Die Integration neu zugewanderter Kinder ins deutsche Schulsystem unterstreicht einmal mehr die Bedeutung von schulischer Kooperation. Nur in geteilter Verantwortung können Lehrkräfte gemeinsam mit anderen pädagogischen Professionen diese Herausforderung bewältigen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator und Deutsche Telekom Stiftung zeigt: Lehrkräfte wollen kooperieren, doch die Rahmenbedingungen gerade für anspruchsvolle Formen der Zusammenarbeit sind oft nicht ausreichend.
Kooperation prägt bereits heute den Alltag der Lehrer, beschränkt sich aber vor allem auf den Austausch über Materialen und Schüler. Wenig verbreitet sind hingegen Unterricht im Team oder Hospitationen bei Kollegen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit in Schulen mit Inklusionsangebot und in gebundenen Ganztagsschulen. Angesichts der wachsenden Vielfalt im Klassenzimmer wird Teamarbeit immer mehr zu einem Erfolgsfaktor für gute Schule. Zu dieser Schlussfolgerung kommt eine Ende Februar erschienene Studie von Dirk Richter und Hans Anand Pant, die auf einer repräsentativen Befragung von mehr als 1.000 Lehrkräften der Sekundarstufe I beruht und von den vier Bildungsstiftungen anlässlich des Anfang März erstmals in Deutschland stattgefundenen International Summit on the Teaching Profession (ISTP) gemeinsam in Auftrag gegeben worden war.
Die Studienergebnisse zeigen: Rund fünf von durchschnittlich 43 Stunden Wochenarbeitszeit wenden Lehrer nach eigenen Angaben für Kooperationen mit Kollegen, anderen pädagogischen Fachkräften sowie Eltern und außerschulischen Partnern auf. Im Vordergrund stehen dabei der Austausch über Unterrichtsmaterialien und Schüler (82 Prozent) und die Arbeitsteilung unter Kollegen (77 Prozent). Weniger verbreitet sind komplexere Formen der Zusammenarbeit, beispielsweise in fachbezogenen Teams (50 Prozent). Weniger als ein Viertel der Lehrer unterrichtet häufiger auch im Team (23 Prozent), nur jeder zehnte Lehrer hospitiert häufiger im Unterricht anderer Lehrer (neun Prozent). Die Zusammenarbeit mit Kollegen erachten 97 Prozent der Lehrer als wichtig, für 87 Prozent lohnt sich der damit verbundene Aufwand.
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Teamarbeit und Begeisterung für den Beruf gehen Hand in Hand

Die Studie zeigt auch: Die meisten Lehrer mögen ihren Beruf. 80 Prozent bezeichnen sich als hoch motiviert, 76 Prozent sind sehr zufrieden in ihrem Job. Nur sechs Prozent klagen über große Erschöpfung, lediglich zwei Prozent haben starke Zweifel an der eigenen Kompetenz. Besonders positiv äußern sich diejenigen Lehrer, die eng mit Kollegen zusammenarbeiten.
Diese Zusammenarbeit ist allerdings teilweise nicht so intensiv wie in anderen Ländern. In Deutschland unterstützen sich zwar mehr Lehrer gegenseitig mit Unterrichtsmaterialien als im OECD-Mittelwert (62 zu 46 Prozent). Geht es jedoch um Diskussionen über die Lernentwicklung von Schülern (50 zu 62 Prozent) oder gemeinsame Bewertungsstandards (33 zu 41 Prozent), fällt Deutschland hinter den internationalen Durchschnitt zurück.

Wenig Einblick in Unterricht von Kollegen

Je komplexer die Zusammenarbeit, desto weniger Lehrer beteiligen sich daran. So geben nur 50 Prozent der Lehrer an, in ihrer Schule gemeinsam mit Kollegen Unterrichtskonzepte oder Strategien zur Bewältigung beruflicher Probleme zu entwickeln. Besonders schwach ausgeprägt ist die Feedback-Kultur innerhalb des Lehrerkollegiums. “Ein Großteil der Lehrkräfte in Deutschland erhält keine oder nur sehr wenige Einblicke in den Unterricht anderer Kollegen”, folgern die Studienautoren. Im Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern sieht es schon anders aus: Immerhin mehr als jeder zweite Lehrer gibt seinen Schülern regelmäßig Rückmeldung über deren Lernentwicklung (53 Prozent). Die Meinungen der Schüler zum Unterricht hingegen fragt nur jeder dritte Lehrer regelmäßig ab.
Besonders verbreitet und intensiv ist die Zusammenarbeit der Lehrer an gebundenen Ganztagsschulen sowie an nicht-gymnasialen Schulformen. Außerdem zeigt die Studie, dass auch Inklusion ein wichtiger Treiber für Kooperation ist: Je höher der Anteil von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, desto häufiger und intensiver arbeiten Lehrer auch konzeptionell zusammen.
Interessant: Obwohl an Gymnasien offenbar nicht so viel kooperiert wird wie an anderen Schulformen, sehen die dort tätigen Lehrer doch den Bedarf für kollegiale Zusammenarbeit, insbesondere auch in multiprofessionellen Teams. Das zeigen Daten einer praktisch zeitgleich erschienenen Forsa-Umfrage unter 1.000 Lehrern im Auftrag des VBE. 85 Prozent aller befragten Lehrer geben dort zu Protokoll, die Einbindung in ein multiprofessionelles Team sei eine wichtige Unterstützungsmaßnahme, die unbedingt erforderlich ist. Gymnasiallehrer sagen das immerhin auch zu 81 Prozent. Aber nur 44 Prozent aller Philologen können davon berichten, dass dies an ihrer Schule auch der Fall ist (an Gesamtschulen gilt das für immerhin 75 Prozent aller dort tätigen Lehrkräfte).
Als Voraussetzung für eine enge und intensive Teamarbeit benennt die Studie die Unterstützung durch die Schulleitung. Fest installierte Teamarbeitszeiten, gemeinsame Anwesenheit in der Schule – auch außerhalb des Unterrichts – und feste Strukturen für jahrgangsinterne und -übergreifende sowie fachbezogene und -übergreifende Abstimmungen sind wichtig. Die Stiftungen, die hinter der Studie stehen, empfehlen deswegen, die schulischen Rahmenbedingungen für Kooperationen zu verbessern. Eine intensive Kooperation von Lehrern geht nicht nur mit deren Kompetenzaufbau, höherer Berufszufriedenheit und besserer Gesundheit einher. Teamarbeit im Lehrerkollegium – unter Einbezug anderer Professionen wie Sozialarbeiter und Schulpsychologen – ist außerdem ein Schlüssel dafür, mit der wachsenden Vielfalt im Klassenzimmer umzugehen und Schüler besser individuell fördern zu können. Dies gilt nicht nur, aber gerade auch für die erfolgreiche Integration von Kindern mit Fluchtgeschichte.