Auf die Lehrer kommt es an! Sie spielen eine herausragende Rolle für die Zukunft unserer Kinder. Wichtig ist daher nicht nur, dass angehende Lehrkräfte eine qualitativ hochwertige und möglichst praxisnahe Ausbildung erhalten. Entscheidend ist auch, dass wir die am besten geeigneten Studierenden für den Lehrerberuf gewinnen. Eignungstests vor der Aufnahme des Studiums sind bislang aber eher die Ausnahme. Studien zeigen, dass sich viele Studierende nicht in erster Linie aus Freude am Lehren oder weil sie die Arbeit mit Jugendlichen mögen für ein Lehramtsstudium entscheiden, sondern weil sie bspw. die Sicherheit des Berufs und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schätzen. In der Konsequenz fühlt sich schon ein Viertel der Lehrkräfte beim Berufsstart überfordert und nur gut ein Drittel hält bis zum 65. Lebensjahr durch.
Gute Lehrer machen den Unterschied. Gleichzeitig brauchen wir in Deutschland jeden, der Lehrer werden will und kann. Immerhin gehen in den nächsten 10 Jahren jedes Jahr 10.000 Lehrer mehr in Rente als in unseren Hochschulen ausgebildet werden. Am Ende bleiben 100.000 Lehrerstellen unbesetzt. Dieser drohende Mangel an Lehrern darf uns allerdings nicht davon abhalten, unsere Lehrkräfte besser auszuwählen: Dafür sind Lehrer zu wichtig, dafür haben sie einen zu großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Kinder.

Lehrer - ein anspruchsvoller Beruf
Lehrer – ein anspruchsvoller Beruf

In Deutschland ist eine Auswahl der Studienbewerber häufig negativ belegt. Strikte Auswahlverfahren bereits vor Beginn des Studiums wären aber auch im Sinne der Lehrer selbst. Denn bei uns weisen schon viele Lehramtsstudenten und Referendare Symptome eines späteren Burn-outs auf: Ein Viertel von ihnen fühlt sich noch vor dem eigentlichen Berufsstart überfordert (Schaarschmidt & Kieschke, 2007). Da ihnen ihre Ausbildung aber kaum alternative Beschäftigungsmöglichkeiten lässt, steigen viele trotzdem in den Lehrberuf ein: mit den entsprechenden Konsequenzen für ihre Schüler – und sie selbst.
Schaut man sich die Länder an, die Spitzenreiter in Sachen Bildung sind, fällt auf, dass sie effektivere Mechanismen für die Auswahl von Lehramtskandidaten haben. So testet Finnland beispielsweise in einem mehrstufigen Aufnahmeverfahren, ob der angehende Student geeignet und motiviert für die Herausforderungen des Lehrerberufs ist. Trotz dieser Hürde bewerben sich in Finnland im Schnitt zehn Abiturienten auf einen Studienplatz zum Lehramt. Zudem sind erfolgreiche Schulsysteme attraktiv für die besten 30 Prozent der Hochschulabsolventen – aus ihnen werden die Lehrer ausgewählt (McKinsey&Company, 2007).
Eine bewusste Auswahl der künftigen Lehrer wäre auch bei uns auch wünschenswert. Dazu kommt dann eine gute Ausbildung. Denn natürlich gibt es auch hierzulande Naturtalente unter den Lehrern. Solche, die keine besondere Ausbildung benötigen, um ihre Schüler zu faszinieren, sie neugierig zu machen, sie zum Lernen anzuregen; solche, die menschlich und fachlich Vorbild sind. Aber für die meisten Lehrer gilt: Je besser sie auf die Herausforderungen ihres Berufs vorbereitet sind, desto besser können sie diese auch bewältigen. Für unsere Lehrerausbildung bedeutet das, dass sie sich stärker an der Schulpraxis ausrichten muss. Sie muss den künftigen Pädagogen beibringen, wie sie sich besser auf den individuellen Wissensstand eines Kindes einstellen und entsprechende Lernprogramme entwickeln, wie sie unterschiedliche Lernmethoden vom Frontalunterricht über die Gruppenarbeit bis hin zum Lernen durch Lehren gezielter einsetzen. Das sagt sich leicht, die Umsetzung ist aber eine riesige Herausforderung für unsere Hochschulen.
Neben der nötigen Veränderung der Curricula muss aber auch die Organisation des Lehramtsstudiums grundsätzlich eine andere werden – allein schon um die Abbrecherquote von etwa 40 Prozent zu senken. Das Studium gleicht vielerorts einem Flickenteppich: Fachwissenschaften wie zum Beispiel Deutsch oder Mathematik stehen neben der Pädagogik (bzw. Erziehungswissenschaft), die häufig nur einen kleineren Teil des Studiums einnimmt. Und die Fachdidaktik, die das Wissen aus dem jeweiligen Fach und die Pädagogik miteinander verbinden soll, hängt häufig zwischen allen Stühlen. Am Ende ist so niemand wirklich verantwortlich für den Studienerfolg der Lehramtsstudenten, für die Passgenauigkeit der verschiedenen Studieninhalte und für den Übergang vom Studium in das Referendariat. Diese vermischte Zuständigkeit, das gleichzeitige Studium von Fach und Pädagogik ist ziemlich einzigartig in der Welt. In den meisten anderen Ländern der Welt wird zuerst das Fach und dann die Pädagogik studiert (Wissenschaftsrat, 2001).
Auch wenn ich mich damit bei vielen nicht beliebt mache: Um das Lehramtsstudium vom Rand in das Zentrum der Hochschulen zu rücken, bedarf es einer grundlegenden Reorganisation der universitären Lehrerbildung. Jeder angehende Lehramtsstudent sollte zuerst einen Fachbachelor machen und eine Praxisphase an der Schule absolvieren, ehe er sich anschließend, nach erwiesener Eignung, in einem Masterstudium auf den Lehrerberuf spezialisiert.
Inzwischen ist Bewegung in die Lehramtsausbildung an deutschen Hochschulen gekommen. Die Qualität der Lehrerausbildung soll verbessert werden, neben der fachwissenschaftlichen eine verstärkte fachdidaktische und pädagogische Grundlage bekommen und stärker als bisher die Diagnose und individuelle Förderung schulischer Leistungen berücksichtigen (vgl. z.B. http://www.schulministerium.nrw.de/ZBL/Reform/FAQ/). Berufsfeld- und Praxisbezug sollen sowohl im Studium als auch im Vorbereitungsdienst (Referendariat) intensiviert werden. In NRW gibt es darum neuerdings bereits zu Beginn des Studiums ein obligatorisches Eignungspraktikum und während des Master-Studiums absolvieren die Studierenden ein Praxissemester. Aber reichen diese Maßnahmen aus, um zukünftigen Lehrkräften das nötige Rüstzeug für die heutigen Herausforderungen des Unterrichts vermitteln zu können?
 Jörg Dräger
Zum Wei­ter­le­sen: Jörg Drä­ger: Dich­ter, Den­ker, Schul­ver­sa­ger: Gute Schu­len sind mach­bar — Wege aus der Bil­dungs­krise — Mit einer poli­ti­schen Gebrauchs­an­wei­sung von Klaus von Dohn­anyi. Deut­sche Ver­lags­an­stalt, Mün­chen 2011, S. 119 ff