Hand in Hand mit Robotern arbeiten, große Datenmengen in relevante Kennzahlen überführen, in agilen Projekten maßgeschneiderte Produkte entwickeln – das sind Aufgaben, die der digitale Wandel in vielen Unternehmen mit sich bringt und die neue Anforderungen an alle Mitarbeitenden stellen. Spontan denkt man dabei an Großunternehmen wie VW, Siemens oder Otto. Doch auch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitenden sind betroffen. Wie können sie ihre Belegschaft für diese Herausforderungen qualifizieren? Eine kurze Expertenbefragung zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Digital Learning MeetUps“, die sich mit diesem Thema beschäftigt, lieferte wertvolle Hinweise auf geeignete Qualifikationsformen, die gleichermaßen von Großunternehmen und KMU eingesetzt werden können.

Die Einschätzung der knapp 40 vom mmb Institut befragten Expertinnen und Experten zeigt hinsichtlich der „Digital Readiness“ zunächst eine Kluft zwischen Großunternehmen und KMU: Bei der Frage, wo die Unternehmen in Deutschland bei der Digitalisierung von Aufgaben und Prozessen stehen, vergeben die Befragten auf einer Skala von +3 „sind sehr weit vorangeschritten“ bis  -3 „hängen sehr weit zurück“ für die Großunternehmen im Mittel den Wert +0,8, für die KMU hingegen -1,1. Ursachen für diese Einschätzung sind neben geringeren Investitionsspielräumen sicherlich auch die mangelnden Möglichkeiten, die eigene Belegschaft hierfür ausreichend zu qualifizieren. Große Unternehmen sind oft in der Lage, flächendeckende Lernangebote für alle Mitarbeitenden zu schaffen, hierfür intensiv zu werben und dafür zu sorgen, dass diese Trainingsmaßnahmen erfolgreich absolviert werden. Für ein KMU mit weniger als 250 Mitarbeitenden ist das Verhältnis zwischen dem Aufwand für ein solches Angebot und dem unmittelbaren (Lern-)Nutzen deutlich ungünstiger.

Lernideen, die auch KMU bei der Qualifizierung in Sachen Digitalisierung helfen können

Doch die Expertinnen und Experten in der Befragung bieten Lösungen für dieses Dilemma an. Auf eine Frage nach passenden Lernmaßnahmen machten sie viele eigene Vorschläge für neue Lernformen, die sich oft auch für KMU gut eignen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Ideen zu Lernmaßnahmen zum Thema Digitalisierung in Unternehmen

Quelle: Kurzbefragung „Digitalisierung in Unternehmen“, © mmb Institut 2019

 

Zunächst einmal fällt auf, dass „formale Massenlernmaßnahmen“ nicht das Mittel der Wahl sind. Vorgeschlagen werden keine standardisierten Web Based Trainings, sondern eher Lernangebote, die sich an individuelle Lernbedarfe anpassen.

Interessant ist hier die Empfehlung, Künstliche Intelligenz einzusetzen zur Erstellung von Lerninhalten, beispielsweise von „Wissensnuggets“, die automatisiert erstellt werden, oder als Bot-Beratungssysteme im Lern- und Arbeitsprozess „dazulernen“. Ein KMU kann hierfür mit Blick auf den Aufwand kaum eine eigene KI entwickeln. Denkbar wäre aber, dass ein externer Dienstleister diese Aufgabe übernimmt und beispielsweise generische Systeme einsetzt, die mit dem speziellen Unternehmenswissen gefüttert werden.

Ein weiteres Merkmal ist die Fokussierung auf offene Lerngruppen, z.B. in sogenannten Communities of Practice, Barcamps oder „Working out loud“-Circles. Ein Vorschlag ist auch, dies im „Virtual 3D-Classroom“ stattfinden zu lassen, was allerdings trotz sinkender Preise für VR-Brillen und schnelle Rechner immer noch ein nicht zu vernachlässigender Kostenfaktor ist.

Lernen wird von den befragten Expertinnen und Experten nicht als separater Prozess betrachtet, sondern eingebettet in schwierige Aufgaben und berufliche Herausforderungen. Die traditionelle Weiterbildung in Seminaren wird deshalb eher die Ausnahme. Dies wäre eine konsequente Umsetzung des „70-20-10-Modells“, nach dem nur 10 Prozent der Kompetenzen durch Kurse und Trainings erworben werden, 20 Prozent durch Anleitung von Kollegen und Vorgesetzten, aber 70 Prozent durch schwierige Aufgaben und berufliche Herausforderungen. Ein strategisches Vorgehen dieser Art erfordert auf allen Ebenen und in der gesamten Breite der Belegschaft einen entsprechenden Bewusstseinsprozess.

Um diese Herausforderung zu bewerkstelligen und ein KMU fürs digitale Zeitalter fit zu machen, hilft vielleicht ein besonders pragmatischer Experten-Vorschlag, der besonders leicht zu realisieren ist: „Einfach, wo es geht, drüber reden“.