Der aktuelle  „Hochschul-Bildungs-Report 2020“, den der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft in Kooperation mit der Unternehmensberatung McKinsey herausgegeben hat, kommt zum Schluss, dass die Hochschulen nach Meinung der befragten Unternehmen ihre Studierenden viel zu wenig auf die Anforderungen der Digitalisierung und „Arbeitswelt 4.0“ vorbereiten. Andere Bildungseinrichtungen haben sich dagegen inzwischen aufgemacht, genau dies zu tun. Ein Beispiel aus Hamburg ist die Staatliche Schule für Gesundheitspflege „W 4 in Wilhelmsburg. Für deren Leiter Reinhard Arndt ist das digitale Lernen der Schlüssel für individuelles und eigenverantwortliches Lernen, das schon seit 2010 zum Konzept der Schule gehört.

Neben 950 medizinischen Fachangestellten werden an der W4 knapp 900 zahnmedizinische und weitere 100 tiermedizinische Fachangestellte ausgebildet. Sie alle haben nun die Möglichkeit, auf ihren eigenen Smartphones oder, falls ein solches nicht vorhanden ist, auch auf Leihgeräten die App „n:cr-LMS“ zu installieren (next:classroom Learning Management System). Mit deren Hilfe können sie dann spielerisch und selbstgesteuert die multimedial aufbereiteten Themengebiete ihres Lehrplans erforschen.

Dazu braucht es allerdings etwas mehr als die App. Denn das Gegenstück zum mobilen Lernprogramm sind eine beeindruckende Großplastik und ein kunstvolles Wandrelief des menschlichen Körpers, das mit Sensoren bestückt ist. Die speziell für Mobilgeräte programmierte Lern-Software erlaubt es, aus diesem kunstvollen 3D-Körpermodell den jeweils passenden, multimedial aufbereiteten Unterrichtsstoff mehrerer 1000 Unterrichtsstunden abzurufen. Je nachdem wo die Schülerinnen sich physisch befinden, können sie mit ihrem Smartphone oder Tablet auf verschiedene Inhalte zugreifen: Seien das Infotexte, Spiele, Bilder oder Videos. Diese werden von Lehrern für die jeweiligen Wissensniveaus entsprechend bereitgestellt.

Mit Hilfe eines individuellen Lern-Portfolios können die Schülerinnen direkt überprüfen, welche Fortschritte sie machen und welche Inhalte sie noch bearbeiten müssen. Auf der anderen Seite bietet die App den Lehrern jederzeit eine Übersicht zum Wissens-Stand der Klasse oder einzelner Schüler.

Ein großer Teil dieser Lernprozesse findet dabei übrigens ganz bewusst selbstgesteuert statt. Nur etwa die Hälfte des Unterrichts wird verbindlich geplant. Den Rest organisieren die Schüler und Schülerinnen individuell. Und auch spielerische Elemente sind eingebaut: Man kann beispielsweise Lernpfade mit unterschiedlichen Levels durchlaufen – bei richtiger Lösung der Aufgaben öffnet sich eine Schatzkiste… Kurzum: Ein spielerisch-motivierender Ansatz, der den ohnehin ständig mit dem Smartphone hantierenden Schülerinnen und Schülern Spaß macht und zum eigenständig-forschenden Lernen anregt.

Selbstverständlich kann der multimediale Lernstoff auf das Smartphone oder Tablet gespeichert werden und jederzeit bzw. an jedem Ort beliebig bearbeitet werden: in der Klasse, auf dem Pausenhof oder zuhause. Das Projekt hat rund 100.000 Euro gekostet, etwa die Hälfte davon trug die Berufsschule, die damit einen sichtbaren Akzent auf zeitgemäße Formen der Wissensaneignung legt. Spätestens nach den Sommerferien soll der next:classroom richtig Fahrt aufnehmen. Bis dahin sind dann sämtliche 75 Lehrer am W 4 geschult.