Das Forum Bildung Digitalisierung setzt sich für systemische Veränderungen und eine nachhaltige digitale Transformation im Bildungsbereich ein. Aber was bedeutet das konkret? Anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Forums sprach Schule21 mit Jacob Chammon, Geschäftsführender Vorstand des eingetragenen Vereins. 

 

Das Forum Bildung Digitalisierung besteht seit fünf Jahren als Verein. Wie ist es zu der Gründung gekommen? Was will das Forum erreichen?

Mitte der 2010er Jahre wurde immer deutlicher, dass Deutschland einen hohen Entwicklungs- und Nachholbedarf im Bereich „Digitale Bildung im schulischen Bereich“ hat. Andere europäische und OECD-Länder schienen Deutschland hier weit voraus. Immer mehr zivilgesellschaftliche Akteure haben sich deshalb hierzulande mit dem Thema beschäftigt, wie die Digitalisierung der Schulen vorangebracht werden könnte. Das Forum geht zurück auf eine Initiative der Deutsche Telekom Stiftung und wurde gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung, der Robert Bosch Stiftung und der Siemens Stiftung als Trägerinnen ins Leben gerufen. Die Mercator Stiftung war bei der Gründung als Förderin beteiligt. Schon während der Anfangszeit bestand ein guter Austausch zwischen den Stiftungen und schnell wurde klar, dass man mit der Bündelung des gemeinsamen Engagements mehr erreichen kann, ganz im Sinne eines kollektiven Impacts. Das Forum entstand, um eine Plattform für die öffentliche Diskussion über die Digitalisierung im Bildungsbereich zu schaffen. Dabei sollten vor allem die Chancen und Potenziale digitaler Medien und digital gestützten Lehrens und Lernens in den Blick genommen werden. Im September 2017 wurde dann der Verein Forum Bildung Digitalisierung e. V. gegründet. Das ist das Jubiläum, das wir dieses Jahr begehen. 

Heute engagieren sich insgesamt neun Stiftungen im Forum und der Schwerpunkt unserer Arbeit hat sich im Zuge der strategischen Weiterentwicklung insbesondere auch auf systemische Veränderungen im Zuge der digitalen Transformation im Gesamtsystem Schule verlagert. 

 

Der Veränderungsdruck im Bildungssystem war schon zum Zeitpunkt der Gründung des Forums hoch. Was konnte das Forum in den vergangen fünf Jahren bewegen? Wie seht ihr euch selbst?  

Wir sehen uns als Forum in der Rolle eines Kurators, Convenors und Navigators für die digitale Transformation im schulischen Bildungsbereich. Dafür haben wir verschiedene Formate in den letzten fünf Jahren entwickelt. Zunächst zu nennen ist sicherlich die Konferenz Bildung Digitalisierung, die sich über die Jahre zur Leitkonferenz für gute Schule in der digitalen Welt im deutschsprachigen Raum entwickelt hat und alle entscheidenden Akteure im schulischen Bildungsbereich zusammenbringt. Neben Lehrkräften und Schulleitungen erreichen wir mit der Konferenz auch Verantwortliche aus Schulverwaltung, Kultusministerien, Schulträger und Vertreterinnen und Vertreter aus der Bildungsforschung und Zivilgesellschaft. Die Konferenz bietet den Akteuren eine Plattform für Austausch und Vernetzung und unterstützt den Transfer von Good Practices. Die Konferenz schafft zudem eine größere Sichtbarkeit des Themas über das System Schule hinaus. 

Ein weiterer Baustein, den das Forum institutionalisiert hat, sind die Dialogformate, in denen digitale Vorreiterschulen zusammenkommen und gute Praxis diskutieren und gemeinsam weiterentwickeln. Diese direkte Zusammenarbeit mit den Schulen gibt dem Forum eine hohe Authentizität für das Thema und macht es zu einem Gesprächspartner, der von allen Beteiligten im System ernst genommen wird.  

Im LabBD kommen zum Beispiel Vertreterinnen und Vertreter von Schulaufsicht, Schulträgern und Schulen zusammen. Im ko-konstruktiven Austausch identifizieren wir gemeinsame Schnittmengen der Akteure. Beispiele für leitende Fragen sind hier: Wie gestaltet sich der Austausch zwischen Schule, Schulträger und Schulaufsicht vor Ort? Sind die Abstimmungen gut, vertrauensvoll und regelmäßig? Ziel des LabBD ist es, unterschiedliche Wege der Prozessgestaltung darzustellen, Impulse für den Dialog vor Ort zu geben und einen inspirierenden bundesweiten Austausch zu ermöglichen. Hier sowie in dem Kooperationsprojekt ExpeditionBD mit dem Zentrum für digitale Bildung und Schule in Gütersloh und der Bertelsmann Stiftung konnten wir in den vergangenen drei Jahren erfahren, welche Rolle die individuelle persönliche Haltung bei der Gestaltung der digitalen Transformation spielt.  

Mit Publikationsreihen wie Impulspapieren geben wir konkrete Handlungsempfehlungen zu unterschiedlichen Themen heraus, die vor allem auf die politische Ebene abzielen. Mit unserem Online-Magazin Plan BD oder dem Podcast Auftrag:Aufbruch bündeln wir zudem Expertise von anerkannten Expertinnen und Experten und vermitteln es in aufbereiteter Form an die Zielgruppen, in denen wir die Möglichkeit sehen, etwas bewegen zu können, und geben allen auf der Suche Befindlichen eine Orientierung. 

