Gruppenarbeit ist zwar eine beliebte Arbeitsform bei den Schülerinnen und Schülern, doch endet sie nur allzu oft im Chaos. Viele Schüler beschäftigen sich mit anderen Dingen oder arbeiten erst gar nicht mit, während andere diktatorisch die Gruppenführung an sich reißen. Ein Gruppenpuzzle kann hier Abhilfe schaffen.

Gruppenarbeit in der 8c
Gruppenarbeit in der 9c

Englisch in der 9c, heute steht das Thema „Industrialization in Sheffield“ auf dem Plan. Ein längerer Text soll mithilfe einer Mindmap strukturiert und der Inhalt anschließend vor der Klasse präsentiert werden. Und um der Textarbeit wenigstens etwas mündliche Interaktion zu entlocken, habe ich als Sozialform die Gruppenarbeit gewählt. Vorab soll der Text aber erst einmal in Einzelarbeit erschlossen werden. So weit, so gut. Nach der Gruppenaufteilung geht es dann bei einigen Gruppen auch gleich in die heiße Phase, es wird wild diskutiert (sogar auf Englisch!) und die ersten Schlagworte landen auf den großen A2-Plakaten. Leider gibt es aber wie immer die üblichen Verdächtigen: Finn in der Gruppe hinten links gähnt demonstrativ gelangweilt, um dann seinen Kopf für ein kurzes Nickerchen auf dem Tisch abzulegen. Die anderen in der Gruppe, dadurch nicht gerade motiviert, fangen an, über ihre Wochenendplanung zu sprechen. Nach mehrmaligem Ermahnen tut man zumindest so, als würde gearbeitet. Auch Elif hat ihre Gruppe voll im Griff, hier wird über die neuesten Modetrends diskutiert und warum „Germany’s next Topmodel“ nicht mehr angesagt ist. Wenn hier schon über Mode gesprochen wird, dann aber auf jeden Fall „in English, please“! Die Doppelstunde neigt sich dem Ende zu, noch gut 20 Minuten für die Präsentation der Mindmaps.
Fehlende Verantwortlichkeit demotiviert
Nicht alle sind begeistert bei der Sache
Nicht alle sind begeistert bei der Sache

Eine Gruppe, die schon zuvor durch regen Austausch und gutes kooperatives Arbeiten aufgefallen ist, meldet sich freiwillig und präsentiert eine rundum gelungene Mindmap – gut strukturiert und mit allen wichtigen Begriffen. Dann kommt erst einmal nichts mehr, sodass ich eine Gruppe bestimme, die als nächste präsentieren soll: Es ist Finns Gruppe. In der Gruppe scheint sich niemand für die Präsentation verantwortlich zu fühlen, man windet sich hin und her und kommt schließlich zu dem Schluss, dass man nicht genug Zeit gehabt habe, um eine vernünftige Mindmap anfertigen zu können. Ähnlich ziehen sich auch vier weitere Gruppen aus der Affäre. Lediglich eine weitere Gruppe kommt zu einem angemessenen, wenn auch nicht überragenden Ergebnis. Das traurige Resultat der Gruppenarbeit: eine sehr gute, eine durchaus brauchbare und fünf nicht fertiggestellte, kaum brauchbare Mindmaps. In Zahlen heißt das, nur knapp 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben das Unterrichtsziel erreicht. Das macht mich traurig und nachdenklich: Warum hat es nicht geklappt? In einer kurzen Reflexionsphase stellt sich heraus, dass einige der Schülerinnen und Schüler den Text zu lang und zu anspruchsvoll fanden. Die meisten jedoch fühlten sich durch diejenigen demotiviert, die sich von Anfang an aus der Gruppenarbeit herausgehalten und nicht mitgearbeitet haben.
Experten gesucht
In der Pause treffe ich eine Kollegin, die sich gut mit innovativen Unterrichtsmethoden auskennt. Ich schildere ihr meine gerade erlebten Erfahrungen. Sie überlegt kurz und fragt mich dann, ob ich das Gruppenpuzzle kenne. Gruppenpuzzle!? Ja, da war doch was – im Referendariat. Ist das nicht diese Methode, bei der sich die Zusammensetzung der Gruppen während der einzelnen Arbeitsphasen ändert und es sogenannte Experten gibt? Ja, so in etwa. Also, bei einem Gruppenpuzzle wird die Klasse wie bei der Gruppenarbeit in gleich große Gruppen eingeteilt, die alle an demselben Oberthema arbeiten. Innerhalb der Gruppe bekommt jeder Schüler allerdings eine Teilaufgabe, die er zunächst alleine bearbeitet. Bevor die Ergebnisse dieser Teilaufgaben in der eigenen Gruppe besprochen werden, finden sich die Schüler in „Expertengruppen“ zusammen, in der diejenigen Schüler aufeinandertreffen, die an derselben Teilaufgabe gearbeitet haben.
Schematische Darstellung des Ablaufs eines Gruppenpuzzles
Schematische Darstellung des Ablaufs eines Gruppenpuzzles

Jetzt werden die Ergebnisse diskutiert und besprochen, wie man diese am besten den anderen Teammitgliedern vermitteln kann. Nach den Expertenrunden kehren die Schüler in ihre ursprüngliche Gruppe zurück und stellen der Reihe nach die Ergebnisse zu ihrem Teilgebiet vor. In der Gruppe werden die Teilergebnisse dann zu einem Gruppenergebnis zusammengefasst und z. B. vor der Klasse präsentiert. Hätte ich daran nur vorher gedacht! Beim nächsten Mal werde ich also den Text, der ja einigen Schülern ohnehin viel zu lang war, in sinnvolle Abschnitte aufteilen, sodass jedes Gruppenmitglied ein anderes Teilstück des Textes strukturieren und als Ast der Mindmap darstellen muss. Nach dem Austausch in den Expertengruppen werden dann in den ursprünglichen Gruppen die einzelnen Äste zu einer großen Mindmap zusammengefügt.
Gemeinsam zum Erfolg
Der große Vorteil dieser Methode ist, dass sich alle Schülerinnen und Schüler aktiv an der Gruppenarbeit beteiligen müssen, weil der Gesamterfolg der Gruppe von jedem Einzelnen abhängt, aber auch gleichzeitig nur durch die Zusammenarbeit im Team erreicht werden kann. Dass Einzelne nicht mitarbeiten, ist dann eigentlich gar nicht mehr möglich, weil ja jeder Schüler unverzichtbarer Experte für sein Teilthema ist. Mal ganz abgesehen von der Förderung der kommunikativen Fähigkeiten, schließlich muss jeder innerhalb der Gruppe zumindest einmal seine Ergebnisse präsentieren. Das ist mir als Englischlehrerin natürlich besonders wichtig.
Zum Abschluss eine neugierige Frage an die geneigte Leserschaft: Welche Erfahrungen habt ihr denn mit dem Gruppenpuzzle gemacht?
Weblinks:
Artikel zum Gruppenpuzzle im Vielfalt-Lernen-Wiki
Artikel zum Gruppenpuzzle im ZUM-Wiki
Ein Beispiel-Gruppenpuzzle zum Thema Seifen und Waschmittel auf der SINUS-Transfer-Homepage
Jessica Vogt