Der Mangel an qualifizierten Lehrkräften stellt ein anhaltendes Problem dar und wird besonders dann spürbar, wenn Unterrichtsstunden ausfallen müssen, weil keine Lehrkraft zur Verfügung steht. Bereits vor Jahren kamen Wissenschaftler:innen zu der Prognose, dass in naher Zukunft aufgrund von vermehrten Pensionierungen sowie steigenden Geburten- und Zuwanderungsraten der Bedarf an qualifizierten Lehrkräften das Angebot übersteigen wird. Gleichzeitig ist die Anzahl von Lehramtsstudierenden und Lehramtsanwärter:innen in den letzten Jahren tendenziell gesunken, was den zukünftigen Mangel an Lehrkräften weiter verschärfen könnte. Dieser Beitrag betrachtet das Phänomen des Studienabbruchs von Lehramtsstudierenden näher und analysiert, inwiefern diese Abbrüche zum Lehrkraftmangel beitragen. Zudem werden außerdem Maßnahmen diskutiert, die die Abbruchzahlen reduzieren könnten.

Daten, Zahlen, Fakten zu Abbruchquoten im Lehramtsstudium

Zunächst kann die Frage aufgeworfen werden, inwiefern das Verlassen des Lehramtsstudiums zum Mangel an Lehrkräften beiträgt. Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, da es unterschiedliche Zahlen zum Ausmaß dieses Phänomens gibt. Auf der einen Seite berichtet das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in seinen Schätzungen für Studienabbruchquoten über die letzten Jahrzehnte hinweg eine geringere Abbruchquote im Lehramt im Vergleich zu anderen Studienfächern. Der Studienabbruch scheint folglich im Lehramt ein deutlich geringeres Problem darzustellen als in anderen Studiengängen. Hinzu kommt: Ein gewisser Anteil an Personen, die ihre Studienentscheidung revidiert haben, ist auch in der Vergangenheit normal gewesen.

Die aktuelle Schätzung geht von einer Studienabbruchquote von Lehramtsstudierenden im Bachelor von bis zu 20 Prozent aus. Im Vergleich dazu liegen die Abbruchquoten in anderen Bachelorstudiengängen bis zu 30 Prozentpunkte höher. Eine andere Studie, die nicht auf Grundlage statistischer Modelle mitsamt ihren Annahmen, sondern auf konkreten Verlaufszahlen zu Lehramtsstudierenden zweier Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern beruht, kommt zu anderen Ergebnissen. Sie zeigt, dass deutlich mehr als zwei Drittel der Studierenden das Lehramtsstudium ohne Abschluss verlassen. Ob diese enorm hohe Schwundquote der Hochschulen in diesem Bundesland eine Ausnahme oder eher die Regel darstellen, müssen weitere Studien zu Studierendenverlaufsquoten an anderen Standorten zeigen.

Gründe für den Abbruch

Eine weitere Frage kann in Ansätzen allerdings schon beantwortet werden: Warum verlassen Studierende überhaupt das Lehramtsstudium und was machen sie danach?

Die Gründe für einen Studienabbruch sind vielfältig und gehen von der individuellen Leistungsfähigkeit, über mangelnde Anpassung an das Studium bis hin zu finanziellen Engpässen. Es wird allgemein angenommen, dass nicht ein bestimmter Faktor die Ursache für das Verlassen eines Studiums ohne Abschluss ist, sondern es sich vielmehr um einen längerfristigen, individuellen Entscheidungsprozess handelt, auf den mehrere Faktoren einwirken.

Die empirischen Studien, die Abbruchursachen im Lehramtsstudium untersuchen, lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Eine Studienkategorie befragt Lehramtsstudierende, nachdem sie das Studium abgebrochen haben, nach den Gründen für ihre Entscheidung. Die Studien der anderen Kategorie versuchen, anhand von längsschnittlichen Daten individuelle Charakteristiken der Studierenden und Kriterien in der Studiensituation zu identifizieren, die einen Abbruch wahrscheinlicher machen. Generell muss zudem angemerkt werden, dass sich nur wenige Studien spezifisch mit dem Abbruch des Lehramtsstudiums beschäftigen.

Die Forschungsergebnisse zeichnen jedoch ein relativ einheitliches Bild: Lehramtsstudierende brechen überwiegend ihr Studium ab, weil sie die Leistungserwartungen nicht erfüllen konnten. Dabei zeigt sich, dass Abbrecherinnen und Abbrecher sowohl die hohen Leistungserwartungen als Abbruchsache nennen als auch, dass geringe Leistungen im Studium, die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs erhöhen. Hingegen kann unter anderem der Kontakt zu anderen Studierenden als förderlicher Faktor identifiziert werden, der Lehramtsstudierenden in ihrem Studium hält. Neben den hohen Leistungsanforderungen im Studium wird von Lehramtsstudierenden oft der mangelnde Bezug zur Praxis während des Studiums kritisiert. Auch dies ist eine Abbruchursache, die ehemalige Lehramtsstudierende häufig benennen, aber nur eine geringe Bedeutsamkeit für ihre Entscheidung zusprechen. So zeigen auch andere Studien, dass weder eine fehlende Praxisorientierung der Lehre noch eine mangelhafte Organisation des Studiengangs die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs des Lehramtsstudiums erhöhen.

Was folgt nach dem Abbruch des Studiums?

