Partizipation und demokratische Prinzipien entwickeln sich durch Bildung, Erfahrung und gelebte Praxis. Mit dem Qualitätsentwicklungsinstrument Quigs Kids werden Lern- und Aushandlungsprozesse in Ganztagsschulen initiiert und die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt gestellt. Deshalb wird Quigs Kids (www.quigs-nrw.de) vom Ministerium für Schule und Bildung NRW und vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration NRW gefördert. Das partizipative digitale Qualitätsentwicklungsinstrument der Serviceagentur Ganztagsbildung NRW (SAG NRW) unterstützt Ganztagsschulen bei ihrer Qualitätsentwicklung.

Wie können die Mitwirkungsmöglichkeiten von Schüler:innen in Ganztagsschulen gestärkt werden und Qualität kind- und jugendorientiert weiterentwickelt werden? Diese Frage stellen sich Schulleitungen, Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte des Ganztags angesichts veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und der damit einhergehenden notwendigen Transformation von Schule. Denn im Fachdiskurs wird deutlich: Eine zukunftsorientierte Gestaltung von Schule erfordert die Perspektiven von jungen Menschen als aktiv Gestaltende ihrer eigenen Lern- und Lebenswelten.

Ganztagsschulen als zukunftsfähige, demokratische Bildungsorte begreifen

Ganztagsschulen stehen vor diversen Herausforderungen: Personal, Finanzierung und Räume sowie die Förderung von Basiskompetenzen sind drängende Themen, die im Alltag oftmals die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zweitrangig erscheinen lassen. Diese Argumentation ist nachvollziehbar, doch verschließt die Augen vor dem, was für eine zukunftsfähige Schule des 21. Jahrhunderts und damit auch für Ganztagsschulen relevant ist: junge Menschen, die gemäß der „21st Century Skills“ der OECD unter anderem zu kritischem Denken, Kreativität, Kommunikation und Zusammenarbeit in der Lage sind. Angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen ist es darüber hinaus mehr denn je nötig, den Auftrag von Schule zur Demokratieerziehung ernst zu nehmen und vor dem Hintergrund der UN-Kinderrechtskonvention Kinder und Jugendliche als Träger eigenständiger Rechte zu betrachten.

Fachliche und wissenschaftliche Diskurse zur Beteiligung in Ganztagsschulen

Im Kontext der Diskurse rund um die Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter erfährt neben dem quantitativen Ausbau die qualitative Gestaltung von Ganztagsbildung erneut Aufmerksamkeit. Die Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität von Ganztagsschulen der Kultusministerkonferenz (2023) betonen, dass Formate zur Beteiligung und die Interessen und Bedürfnisse von Kindern handlungsleitend für einen demokratisch gestalteten Lern- und Lebensort Ganztagsschule sein sollten.

Weitere aktuelle wissenschaftliche Beiträge zur Qualität von Ganztagsbildung heben die Relevanz von Mitbestimmung und Demokratiebildung hervor: Aus Sicht von Kindern sind positive pädagogische Beziehungen ein Merkmal eines guten Ganztags (vgl. Walther et al. 2021). Kinder sind auf eine wertschätzende, respektvolle Haltung der erwachsenen Pädagog:innen angewiesen, die Räume für ein demokratisches und beteiligungsorientiertes Miteinander gestalten. Auch aus der Jugendperspektive gedacht muss sich das Profil des Ganztags weiterentwickeln, wie bereits der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung konstatierte. Ganztagsschulen haben das Potenzial, bei den Kernherausforderungen des Jugendalters (Verselbständigung, Qualifizierung und Selbstpositionierung) Unterstützung zu bieten; hier sei auch auf den gemeinsamen KMK/JFMK-Beschluss zur kooperativen Ganztagsbildung (2020) und den Ergebnisbericht Jugend-Bildung-Ganztag in NRW (2021) hingewiesen. Einer kürzlich veröffentlichten Studie des Deutschen Jugendinstituts (Birnbacher et al. 2024) zufolge fehlt jedoch die volle Ausschöpfung praxisnaher Konzepte und Orientierungen, um die komplexe Aufgabe der Demokratiebildung umzusetzen. Hier setzt das Konzept von Quigs Kids an, indem es Ganztagsschulen bei einer partizipativen Qualitätsentwicklung anleitet.

