An der Arizona State University sind rund 80.000 Studierende in mehr als 300 Studienfächern eingeschrieben. Die Universität nutzt für sie systematisch die Möglichkeiten von Big Data – eine Software gibt entsprechend persönlichem Profil und beruflichen Interessen Empfehlungen für die Wahl des Hauptfaches. Auf Basis der statistischen Erfahrung tausender Vergleichsdaten früherer Studenten empfiehlt das Programm die individuell passendsten Fächer. Hat sich der Student für ein Fach entschieden, navigiert ihn fortan der eAdvisor durch die Studienordnung. Wer einen Kurs abbricht oder unter einen bestimmten Notenschnitt fällt, wird zur persönlichen Beratung geschickt und erhält gegebenenfalls Vorschläge für ein alternatives Studienfach.

Ohne Daten kann der eAdvisor keine Empfehlungen geben – und erfasst dafür deutlich mehr als nur das reine Lernprofil: Das Programm greift auf Finanzdaten zurück ebenso wie auf Einträge aus den Studentenwohnheimen und der Campus-Polizei, um ein sich ankündigendes Scheitern früher absehen zu können. Die Maßnahme zeigt Erfolg: Statt wie früher 26 Prozent schaffen heute auch deshalb 42 Prozent der Studierenden ihren Abschluss in der Regelstudienzeit. Das ist ein großer Erfolg für eine Universität, die sich mit ihren Angeboten gezielt an Bildungsferne richtet. Es ist aber auch eine große Verpflichtung: Big Data darf weder zur vollständigen Überwachung noch Entmündigung führen. Algorithmenbasierte Empfehlungen sind nur akzeptabel, wenn der Kern der Privatsphäre gewahrt und die endgültige Entscheidung Sache des Studenten bleibt.

In Deutschland überwiegt die Skepsis, wenn es um Big Data in der Bildung geht. Die Hochschulen lassen die Möglichkeiten der digitalen Orientierungshilfe für ihre Studierenden weitgehend ungenutzt. Dabei täte Unterstützung im Dschungel der Studienmöglichkeiten auch hierzulande Not. Gut 25 Prozent der Studenten eines Jahrgangs brechen ihr Studium ab. Jeweils ein Drittel von ihnen war mit dem gewählten Fach entweder unzufrieden oder überfordert. Aber auch bei denjenigen, die ihren Bachelor abschließen, hätte bessere Orientierung helfen können: Jeder Vierte überschreitet die Regelstudienzeit um mehr als zwei Semester.

Um der wachsenden Zahl an Studierenden die nötige Orientierung zu geben, greifen analoge Methoden selbst bei gutem Willen zu kurz. Misstrauen, Unwissenheit oder restriktiver Datenschutz verhindern aber bisher den breiten Einsatz digitaler Orientierungshilfen an deutschen Hochschule. Wer scheitert, war eben nicht studierfähig. Dabei sind vor allem Fehlentscheidungen aus mangelndem Überblick der Grund, ein Studium abzubrechen.

Gerade Studienanfänger aus bildungsferneren Haushalten ohne etabliertes Akademikernetzwerk sind bei der Entscheidung für einen der mittlerweile über 18 000 Studiengänge an deutschen Hochschulen auf Unterstützung angewiesen. Die Masse an Optionen kann auch überfordern. Dabei ist die Entscheidung für das richtige Studienfach nur die erste Herausforderung, ihr folgt die oft nicht minder schwere Aufgabe, einen zu eigenem Zeitbudget und Anspruch passenden Stundenplan zu erstellen.

Wenn die Betreuung der Masse überfordert, dann sollte zumindest die Erfahrung der Masse genutzt werden. Millionen Menschen haben in Deutschland eine Hochschule besucht: Sie mussten sich für einen Bildungsweg entscheiden, darin wieder für einzelne Kurse. Manches haben sie rückblickend richtig gemacht, anderes nicht. Diese Muster des Scheiterns und des Erfolgs, millionenfach erlebt, bleiben allerdings im Verborgenen anstatt sie für die heutigen Studenten nutzbar zu machen. Hier könnten Big Data und Algorithmen ins Spiel kommen, mit deren Hilfe Programme wie eAdvisor Empfehlungen geben, die mit großer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen.

Dennoch: Die Vorstellung, dass Bildungs- und Lebenswege mittels Computeralgorithmen und Big Data geplant und gesteuert werden, klingt für viele mehr nach George Orwells Überwachungsstaat als nach Humboldts Bildungsideal. Es bedarf deshalb klarer Regelungen. Datenanalysen dürfen keine menschlichen Entscheidungen ersetzen und Verantwortung abnehmen. Sehr wohl aber kann ein Mehr an Information bei wichtigen Weichenstellungen im Leben helfen. Es gibt keine Erfolgsgarantie, dass eine Traumkarriere tatsächlich gelingt. Studenten müssen weiterhin hart arbeiten; es sollte ihnen aber die notwendige Orientierung ermöglicht werden, damit sie ihre Stärken nutzen können statt an ihren Schwächen zu scheitern. Dann kann ihnen die Digitalisierung in einem weiteren Schritt auch helfen, den passenden Job zu finden.

In Deutschland gibt es folgende Orientierungsangebote für Studieninteressierte: Hochschulkompass, Studium-Interessentest und Hochschulranking von CHE und ZEIT