschiedenen Institutionen und Gemeinschaften erleichtert wird.

Im Rahmen des Projektes Makerlabs, das wir gemeinsam mit Save The Children Deutschland e.V. durchführen, lernen wir selbst, was bei der Gestaltung von Lernerlebnissen zu beachten ist, und erleben, wie das Arbeiten in MakerLabs verschiedene Kompetenzen der Jugendlichen stärkt. Neben fachlichen und digitalen Fähigkeiten spielen auch soziale Kompetenzen eine wesentliche Rolle. Dabei beobachten wir einen wesentlichen Wandel des Lernprozesses an sich: So sind traditionelle Lernformen vor allem von der Interaktion des Lehrenden mit der Schüler:in und dem Curriculum, also den Lerninhalten, geprägt. Beim Connected Learning hingegen erhält das Lernen von- und miteinander eine wesentlich stärkere Bedeutung: Die Peers werden wichtiger als die Lehrperson. In unserem Makerlabs-Projekt haben wir zudem Jugendliche so befähigt, dass sie Jüngere dabei unterstützen, digitale Kompetenzen zu erwerben. Damit erlernen die Jugendlichen neben fachlichen Kompetenzen auch Verantwortungsübernahme und erfahren persönliche Bestätigung:

Cool, wenn man weiß, man kann auch Hilfe anbieten, anstatt immer nur Hilfe anzunehmen.” (Michelle, 14 Jahre)

Das ist ein gutes Gefühl … insgeheim kannst du es besser als die Lehrer” (Tristan, 14 Jahre)

Diese Erfahrungen fördern das Selbstvertrauen und den Mut, die persönliche Lernbiographie eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen und aktiv zu gestalten.

 

Badges. Digitale Kompetenznachweise statt Schulnoten

Um das eigene Lernen gut selbstgesteuert in die Hand nehmen zu können, ist es notwendig zu verstehen, worin die eigenen Kompetenzen bereits liegen und welche künftig weiter gestärkt und ausgebaut werden sollen. Schulnoten sind in dieser Hinsicht oft abstrakt und wenig aussagekräftig, da die Lernenden kaum Aufschluss darüber erhalten, welche Kompetenzen sie erworben haben und was für sie ein guter nächster Schritt ist, um sich weiterzuentwickeln. Eine Alternative hierzu können digitale Badges sein: Über diese Form der Online-Zertifikate können Kenntnisse und Fähigkeiten, die eine Person durch bestimmte Projekte, Kurse oder andere Aktivitäten erworben hat, dargestellt und digital veröffentlicht werden. Damit ermöglichen digitale Badges eine neue Form des Kompetenznachweises und der Differenzierung sowie einen ganzheitlichen Blick auf das eigene Lernen: Es geht nicht länger darum, dass alle das Gleiche lernen, sondern dass Lernende ihre individuellen Potenziale entfalten und diese sichtbar gemacht werden können.

Zudem bieten digitale Badges die Möglichkeit, informelle und non-formale Lernerlebnisse, wie sie z. B. in Museen, Bibliotheken und außerschulischen Programmen stattfinden, sichtbar zu machen und diese Erfahrungen mit den Aktivitäten im formalen Klassenzimmer zu verknüpfen. Durch die Verbindung von schulischem und außerschulischem Lernen ergeben sich perspektivisch neue Wege für den akademischen und beruflichen Erfolg, bei dem neben den schulischen Erfahrungen auch der außerschulische Kompetenzerwerb eine größere Relevanz erhält. So unterstützen digitale Badges dabei, das Lernen offener und transparenter zu machen, und haben das Potenzial, alternative Wege für die berufliche Zukunft zu eröffnen.

Playful Learning, Connected Learning, Digital Badges: Die Ansätze und Methoden unterstützen unsere Kinder dabei, aktive Gestalter:innen der Gesellschaft zu werden, die lebenslang eigenständig neue Kompetenzen erwerben. Gleichzeitig fördern sie die Bildungsgerechtigkeit und ermöglichen allen eine gute berufliche Zukunftsperspektive. Damit die Ansätze ihre volle Wirkkraft entfalten, braucht es jedoch die Zusammenarbeit von allen Akteur:innen: Lehrende wie Lernende, Verwaltung und Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um gemeinsam zu wirken. Legen wir los. Gemeinsam.

 


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