Mit Quigs Kids Partizipation fördern und Qualität entwickeln

Quigs Kids begreift Qualitätsentwicklung partizipativ und dialogisch und trägt somit dazu bei, das Konzept der Ganztagsschule ausgehend von den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen weiterzuentwickeln. Bereits seit der Einführung von Ganztagsschulen fördert das Land NRW Qualitätsentwicklungsinstrumente. Die neue digitale Auflage legt seit 2023 den Fokus auf die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen und ihre Beteiligung.

(c) Quigs Kids (SAG NRW)

Der Aufbau und die Formate von Quigs Kids ermöglichen die Beteiligung aller Schüler:innen und initiieren demokratiefördernde Prozesse:

  • Ein Qualitätskreislauf mit 8 Handlungsschritten leitet durch den Quigs-Prozess. Kinder und Jugendliche werden von Anfang an eingebunden und sind Teil des Steuerungsgremiums (Quigs Team), das zur Selbstpositionierung und Verantwortungsübernahme beiträgt.
  • Alle Schüler:innen der Ganztagsschule werden an der Bestandsaufnahme beteiligt und äußern ihre individuellen Bedürfnisse zu den Kernthemen Partizipation, Lebensweltorientierung und Sozialraumorientierung.
  • Das digitale Abstimmungstool wird in einem pädagogisch gestalteten Rahmen eingesetzt und regt den Dialog zwischen Erwachsenen und Schüler:innen an. Das interaktive Setting der Befragung ermöglicht Aushandlungsprozesse über verschiedene Werte und Perspektiven.
  • Auf Grundlage der Abstimmungsergebnisse, die im Schulaccount gespeichert sind, werden im Quigs Team Ziele für die Ganztagsschule entwickelt und umgesetzt. Das fördert Engagement, Selbstwirksamkeit und soziale Kompetenzen.

Quigs Kids verbindet Qualitätsentwicklung mit Demokratiebildung und eröffnet so Potenziale zur Gestaltung einer Ganztagsbildung mit Fokus auf Kinder und Jugendliche.

Kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung als Zielsetzung und gemeinsamer Nenner aller Beteiligten bei der Ganztagsschulentwicklung

Die Serviceagentur Ganztagsbildung NRW (SAG NRW) vertritt das Leitbild einer kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung für eine (sozial-)pädagogisch orientierte Ganztagsschulentwicklung. Das Instrument Quigs Kids wurde vor dem Hintergrund dieses Leitbilds entwickelt. Eine solche Ganztagsbildung versucht das Spannungsfeld zu lösen, in dem sich Akteure bei der Gestaltung von vielfältigen Bildungsangeboten in (offenen) Ganztagsschulen befinden: Neben den subjektiven Bedürfnissen spielen die objektivierten Bedarfe (Erkenntnisse aus Bezugswissenschaften über das gelingende Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen) eine Rolle bei der Gestaltung von Bildungssettings. Aber auch der gesellschaftliche Auftrag von Schule, wie das Erlangen eines Abschlusses oder die Herausbildung einer mündigen eigenverantwortlichen Persönlichkeit, nehmen Einfluss. Nicht zuletzt haben alle beteiligten Professionen und die Institution Schule selbst eigene und vielfältige Handlungslogiken und -praxen. Das Leitbild wird ausführlicher im Sammelband „Kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung“. Impulse für die pädagogische Praxis und die Wissenschaft“ (Altermann et al. 2023) dargelegt.

Der gemeinsame Nenner zur Umsetzung ganzheitlicher – also formaler, non-formaler und informeller Bildungsprozesse, die Aus- und Identitätsbildung gleichermaßen fördern, ist die Orientierung an den Perspektiven der jungen Menschen.  Entsprechend sollten die subjektiven Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen als Ausgangspunkt für alle Tätigkeiten betrachtet werden, ohne dabei die weiteren oben beschriebenen Einflussfaktoren zu ignorieren.