Unsere Schulleitungsqualifizierung ist als ein kleiner Pilot zusammen mit dem Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) gestartet. Die Erfahrungen daraus haben wir dann genutzt, um gemeinsam mit der Dieter Schwarz Stiftung, der ihr zugehörigen Akademie für innovative Bildung und Management gGmbH (AIM) und der Wübben Stiftung ein Konzept zur digitalisierungsbezogenen Schulleitungsqualifizierung zu entwickeln. Es wird ab dem Schuljahr 2023/24 in neun Bundesländern umgesetzt werden. 

 

Ihr seid sehr gut vernetzt im Bildungssystem, das wird aus euren Aktivitäten deutlich. Ist das die Basis für euren Erfolg? 

Wenn man unsere Mitgliedsstiftungen und alle bei uns engagierten Menschen fragt, wofür das Forum steht, so bekomme ich ganz unterschiedliche Antworten. Inzwischen profitieren wir von einer breiten Akzeptanz des Forums, auch in der Politik und Verwaltung, weil wir es geschafft haben, so viele verschiedene Menschen und unterschiedliche Systemebenen zusammenzubringen. Denn das Forum kann nur so erfolgreich sein, wie die Menschen, die sich bei ihm einbringen. Wir merken, dass wir inzwischen mit unserer Arbeitsweise echten Impact für unser Thema schaffen können und unsere Wirkungskreise in den vergangenen Jahren immer größer geworden sind.  

 

Nach dem Blick in die Vergangenheit jetzt noch ein Blick in die Zukunft: Was habt ihr euch für die nächsten fünf Jahre vorgenommen? 

Unsere Veranstaltungs- und Veröffentlichungsformate sind so erfolgreich, dass wir sie sicher weiter fortsetzen werden. Wenn es einer Weiterentwicklung der einzelnen Aktivitäten bedarf, wird es die natürlich geben.  

Wir haben aktuell drei Handlungsfelder in unserer Strategie: 

  • Haltung zur Kultur der Digitalität  
  • Digital-förderliche Rahmenbedingungen 
  • Digital-didaktische Konzepte und Qualifizierung 

 

In diesen Handlungsfeldern haben wir alle unsere Aktivitäten verortet und wir werden sie in den kommenden Jahren weiterverfolgen. Durch die Beteiligung in einem Verbund aus zwölf Partnern bei der Ausgestaltung der „Vernetzungs- und Transferstelle für das Lernen und Lehren in der digitalen Welt“, die im Rahmen des Forschungs-, Innovations- und Transferprojekts „Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, erhalten wir ein neues Standbein. Das wird es uns ermöglichen, zukünftig auch die Zielgruppe der Lehrkräfte direkt zu bedienen und das Thema Lehrkräftebildung zu bespielen. Darüber hinaus wollen wir stärker werden im Bereich Agenda-Setting zum Thema „Digitale Transformation im schulischen Bildungsbereich“. Wir werden weiter das Feld gut im Blick haben, sehen, wenn etwas nicht gut läuft und in solchen Fällen eine Lösung anbieten. 

 

Wir haben viel über das Forum gesprochen. Eine persönliche Frage haben wir aber auch an dich: Wenn du einen Wunsch zum Thema digitale Transformation im schulischen Bildungsbereich frei hättest – welcher wäre es? 

Bei der Verbesserung der digitalen schulischen Bildung müssen wir systemisch arbeiten, d. h. wir bewegen uns in einem großen System, das von zahlreichen kleinen Systemen gebildet und mit zahlreichen weiteren Systemen inhaltlich oder organisatorisch verbunden ist. Mein größter persönlicher Wunsch wäre, dass wir nicht mehr über Systemgrenzen sprechen und bei unseren Aktivitäten dort ausgebremst werden, sondern systemübergreifend diskutieren und gemeinsam an Lösungsansätzen arbeiten.  

Im Moment müssen wir viele Ressourcen einsetzen, um diese Prozesse zu ermöglichen. Ich möchte mich nicht mehr fragen müssen: “Warum muss es so schwierig sein?” Wir sollten aufhören Grundsatzdiskussionen zu führen oder über die richtigen Begrifflichkeiten zu streiten und mehr Mut zum Handeln beweisen, Dinge auch einfach einmal ausprobieren. Rahmenbedingung dafür ist natürlich eine positive Fehlerkultur und eine Haltung, die Fehler auch verzeiht – egal, auf welcher Seite des Systems.  

Ein wichtiges Thema ist für mich auch die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Hier besteht weiterhin großes Potenzial für eine bessere Governance. Schulen benötigen verlässliche technische, rechtliche und pädagogische Rahmenbedingungen, in denen sie sich bewegen können. Eines sollten wir als Forum, aber auch alle anderen Akteure im System Schule nicht aus den Augen verlieren: Alle Projekte, die wir auf die Schiene setzen, und jede bildungspolitische Maßnahme oder Strategie müssen Kinder und Jugendliche beim Lernen unterstützen, um sie auf das Leben in einer digital geprägten Gesellschaft vorzubereiten und letztlich dem übergeordneten Ziel einer chancen- und teilhabegerechten Bildung dienen. Das muss unser Ansporn bleiben! 

 

Herzlichen Dank für das Gespräch.