Die Auswirkungen eines Studienabbruchs können zum einen aus Sicht der Studierenden selbst und zum anderen aus Sicht der Hochschule sowie des Bildungssystems betrachtet werden.

Die Studierenden selbst können den Abbruch zunächst als ein Scheitern wahrnehmen. Oftmals wählen sie danach jedoch eine Karriere, die besser zu ihren eigenen Interessen passt, so dass vom Ende betrachtet der Abbruch aus Sicht der Studierenden eher positiv bewertet werden könnte. Welche beruflichen Alternativen ehemalige Lehramtsstudierenden anstreben und warum bestimmte alternative Karrierewege für sie besonders attraktiv sind, ist noch weitestgehend unerforscht. Basierend auf den Daten des Nationalen Bildungspanels deutet eine noch nicht veröffentlichte Studie darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der ehemaligen Lehramtsstudierenden sich für einen anderen Studiengang entscheidet, wobei oftmals das Studienfach gewechselt wird.

Aus Sicht der Hochschule und des Bildungssystems werden Studienabbrüche überwiegend negativ betrachtet, da jeder Studienplatz Kosten verursacht. Studienabbrecher:innen bringen der Hochschule jedoch keine ausgleichenden Einnahmen. Abbrüche im Lehramtsstudium tragen zudem dazu bei, dass in der Folge das Angebot von Lehrkräften in der Schulpraxis sinkt. So wird ein gewisser Schwund während des Studiums bereits in den meisten Prognosen zur Zahl der zur Verfügung stehenden Absolvent:innen berücksichtigt. Eine größere Schwankung der Abbruchquoten im Lehramt würde folglich zu einer Verzerrung der Prognosen führen. Konkrete Zahlen zum Ausmaß der Anzahl von Abbrüchen eines Lehramtsstudium wären folglich wünschenswert, um genauere Vorhersagen zum Lehrkraftangebot erstellen zu können.

Mögliche Lösungsansätze für weniger Studienabbrüche

Auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den häufigsten Ursachen des Studienabbruchs lassen sich mögliche Lösungsansätze ableiten.

In erster Linie gilt es, diejenigen Personen, die sich für ein Lehramtsstudium interessieren, ausreichend über die Inhalte und Ausgestaltung des Lehramtsstudiums und der Lehrkräftebildung im Allgemeinen zu informieren. Dies würde verhindern, dass die Interessierten unrealistische Annahmen treffen und das Lehramtsstudium wegen nicht erfüllter Erwartungen abbrechen. Die Passung zu den eigenen Interessen kann schließlich nur auf der Grundlage umfassender Informationen abgewogen werden. Neben den Maßnahmen, die auf eine gut informierte Studienwahl abzielen, kann die Hochschule auch während des Studiums etwas dafür tun, damit Studierende nicht abbrechen. Beispielsweise können sie den Studierenden die Anpassung und Integration in das neue hochschulische Umfeld erleichtern. Hierzu können niedrigschwellige Veranstaltungen beitragen, die einen sozialen Austausch zwischen Lehramtsstudierenden ermöglichen und zudem auf das wissenschaftliche Arbeiten an den Hochschulen vorbereiten. Zudem scheint es sinnvoll, gezielt Fördermaßnahmen für Lehramtsstudierende zu implementieren, die ein hohes Risiko für einen Studienabbruch aufweisen. Diese lassen sich frühzeitig durch geringere Studienleistung erkennen. Solche „Risikostudierenden“ könnten Unterstützung durch die Studierendenberatung oder andere Stellen angeboten bekommen, Hilfestellung in Anspruch nehmen und dadurch möglicherweise sogar die persönlichen Studienleistungen verbessern können.

Ein erstes Fazit

Entsprechend der Studienlage schwankt das Ausmaß der Abbrüche von Lehramtsstudierenden stark. Im Mittel scheint es aber wohl geringer zu sein als in anderen Studiengängen. Es zeigt sich, dass Lehramtsstudierende aus ähnlichen Gründen ihr Studium nicht abschließen wie Studierende anderer Fächer. Die Ursachen dafür liegen aus Sicht der Studierenden, die ihr Studium abgebrochen haben, insbesondere in den hohen Studienanforderungen und den mangelnden Studienleistungen. Die Repräsentativität, also die Übertragbarkeit der Ergebnisse zum Abbruch im Lehramtsstudium, auf Lehramtsstudiengänge an einzelnen Hochschulen ist jedoch fraglich. Dafür unterscheiden sich die verschiedenen Lehramtsstudiengänge zu stark, beispielsweise hinsichtlich der studierten Fächer und der angestrebten Schulart aber auch in der Ausgestaltung des Curriculums zwischen den Bundesländern und einzelnen Hochschulen, voneinander. Weitere Forschung ist notwendig, um insbesondere mehr Kenntnisse darüber zu gewinnen, welche Maßnahmen besonders wirksam sind, um die Abbruchquoten im Lehramt zu reduzieren. Letztendlich müssen sich alle Beteiligten die Frage stellen, ob ein Abbruch des Lehramtsstudiums tatsächlich nur negative Folgen hat. Einige Studierende erkennen nämlich erst im Studienverlauf, dass sie nicht für den Lehrkraftberuf geeignet sind. Dabei scheint die Anzahl der Abbrüche im Lehramtsstudium jedoch aus bildungspolitischer Perspektive weitreichende Konsequenzen für die Prognose der Zahlen zum Angebot von Lehrkräften zu haben.


Literatur:

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