Von den sieben Schlüsselthemen, die im Sammelband aufgemacht werden, sind für das Qualitätsentwicklungsinstrument Quigs Kids drei zentral: Partizipation, Lebensweltorientierung und Sozialraumorientierung. Im Kern stehen diese Konzepte in ihrer Verbindung für einen erweiterten Bildungsbegriff, der (Ganztags)Schule als einen Bildungsort begreift, an dem Kinder und Jugendliche Mitwirkungsmöglichkeiten haben, ihre Erfahrungen und Interessen Beachtung finden und Räume innerhalb und außerhalb der Schule an ihren Bedürfnissen ausgerichtet sind.

Quigs Kids in der Praxis – Benefits für alle Seiten

Entscheidet sich eine Ganztagsschule für den Einsatz von Quigs Kids, ergeben sich Benefits für alle Seiten, wie zwei Praxisbeispiele zeigen:

  • Ein Berufskolleg ging innovative Wege und kooperierte bei der Umsetzung von Quigs Kids mit einer Ganztagsgrundschule. Die Auszubildenden setzten sich konzeptionell mit pädagogischen Inhalten der Ganztagsbildung auseinander, während das Team der Ganztagsschule Unterstützung bei der Durchführung der Bestandsaufnahme mit den Kindern erhielt.
  • Ein Ganztagsgymnasium erhob mit Hilfe von Quigs Kids strukturiert die Bedarfe der Schüler:innen und bildete AGs, die sich der qualitativen Verbesserung der Ganztagsangebote wie der Gestaltung der Mittagszeit widmen. So konnte das Kollegium eine neue Perspektive auf den Ganztag erhalten und die Schüler:innen erleben Eigenverantwortung und Mitbestimmung, indem sie ihre Bedarfe transparent kommunizieren und so den Ganztag mitgestalten können.

Auf die zu Beginn formulierte Frage, wie junge Menschen in Ganztagsschulen mehr Mitwirkungsmöglichkeiten erlangen können und gleichzeitig Ganztagsqualität verbessert werden kann, antwortet der Schulleiter des Gymnasiums: „Jetzt kümmern sich Schüler:innen aktiv um die Verbesserung des Ganztags!“

Einen kompakten Überblick zum Angebot bietet das Factsheet zu Quigs Kids.  Quigs Kids ist auf www.quigs-nrw.de verfügbar, begleitende Angebote und Veranstaltungen für Ganztagsschulen unterstützen die Implementierung. Quigs Kids ist ein Angebot der Serviceagentur Ganztagsbildung NRW. Die Serviceagentur Ganztagsbildung NRW (SAG NRW) ist ein gemeinsames Angebot des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen in Trägerschaft des Instituts für soziale Arbeit e. V. 

 


Literatur

Altermann et al. (2023): Kind- und jugendorientierte Ganztagsbildung. Impulse für die pädagogische Praxis und die Wissenschaft. Münster. New York. Waxmann Verlag. https://www.pedocs.de/volltexte/2023/28067/pdf/Altermann_et_al_2023_Kind_und_jugendorientierte_Ganztagsbildung.pdf (aufgerufen am 30.7.2025).

Birnbacher, L. et al. (2024): Demokratiebildung im Ganztag. Ergebnisse von qualitativen Befragungen und Beobachtungen im grundschulischen Ganztag. Abschlussbericht. https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/demokratiebildung-im-ganztag.html (aufgerufen am 30.7.2025).

KMK (Kultusministerkonferenz)/JFMK (Jugend- und Familienministerkonferenz) (2020): Entwicklung und Ausbau einer kooperativen Ganztagsbildung in der Sekundarstufe I. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2020/2020_06_18-KMK-JFMK-Ganztag-Sek-I.pdf (aufgerufen am 6.8.2025)

Kultusministerkonferenz (2023): Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität der Ganztagsschule und weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2023/2023_10_12-Ganztag-Empfehlung.pdf (aufgerufen am 22.7.2025).

Walther, B. et al. (2021): Ganztag aus Perspektive von Kindern im Grundschulalter. Eine Rekonstruktion von Qualitätsbereichen und -dimensionen. Verlag Bertelsmann Stiftung. https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/ganztag-aus-der-perspektive-von-kindern-im-grundschulalter-all (aufgerufen am 30.7.2025).