Die digitale Bildungsrevolution braucht Daten, viele Daten. Nur so kann Lernsoftware als Bildungsoptimierer funktionieren, um möglichst vielen Menschen ein auf ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnittenes Lernen zu ermöglichen, um Orientierung im Bildungsdschungel zu geben und um rechtzeitig zu intervenieren, wenn Scheitern sich ankündigt. Doch die Nebenwirkungen der digitalen Bildungsrevolution können erheblich sein. Zu leicht werden irrelevante statistische Zusammenhänge fehlinterpretiert. Zu leicht werden Menschen zu Opfern von Wahrscheinlichkeiten. Zu leicht können persönliche Lerndaten zweckentfremdet und missbraucht werden.

Damit Big Data nicht in den digitalen Wilden Westen führt, sind Regulierung, Aufklärung und Selbstdisziplin nötig. Keiner will die Datenkrake, die unbemerkt alles über uns sammelt und verkauft. Aber genauso wenig sollte die Angst vor Missbrauch den für gute Bildung nötigen Fortschritt verhindern. Gerade neuen Technologien wird hierzulande oft mit Angst begegnet. Um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und zugleich unsere Kinder zu schützen, brauchen wir eine politische Debatte, eindeutige Gesetze, mehr Datensouveränität und eine Selbstverpflichtung aller Beteiligten.

Erstens: Wir müssen einen offenen und ehrlichen Dialog über den Umgang mit Daten und Datenschutz in der Bildung führen. Diese politische Debatte wird keine einfache sein, denn sie berührt unsere Gesellschaft in ihrem innersten Kern – der Privatsphäre. Die schwierigen politischen Auseinandersetzungen um die Gesundheitskarte oder den elektronischen Personalausweis zeugen davon, wie sensibel dieses Thema in Deutschland ist. Eine schlichte Kopie der Regeln anderer Länder wird daher nicht funktionieren. Eine groß angelegte deutsche Debatte ist deshalb der erste und wichtigste Schritt, um überhaupt ein breites Verständnis von und für Big Data in der Bildung zu schaffen.

Zweitens: Wir brauchen verbindliche Regeln. Der Gesetzgeber ist gefordert, einen einheitlichen, transparenten und für alle Beteiligten verständlichen Rechtsrahmen für die Nutzung von Bildungsdaten zu schaffen. Dieses Feld darf der Staat nicht einzelnen Unternehmen und Anbietern überlassen, auch wenn diese es noch so gut meinen. Denn wenn jeder Selbstregulierung nach eigenem Gutdünken betreibt, fehlt es an möglichen staatlichen Sanktionen bei Missbrauch. Das endet in Misstrauen. Verpflichtende Standards sind daher unerlässlich, erst recht, wenn es um die Daten Minderjähriger geht.

Drittens: Wir brauchen mehr Datensouveränität, nicht mehr Datenschutz. Wir dürfen nicht vor allem das Generieren und Sammeln, sondern müssen die Nutzung und Weitergabe von Daten regulieren. Der heutige Datenschutz beschäftigt sich vornehmlich damit, welche Daten erhoben und wie lange sie gespeichert werden dürfen. Ein digitalisiertes Bildungssystem lebt von der Bereitschaft, persönliche Daten preiszugeben. Nur so lässt sich ein individuell zugeschnittenes Curriculum generieren. Allerdings sollten diese Daten nicht ohne unsere Zustimmung weitergegeben und von anderen verwertet werden können. Konkret sollte der Gesetzgeber festlegen, dass jeder Bürger Eigentümer seiner Daten bleibt, die Nutzungsrechte aber zeitweise und zu klar definierten Zwecken an Dritte abtreten kann. Und damit jeder in der Lage ist, diese Entscheidungsbefugnisse adäquat auszuüben, muss Datensouveränität fester Bestandteil des schulischen Curriculums werden.

Viertens: Wir brauchen ein Bekenntnis aller Beteiligten, Daten nicht zu missbrauchen. Gesetze alleine reichen nicht aus, auch die Bildungsinstitutionen haben ihren Teil zu einem fairen Umgang mit Daten beizutragen. Das heißt, Schulen, Universitäten und Bildungsunternehmen müssen eine Selbstverpflichtung abgeben, die erhobenen Daten nur zur Personalisierung von Lernwegen und Unterstützung der Lernenden zu nutzen – und nicht zur Stigmatisierung und Selektion einzusetzen. Wer schwächere Leistungen erbringt oder mehr Förderung braucht, darf am Ende nicht durch höhere Schul- oder Unigebühren bestraft oder erst gar nicht aufgenommen werden.