Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, hat gestern im Deutschlandradio Kultur ein Interview zum Thema „Eltern-Lehrer-Konflikte“ gegeben. Immerhin, so die grundsätzliche Einschätzung des Radiosenders, haben die Probleme zwischen Eltern und Lehrern in den letzten Jahren stark zugenommen. Hier die zentralen Aussagen aus dem Interview und einige Gedanken dazu.
Schon recht zu Beginn des Interviews bemühte Kraus sich um die Position des Mittlers: Die meisten Eltern seien sehr bodenständig, und die Zusammenarbeit klappe gut. Dennoch nimmt auch in seinen Augen die Zahl der Eltern, die den Lehrern Probleme bereiten, zu. Im Interview nahm er neben den „typischen Problemfamilien“ auch diejenigen Eltern in den Blick, die sich vermeintlich besonders intensiv für die Zukunft ihrer Sprösslinge engagieren.
Das Problem der „Besserwisser-Eltern“
Das Phänomen von Eltern, die ihren Ehrgeiz und ihre Zukunftswünsche auf ihre Kinder übertrügen, werde durch die sinkende Kinderzahl pro Familie intensiviert. Diese überambitionierten Eltern drohten auch gerne schon einmal mit dem Rechtsanwalt, wenn sich der gewünschte Erfolg des Sohnes oder der Tochter nicht einstelle. Für zusätzlichen Zündstoff sorge in diesem Zusammenhang das Ringen um die Gymnasialempfehlung am Ende der vierten Klasse, für die Eltern oft mit harten Bandagen kämpften. Dies führe zu einer Drucksituation in vielen Lehrerkollegien und schränke letztlich den so wichtigen Ermessensspielraum des Pädagogen ein – etwa wenn es nur noch darum gehe, eine „gerichtssichere“ Entscheidung zu treffen.
Dass solche Verhältnisse weder Eltern noch Lehrern gut tun, liegt auf der Hand. Noch weniger aber den Schülern, die Leidtragende der Grabenkämpfe sind und im schlimmsten Fall den Frust beider Parteien zu spüren bekommen. Kraus‘ Empfehlung, mehr Gelassenheit walten zu lassen und in kritischen Situationen auf Kommunikation und Ausgleich zu setzen, sollten sich daher wohl alle Erwachsenen zu Herzen nehmen. Das aber erfordert Offenheit und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.
Zu viel Erziehung, zu wenig Bildung?
Ein weiterer Faktor belastet nach Kraus‘ Ansicht die Beziehungen zwischen Schule und Elternhaus: Die gestiegene Erwartung der Eltern – sowie der Gesellschaft – an die Erziehungsleistung der Lehrerschaft. Von Schulen würden heutzutage derartig viele Zusatzleistungen wie etwa Ernährungsberatung, Gewaltpräventions- oder Mediennutzungstrainings erwartet, dass der Bildungs- neben dem Erziehungsauftrag zu kurz komme.
Meines Erachtens besteht  eine gemeinsame Verantwortung für die Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen (vgl. Blog-Beitrag „Schule und Eltern als Erziehungspartner – für ein Konzept der Elternarbeit!„). Das bedeutet auf der einen Seite, dass nicht alle Probleme der Schule auf den Hinterhof gestellt werden dürfen, andererseits aber auch, dass es echte Beteiligungsmöglichkeiten für Eltern in der Schule geben muss.
Und die Balance zwischen Bildung und Erziehung kann gewahrt werden. Denn die oben genannten Zusatzaktivitäten sind wichtig und bei realistischer Betrachtung aus dem heutigen Bildungsangebot auch nicht mehr wegzudenken. Neben fachlichen und überfachlichen Kompetenzen (z. B. Mathe bei der Kalorienkalkulation) fördern sie Selbstständigkeit und das soziale Miteinander – das gehört zur Vorbereitung auf das Leben einfach dazu. Engagierte Eltern können sich gerade hier mit ihren Kompetenzen und Erfahrungen einbringen. Einen sinnvollen Rahmen für all dies bietet der Ganztagsunterricht – der so Raum für Bildung und Erziehung lässt!
Das Interview mit Josef Kraus findet ihr hier bei Perlentaucher.de (Name: „Besserwisser-Eltern“).