Am 14.2. konnte ich an einem spannenden Abend im Rahmen der Didacta teilnehmen: Dem „Digital Dinner“, das gemeinsam vom „Bündnis für Bildung“ und der Didacta organisiert wurde. Zentrales Thema war die deutsche „EdTech“-Szene. Einige ihrer Repräsentanten – oder müsste man besser sagen: Aspiranten? – hatten sich bereits beim StartEdTech Pitch am Nachmittag präsentiert. Dabei waren drei Teilnehmer ausgewählt worden, die sich im Rahmen des Dinners nochmals vorstellen durften. Der Hauptpreis (ein HP Notebook mit Microsoft Lizenzen sowie Coaching/Beratung durch Bildungsverlage) ging schließlich an das ESF-geförderte Leipziger Unternehmen Tutory, das einen Online Editor zur Gestaltung von Unterrichtsmaterialien entwickelt hat und sich explizit der OER-Idee verpflichtet sieht.

Bevor das „Rotating Dinner“ – mit zwingendem Tischwechsel nach jedem Gang – jedoch richtig losging, konnten Alex und Nico vom inzwischen allseits bekannten TheSimpleClub eine gleichermaßen energische wie ambitionierte Dinner-Speech beisteuern – vorgetragen im gewohnt lässigen Simple-Jargon („Okay Leute: Wir erzählen euch jetzt mal wie digitale Bildung wirklich funktioniert…“) – inklusive hübscher Visualisierungen des traditionellen Schulunterrichts als holpernde Pferdekutsche über Stock und Stein.

Als Gastgeber des Abends und zugleich maßgeblicher Treiber hinter der Didacta EdTech-Initiative wirkte Martin Hüppe: Ex-Geschäftsführer bei Cornelsen und Klett und inzwischen Geschäftsführer beim Bündnis für Bildung e.V sowie dem Didacta Verband e.V. Auf ihm ruht, so Didacta Vorstand Wassilios E. Fthenakis in seiner Begrüßungsrede, auch die Hoffnung einer künftig noch klareren digitalen Positionierung der Didacta insgesamt: Hüppe sei das „digitale Herz“ des Verbandes. Dieser selbst betonte in seiner kurzen Eröffnungsrede vor allem die großen Erwartungen an das weitere Wachstum der EdTech-Szene – auch in Deutschland, wenngleich deren Entwicklung hierzulande noch am Anfang stünde und geprägt sei von den Bedingungen eines recht komplizierten Marktes.

Interessant waren aber vor allem die Tischgespräche mit Menschen, die z.T. bereits seit vielen Jahren und Jahrzehnten als Anbieter – z.B. von Geräten, Lehr- und Lernmaterialien – im Schulbereich unterwegs sind. Vergleicht man deren Anekdoten aus der Print-dominierten schulischen Medienrealität einerseits mit der Web-begeisterten Feature-Verliebtheit der Startups andererseits, so könnte der Kontrast kaum stärker sein. Die Frage, wie zum Beispiel die zumeist „in Schuhkartons aufbewahrten Arbeitsblätter aus 20 Jahren Unterricht“ ihren Weg in die künftige OER-Cloud finden sollen und wodurch Lehrer dazu motiviert werden könnten, dies zu tun, beschäftigte meine Tischrunde fast während des gesamten ersten Ganges (Salat mit Garnelen) hinweg.

Ein gern thematisiertes Problem waren auch die sporadisch genutzten Whiteboards in den Klassenräumen – vorzugsweise diejenigen ohne funktionierende Lampen, weil diese aufgrund beschaffungsrechtlicher Hürden nicht ausgewechselt werden. Oder der Siegeszug der Dokumentenkamera, die offensichtlich drauf und dran ist, dem Overheadprojektor endgültig den Garaus zu machen (zumindest solange die Lampen funktionieren). Nicht zu reden von dem immer wieder süffisant hervorgehobenen „vorzüglichen WLAN“, dem „erstklassigen IT-Support“ und den „hilfreichen BYOD-Strategien“ an den Schulen. Auch dass die deutsche Lehrerschaft so ziemlich die letzte Berufsgruppe im digitalen Zeitalter sei, zu deren Standard-Arbeitsausstattung weder Laptops noch Smartphones gehören, die obendrein keinen schulischen Arbeitsraum und – anders als in den USA – nicht einmal ein Klassenzimmer ihr Eigen nennen, wurde kritisch problematisiert. Mehr als genug Themen also für einen längeren Hauptgang, zu dem ein sehr saftiges Rindersteak mit Möhrchen bzw. eine nicht näher inspizierte vegetarische Alternative gereicht wurde.

Weniger kritisch, aber durchaus kontrovers wurde schließlich zum Nachtisch (Schokoladen-Mousse) auch eines der Lieblingsprojekte der „Internetbotschafterin“ Gesche Joost diskutiert: „Calliope mini“, von dem manche sogar erwarten, dass es das „Schulsystem revolutioniert“. Aber können es die empfindlichen Sensoren auf der fragilen Platine wirklich mit dem Smartphone aufnehmen und werden die Drittklässler die zugehörigen Drähtchen und Leuchtdioden nicht einfach zwischen all ihren Pausenbroten, Ordnern und Arbeitsblättern zerquetschen? Man weiß es noch nicht, es bleibt abzuwarten: Die ersten Praxiserfahrungen und didaktischen Szenarien werden derzeit in einem von der Körber Stiftung geförderten Pilotprojekt in Hamburg gesammelt.

Nach einem langen Abend mit anregenden Tischnachbarn, gutem Essen und drei alkoholfreien Stuttgarter Hofbräu verließ ich das „Pier 51“ in Degerloch mit zwei Eindrücken: Erstens können sich die prämierten EdTech Startups auf wirklich interessante Coachings mit den etablierten Playern freuen, und zweitens können sich die klassischen Schulbuchverlage relativ entspannt zurücklehnen: Die Disruption – jedenfalls die der Institution Schule – wird vielleicht doch noch etwas auf sich warten lassen.