Der Ausbau der Ganztagsschulen ist eine der größten Reformen im Bildungsbereich der letzten Jahrzehnte. Mit dem ganztägigen Lernen verbunden sind viele Hoffnungen auf mehr Leistungsfähigkeit und Chancengerechtigkeit im Schulwesen sowie der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein solcher Ausbau wird aber nur dann funktionieren, wenn das ganztägige Lernen von den Eltern akzeptiert wird. Wir haben deshalb 4.300 Mütter und Väter im gesamten Bundesgebiet befragt, wie zufrieden sie mit der Schule ihrer Kinder sind. Die gerade veröffentlichte Analyse „Wie Eltern den Ganztag sehen: Erwartungen, Erfahrungen, Wünsche“ beschäftigt sich insbesondere mit dem Perspektivvergleich von Ganztagsschuleltern und Eltern, deren Kinder eine Halbtagsschule besuchen – und zeichnet ein klares Bild: Ganztagsschuleltern sind in allen Belangen häufiger zufrieden mit den Schulen und Lehrkräften ihrer Kinder.

Einige Detailergebnisse in Kürze

  • Rund zwei Drittel aller Eltern von Ganztagsschülern bewerten die Angebote zur individuellen Förderung positiv – bei Halbtagsschuleltern ist gut die Hälfte zufrieden damit.
  • Fast zwei Drittel der Eltern von Kindern an Ganztagsschulen sind der Ansicht, dass die Lehrer mit unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen der Schüler umgehen können. Über Halbtagsschulen sagen das rund die Hälfte der betroffenen Eltern.
  • Die Möglichkeiten des eigenen Kindes, in seinem Tempo zu lernen, loben 66 Prozent der Ganztagseltern, bei den Eltern von Halbtagsschülern sind es 55 Prozent.
  • Die technisch-räumliche Ausstattung bewerten 80 Prozent der Eltern von Ganztagsschülern positiv im Vergleich zu 72 Prozent bei den Eltern von Kindern an Halbtagsschulen.
  • Sehr gut oder gut bewerten 77 Prozent der Eltern von Ganztagsschülern den sozialen Zusammenhalt in der Klasse ihrer Kinder, bei den Eltern von Halbtagsschülern sind es 71 Prozent.

Beim Vergleich der unterschiedlichen Organisationsformen von Ganztagsschulen – also die „klassische“ Unterscheidung zwischen offenem und gebundenem Ganztagsangebot bewerten Eltern bei vielen Fragen sehr ähnlich. Unterschiede zeigen sich allerdings insbesondere in der Frage nach der Angebotspalette zur individuellen Förderung: Hier punktet in den Augen der Eltern vor allem der gebundene Ganztag – 70 Prozent der Eltern von Kindern im gebundenen Ganztag geben hier ein positives Feedback. Im offenen Ganztag sind es 63 Prozent. Zudem sind im gebundenen Ganztag mehr Eltern (58 Prozent) mit der gezielten Förderung ihrer Kinder zufrieden als bei offenen Angeboten (51 Prozent).
Allerdings gibt es auch Aspekte, die Eltern an offenen Ganztagsschulen im Vergleich mit gebundenen Ganztagsschulen häufiger positiv beurteilen. Dazu zählt zum Beispiel die verlässliche Betreuung, etwa in den Schulferien. Mehr als die Hälfte aller Eltern an offenen Ganztagsschulen (54 Prozent) äußern sich diesbezüglich positiv, bei gebundenen Ganztagsschulen sind es nur 32 Prozent. Und auch das Essensangebot überzeugt an offenen Ganztagsschulen häufiger: Sechs von zehn Mütter und Väter (60 Prozent) halten die Mahlzeiten für gesund und ausgewogen im Vergleich zu 53 Prozent bei den Eltern von Kindern im gebundenen Ganztag.
Die Elternumfrage gibt zudem einen klaren Hinweis für die Bedarfslage von Eltern, was schulische Lern- und Betreuungszeiten betrifft: Viele Eltern wollen mehr und bessere Ganztagsschulen. So würden rund 30 Prozent der Eltern von Halbtagsschülern ihr Kind an einer Schule anmelden, die das ganztägige Lernen anbietet, wenn sie heute nochmal vor der Entscheidung stehen würden. Allerdings sagt zugleich jeder Dritte dieser Eltern, dass es in Wohnortnähe kein solches Angebot gibt.
Außerdem wünschen sich die Ganztagsschuleltern mehr Qualität an der Schule und in den Klassen ihrer Kinder: Auf der Wunschliste von knapp der Hälfte dieser Eltern ganz oben steht die weitere Verbesserung der individuellen Förderung, die bessere Personalausstattung und der intensivere Austausch mit der Schule bzw. den Lehrkräften ihres Kindes. Vier von zehn Eltern hätten zudem gerne eine größere Bandbreite in den (Lern-)Angeboten und sehen eine bessere Verzahnung von Vor- und Nachmittag als notwendig an.

Wie soll es also weitergehen: Ableitungen und Folgerungen für die Ganztagsschulentwicklung

Eltern wünschen sich also den weiteren Ausbau guter Ganztagsschulen, die ihre Kinder individuell fördern. Die aktuellen Zahlen der offiziellen Schulstatistik zeigen, dass dieser Ausbau weiter vorankommen muss. Denn auch wenn im Schuljahr 2014/15 mittlerweile 37,7 Prozent der Schüler Zugang zu einer Ganztagsschule hatten, so bedeutet dies im Umkehrschluss, dass über 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland immer noch nicht ganztägig lernen können – Hortangebote nicht mitgerechnet.
Neben dem Ausbau der Ganztagsschulen müssen wir auch den Blick auf ihre Qualität werfen: Die zentrale Frage ist, unter welchen Bedingungen Ganztagsschulen positive Wirkungen entfalten. Ganztagsschulen mit verpflichtender Teilnahme über den ganzen Tag sind hier besser aufgestellt als offene Ganztagsschulen. Aber nicht einmal jeder fünfte Schüler hat Zugang zu einer solchen gebundenen Ganztagsschule – also zu der Form der Ganztagsschule, die durch ihre besonderen Rahmenbedingungen und nach Einschätzung der Eltern am besten individuell fördert.
Allerdings unterscheiden sich gebundene Ganztagsschulen untereinander ebenfalls stark, wie ein Vergleich ihrer Ausstattung zwischen den Bundesländern zeigt. Entscheidend für die Wirkung im Blick auf größere Chancengerechtigkeit ist die individuelle Förderung der Kinder. Hier gibt es noch erheblichen Verbesserungsbedarf in Ganztagsschulen, auch in der gebundenen Form. Nur eine Qualitätsoffensive, die Bund und Länder gemeinsam voranbringen und die Ganztagsschulen mit den nötigen zeitlichen und personellen Ressourcen für eine umfassende individuelle Förderung ausstattet, wird für eine bessere Leistungsfähigkeit und Chancengerechtigkeit des Schulwesens sorgen.