Lesen lernen ist kein Spiel. Selbst wenn es um Zauberer wie Harry Potter oder Detektive wie Die drei ??? geht, wirken Bücher im Vergleich zu digitalen Medien auf viele Kinder ziemlich eintönig. Online-Angebote wollen das ändern: zum Beispiel Antolin. Die Plattform bietet für mehr als 65.000 Kinder- und Jugendbücher Fragen zu Personen und Handlung.  „Was erhalten Ron, Hermine und Harry aus Dumbledores Erbschaft? Wodurch unterscheidet sich PotterWatch von anderen Radiosendern? Was findet Bob im Zeitungsarchiv der Bibliothek von Rocky Beach?“ sind da typische Fragen. Einer der fünf Millionen deutschen Nutzer ist Jan, ein neunjähriger Junge aus Hamburg, der früher Hörspiele liebte und Bücher verschmähte. Das änderte sich erst im zweiten Schuljahr, als Jans Lehrer Antolin einführte: Zu jedem gelesenen Buch konnten die Kinder auf der Internetplattform zehn Fragen beantworten und für richtige Antworten Punkte sammeln. Ob Das magische Baumhaus oder Der kleine Ritter Trenk: Sobald Jan mit einem Buch fertig war, rannte er zum Computer, loggte sich ein und machte sich an die Fragen. Das Feedback kam sofort, richtig oder falsch, verstanden oder nicht verstanden. Und Anerkennung gab es auch, je nach Leistung als Urkunde in Bronze, Silber oder Gold. „Ohne den spielerischen Ansatz von Antolin würde mein Sohn wahrscheinlich noch immer Hörspiele hören“, sagt Jans Vater. Spiele helfen, wenn die Lust am Lernen fehlt. Davon kann das bestehende Bildungssystem nur profitieren, denn zu wenig Aktivität und zu wenig Feedback bremsen die natürliche menschliche Wissbegierde. Zumindest geben laut einer amerikanischen Untersuchung fast alle Vorschüler an, gerne zur Schule zu gehen. Bei den Neuntklässlern ist das dann nur noch bei einem guten Drittel der Fall (siehe Verlaufskurve).

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Anteil der Schüler, die gern zur Schule gehen (USA); © Fullan 2012

 

Eigener Antrieb, Begeisterung und Neugier stehen beim institutionalisierten Lernen zu wenig im Fokus. Das Bildungssystem wird zum Spielverderber. Von der Spieleindustrie könnte es sich eine Menge abschauen. Erfolgreiches Lernen kombiniert Spaß und Ernst, Neugier und Disziplin, Feedback und Kontrolle. Das zeigt sich bereits beim simplen Bücher-Quiz Antolin. Wenn schon kleine Anreize wie virtuelle Punkte und Urkunden genügen, um die Lust am Lesen zu steigern, wie sehr könnte Bildung dann erst von der professionellen Spieleindustrie profitieren? Hier nur zwei Kriterien (mehr finden Sie im Buch „Die Digitale Bildungsrevolution“), die ein Computerspiel erfolgreich machen.

  • Ein gutes Spiel sorgt für Erfolg und Scheitern. Es darf nicht zu leicht, aber eben auch nicht zu schwer sein, sollte niemals langweilen, aber auch nicht dauerhaft überfordern. Der Schwierigkeitsgrad wird nach und nach gesteigert, Fortschritt kontinuierlich spürbar und jedes abgeschlossene Level zu einem Erfolgserlebnis. So meint man stets, es fast geschafft zu haben – und spielt genau deshalb weiter.
  • Auch Geschwindigkeit und unmittelbare Anerkennung sind wichtig für ein gutes Spiel. Nie wird der Spielfluss unterbrochen; ist ein Level geschafft, beginnt gleich das nächste. Wer etwas geschafft hat, kriegt dafür auch Anerkennung – sofort! Keiner muss wie in der Klasse auf die anderen warten, bis diese auch die Aufgaben geschafft haben.

Natürlich schafft es eine sehr gute Lehrerin auch ohne digitale Hilfsmittel, zu motivieren und Lernen erfolgreich zu gestalten. Sie kann ohne Big Data und die Kamera im Laptop die Emotionen ihrer Schüler erkennen, spürt, ob sie unterfordert oder gestresst sind, und passt das Lernpensum entsprechend an. Dennoch profitiert auch sie von den technischen Möglichkeiten: Simulationen, die komplexe Sachverhalte anschaulich machen; Selbstlernspiele für einige Schüler, die ihr die Möglichkeit geben, sich währenddessen intensiver um andere Kinder zu kümmern; frühzeitige Hinweise der Software, wenn sich durch geringen Lernfortschritt abzeichnet, dass ein Schüler in Schwierigkeiten gerät.

Gut umgesetzt, eröffnet die Digitalisierung breiten Zugang für alle, personalisierte Angebote und motivierende Lernsettings mit passendem Feedback. Doch erst wenn sich die Lernenden mit Hilfe des Internets vernetzen, wird eine neue Dimension der gesellschaftlichen Durchlässigkeit möglich.