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@Christian Ebel
Genau aus diesem Grund sind ich und sehr viele meiner Kollegen (inkl. Philologenverband und GEW) sich darüber einig, dass Inklusion wie alle vergangenen und zukünftigen Schulreformen Luftnummern sind.
Es ist schön, dass das Experiment Inklusion unter Laborbedingungen funktioniert – nur serienreif (und finanzierbar) ist es nicht.
Klar könnten die westlichen Industriestaaten von jetzt auf gleich den Welthunger beenden – nur will das keiner bezahlen.
Seit Jahrzehnten warten Schulen auf Geld und Verbesserung der Arbeitsbedingungen, um überhaupt den jetzigen Regelbetrieb vernünftig bewerkstelligen zu können (und ganz Deutschland wundert sich über schlechte PISA-Ergebnisse). Und jetzt sollen zusätzlich auch noch halb ausgegorene Inklusions-Vorhaben auf dem Rücken der Lehrer verordnet werden? Es wird nicht funktionieren, wenn bei den betroffenen Lehrern nicht erstmal Vertrauen in die Bildungspolitik hergestellt worden ist.
Aber schön, dass es in Templin und dazu noch an einer Waldorfschule funktioniert. Gibt es ähnliche Beispiele auch für weiterführende Schulen? Über Grundschulen und Kindergärten brauchen wir uns fast nicht unterhalten, denn niemand erwartet, dass die Kinder dort wirklich viel lernen. Der Ernst beginnt erst in der 5. Klasse. Irgendwann schlägt nämlich das Leistungsprinzip durch. Und auch wenn ich von diesem Prinzip persönlich nicht viel halte: Mein Dienstherr hält davon sehr viel und definiert über Leistung den Bildungserfolg – so schade das ist…
@Peter Schwarzmüller
Ich kann mir vorstellen, dass in der Tat viele KollegInnen (aller Schulformen) skeptisch sind, was die Umsetzung von Inklusion anbelangt. Auch teile ich Ihre Meinung, dass Inklusion nicht einfach so verordnet werden kann und dass zunächst das Vertrauen in die Bildungspolitik wieder hergestellt werden muss. Das bedeutet aber zunächst einmal, dass alle Beteiligten mitgenommen und ihre Bedenken gehört und ernst genommen werden. Ganz unabhängig von den benötigten Rahmenbedingungen (Ressourcen, Ausstattung, Unterstützung…) ist Inklusion meines Erachtens in erster Linie eine Frage der Haltung: WOLLEN Politik, Administration, Lehrkräfte, Eltern und die Schüler selbst denn überhaupt eine inklusive Schule?
Das klare Bekenntnis zur Inklusion fällt auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (auch angesichts der UN-Konvention) noch am leichtesten – und so verwundert es nicht, dass neben der GEW nun auch der Philologenverband sich ganz offen über Inklusion an Gymnasien spricht (vgl. aktuelle Ausgabe von „Bildung aktuell. Wir machen Schule“ http://www.phv-nw.de). In dieser Zeitschrift wird im Übrigen auch über erste Erfahrungen mit Inklusionsklassen am Reinoldus- und Schiller-Gymnasium in Dortmund berichtet (wobei der Begriff „Inklusionsklasse“ eigentlich einen Widerspruch in sich darstellt).
Wie aber sieht es dann im ganz konkreten Einzelfall aus, wenn beispielsweise ein Kind mit Asperger-Autismus am Gymnasium vor Ort unterrichtet werden soll? Da kommt es schnell zu einer offenen Kontroverse zwischen Befürwortern und Gegnern des Konzepts, wobei alle natürlich immer nur das Beste für IHR Kind wollen… vgl. mein Blogbeitrag hier.
Dass Inklusion machbar ist, zeigen die bundesweit mehr als 200 Schulen, die sich in diesem und im vergangenen Jahr am „Jakob Muth-Preis für inklusive Schule“ beteiligt haben. Unter dem Motto „Gemeinsam lernen – mit und ohne Behinderung“ zeichnet der Jakob Muth-Preis Schulen aus, die behinderte und nicht behinderte Kinder vorbildlich zusammen unterrichten. Hier zeigt sich: Ein gemeinsamer Unterricht, der beim individuellen Kenntnisstand sowie den persönlichen Bedürfnissen und Interessen der einzelnen Schüler ansetzt, wirkt sich auch auf deren Leistung aus. Viele dieser inklusiven Schulen haben bei Vergleichstests überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Nachstehend sind nur einige weiterführende Schulen genannt (bezeichnenderweise keine Gymnasien!):
Integrierte Gesamtschule Bonn-Beuel
Realschule Südstadt Neuss, Neuss
Schülerschule, Pinneberg (Gesamtschule)
Maria-Montessori-Ganztagsschule, Jena (Grund-, Haupt- und Realschule)
Regine-Hildebrandt-Schule, Birkenwerder (Gesamtschule)
Gesamtschule Bahrenfeld, Hamburg
Ernst-Reuter-Schule II, Frankfurt (Gesamtschule)
Eugen-Kaiser-Schule, Hanau (Berufsschule)
Alexanderschule Wallenhorst, Wallenhorst (Hauptschule)
KGS Bad Bevensen – Fritz-Reuter-Schule, Bad Bevensen (Gesamtschule)
Solange Bildungsreformen am Ende immer auch ergeben sollen, dass weniger Geld ins System gegeben werden muss, kann und wird das mit der Inklusion nicht klappen.
Das Beispiel schildert eine inklusive Walddorfgrundschule in freier Trägerschaft. Die durchschnittliche Klassengröße liegt bei unter 18 Schülern. Da mag das funktionieren. An anderen, öffentlichen Grundschulen mit Inklusionscharakter gehen im Durchschnitt 6 Kinder mehr in eine Klasse. Das gestaltet die ganze Sache dann schon deutlich schwieriger. Am Ende bleiben die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf eben doch auf der Strecke und haben NICHT die gleichen Chancen. Aber es ist doch finanziell viel günstiger als Schulen mit Förderschwerpunkt (in denen die Klassenfrequenz bei unter 10 Kindern lag) weiter zu unterhalten.
Das positiv geschilderte Beispiel aus Templin macht diesen Nachteil nicht wett.
@Mario Vielen Dank für den offenen Kommentar. Ich teile die Einschätzung, dass Bildungsreformen, die nur auf das Einsparen finanzieller Mittel aus sind, zu nichts führen. Darum ging es in diesem Interview aber weniger. Es stellt eine Schule vor, die von einer Schule für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu einer Schule für alle geworden ist (hier ist also der umgekehrte Weg gegangen worden). Die Richtung ist dabei allerdings völlig egal, das funktioniert meines Erachtens auch gut an staatlichen Regelschulen, die inklusiv werden wollen – vorausgesetzt, die Schulen erhalten auch tatsächlich die benötigte Unterstützung durch Sonderpädagogen, Ausstattung etc. Wer meint, dabei noch Geld sparen zu können, irrt sicherlich gewaltig.