„Authentisch“, also „echt“ sein gehört zu den grundlegenden Erwartungen an jeden von uns – egal ob in der Familie, im Freundes- oder Kollegenkreis. Wer sich verstellt und nur so tut als ob, verliert schnell seine „Credibility“. Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind jedoch gerade in Lehr-Lern-Beziehungen von essentieller Bedeutung. Ohne die feste Überzeugung, dass der oder die Lehrer/in zuverlässig für das einsteht, was vermittelt werden soll, kann kein gelungener Lernprozess stattfinden. Geraten Lehrende erst einmal in den Verdacht, sich nicht oder sogar schlechter auszukennen als man selbst, ist die Lehrer-Lerner-Beziehung schnell und nachhaltig gestört.

Genau in diesem Dilemma sehen sich heute jedoch viele Lehrer/innen, wenn es um den Einsatz digitaler Medien im Unterricht geht. Lehrerende, die beispielsweise Schwierigkeiten haben, das Whiteboard oder den Klassenraum-PC in Betrieb zu nehmen, die eine entscheidende Informationsquelle im Web nicht kennen oder finden und nicht genau wissen, wie man beispielsweise eine Whatsapp-Gruppe einrichtet, müssen heute nicht nur mit spöttischen Bemerkungen ihrer Schüler rechnen, sondern vielleicht auch hinnehmen, dass Jugendliche diesen – aus ihrer Sicht entscheidenden – Kompetenzmangel auf die fachliche Kompetenzzuschreibung des Lehrers generell übertragen. Andersherum können besonders medienaffine Lehrer/innen durchaus Achtungspunkte bei Schülern sammeln.

In vielen Gesprächen mit Lehrern/innen aus unterschiedlichen Schultypen wird diese Frage immer wieder aufgeworfen: Wie kann man digitale Lernangebote im Unterricht sinnvoll einsetzen, wenn man dadurch ständig Gefahr läuft, als unkundig ertappt zu werden – oder gar als „dumm“ dazustehen –, und damit die eigene Lehrer-Rolle zu untergraben? Und ist es angesichts der schwindelerregenden Innovations-Dynamik nicht geradezu unvermeidlich, dass genau dies immer wieder passiert? Denn wer kann schon Schritt halten mit den Trends, Neuerungen und Updates der mobilen und sozialen Medienwelt? Wie schnell kann dagegen peinlich transparent werden, dass man scheinbar nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist – und zwar vor versammelter Klasse? Lässt sich dieser digitale Generations-Gap überhaupt vermeiden, etwa durch Lehrerfortbildung?

Wahrscheinlich kaum – und das ist auch nicht schlimm. Denn Lehrer/innen müssen und können, genauso wenig wie Eltern, immer die neuesten digitalen Gewohnheiten und Trends ihrer Schüler bzw. Kinder kennen – geschweige denn, den Kindern voraus sein. Grundlegende „Digital Literacy“, verbunden mit Neugierde und echtem Interesse reichen doch eigentlich völlig aus. Das Eingeständnis der eigenen Wissenslücken und Fragen im Umgang mit sozialen Medien ist sicher ein besserer Ausgangspunkt für authentische Kommunikation mit Schülern als angestrengtes Bemühen um „digitale Coolness“. Wenn allerdings versucht wird, mangelnde eigene Medienerfahrungen durch sorgenvolle Hinweise auf vermeintliche Risiken und Gefahren zu „legitimieren“, wird man sich nicht über die Skepsis der Schüler beklagen dürfen. Denn die neuen Medien sind ebenso wie alle klassischen, alten Medien im Kern „Erfahrungsgüter“: Ihr Wert und Sinn erschließt sich erst, wenn man sie selbst nutzt oder genutzt hat. Ist dies erkennbar nicht der Fall, so hält man sich – ob als Eltern oder Lehrer – mit Ratschlägen und gutgemeinten Tipps vielleicht besser zurück.