Massive Open Online Courses, kurz MOOCs, haben vor allem die Hochschulwelt in den letzten Jahren aufgerüttelt und die digitale Bildungsrevolution mit verursacht. Allerdings schließen längst nicht alle, die sich in einen Kurs einschreiben, auch ab. Es stellt sich die Frage: Sind MOOCs überhaupt für jeden etwas? Sabrina Thom wagt den Selbstversuch. 

Ich war zuerst skeptisch: Lernen ohne feste Strukturen, komplett virtuell, mit tausenden von anderen Teilnehmern und nur die Inhalte, die man selbst wirklich interessant findet – ob das gut gehen kann? Das Konzept der frei zugänglichen und in der Regel kostenlosen MOOCs (Massive Open Online Courses) machte mich aber so neugierig, dass ich einige Kurse ausprobierte. Ich wählte verschiedene Anbieter und Themen und beschäftigte mich schließlich mit Webtechnologien (open.hpi.de), der Reformationsgeschichte (mooin.oncampus.de) und dem Digitalen Lernen in Unternehmen (iversity.org). Die Kurse starten meist mit einem kurzen Willkommensvideo der MOOC-Dozenten. Sie erläutern die Kursziele, Aufgabenstellungen und geben einen ersten inhaltlichen Input. So weit so gut. Der Austausch mit anderen Teilnehmern ist ganz entscheidend für das „Dranbleiben“. Ich musste allerdings bei mir eine gewisse Hemmung feststellen, direkt loszuschreiben. Manche Plattformen arbeiten daher mit „Gamification-Elementen“, zum Beispiel mit einer Punktevergabe für bestimmte Leistungen oder mit sogenannten „Badges“, also symbolischen Auszeichnungen die man beispielsweise dafür erhält, dass man aktiv am Forum teilgenommen hat. Ich konnte feststellen, dass solche Badges oder auch grüne Fortschrittsbalken für mich manchmal so motivierend waren, dass ich tatsächlich weitere Videos anschaute oder bestimmte Aufgaben löste. Als Pädagogin musste ich manchmal darüber schmunzeln, wie einfach Lernmotivation zu erreichen ist.

Allerdings folgte bei mir nach der anfänglichen Neugier für das Thema und das Kurskonzept meist eine Phase der Ernüchterung, in der ich dem Kurs immer weniger Aufmerksamkeit schenkte. Aufgrund der frei wählbaren Lernzeiten gibt es zudem keine Verpflichtungen sich einzuloggen, um beispielsweise die nächsten drei Videos und Tests durchzuarbeiten. Eine Kurswoche ist allerdings schnell vorbei und es artet durchaus in Anstrengung aus, wenn die Aufgaben dann nachgeholt werden müssen, um in einem moderierten MOOC nicht ganz abgehängt zu werden. Genau an dieser Stelle ist eine hohe Selbstdisziplin notwendig. Ich muss gestehen, dass bei mir manche MOOCs daran gescheitert sind, dass ich zwischendurch den Anschluss verloren habe, weil mir andere Dinge wichtiger waren. Wenn ich dann nur noch ab und zu mal reinschaute, war der Kurs im Grunde für mich erledigt.

Natürlich geht es nicht nur mir so. Trotz abwechslungsreicher didaktischer Gestaltung durch den Einsatz von Videos, Podcasts, kurzen Texten und Selbstlerntests ist die Abbrecherquote bei MOOCs sehr hoch. Nicht einmal 10 Prozent absolvieren den einmal begonnenen MOOC.

Im letzten Monat hatte ich dann aber doch Erfolg: Ich konnte einen MOOC komplett durchführen und abschließen – sogar mit Auszeichnung. Dafür war vor allem ein spannendes Thema („Design Thinking“) verantwortlich, in dem ich bereits einiges Vorwissen hatte und mich daher auch gut im Forum einbringen konnte. Trotzdem: Ohne Selbstdisziplin geht es nicht. Sich immer wieder selbst zu motivieren ist unerlässlich – und drei Wochenenden mit viel Regen waren sicherlich auch ganz hilfreich.

Das Lernen mithilfe von MOOCs ist für mich eine kostengünstige und zeitlich flexible Alternative zu herkömmlichen Weiterbildungsveranstaltungen. Interessante Themen werden didaktisch gut aufbereitet und das Engagement der meisten Professoren oder Lehrenden, die sich für die Erstellung und Durchführung eines MOOCs entscheiden, ist so motivierend, dass es manchmal richtig ansteckend wirkt.

Kritiker bemängeln an MOOCs auch die nachweisbar geringe Teilnahme von Nicht-Akademikern, obwohl das offene Konzept genau dies ermöglichen würde. Tatsächlich erreichen MOOCs bisher vorrangig jüngere Akademikerinnen und Akademiker. Das liegt einerseits natürlich an den zumeist recht akademischen Themen. Aber es gibt auch andere Hürden zu überwinden, z.B. sprachlicher Art. Einige MOOCs richten sich zwar an eine breite Öffentlichkeit, finden dann aber ausschließlich in Englisch statt.

So zeigen die Ergebnisse des „Monitor Digitale Bildung“ zum Thema Weiterbildung, die voraussichtlich im Dezember 2017 veröffentlicht werden, dass MOOCs den meisten Menschen bisher nicht bekannt sind. Nach den Befunden der repräsentativen Bevölkerungsbefragung hat gerade mal 1 Prozent bereits an einem MOOC teilgenommen. Immerhin gaben 10 Prozent an, MOOCs zu kennen.

Dabei gibt es mittlerweile eine große Auswahl an Anbietern mit unterschiedlichen Ausrichtungen hinsichtlich Thema und Zielgruppe (vgl. Tabelle 1).

Deutschsprachige MOOC-Anbieter wie mooin.oncampus oder die österreiische Plattform iMooX versuchen Themen anzubieten, die nicht ausschließlich Akademiker ansprechen. Oncampus, eine Einrichtung der Fachhochschule Lübeck, bietet beispielsweise einen Reformations-MOOC, einen Deutschlern-MOOCs und sogar einen Volleyball-Trainer-MOOC. iMooX spricht insbesondere Lehrkräfte aus dem Schul- und Weiterbildungsbereich an. Die Webseite Open.hpi bietet kostenlose Kurse zum Thema Datenschutz und Webtechnologien an. Auch wenn wie erwähnt viele Online-Kurse auf Englisch sind und eher akademisches Niveau haben, richten sie sich doch an die breitere, interessierte Öffentlichkeit. Insgesamt finde ich es sehr bereichernd, mit Hilfe dieser oft sehr hochwertigen Kurse meinen privaten und beruflichen Interessen nachzugehen und mich in interessanten Themenfeldern, sei es aus der Informatik, der Geschichte oder dem kreativen Bereich weiterzubilden, obwohl ich das nicht studiert habe. Da die von mir besuchten Kurse unterschiedliche Zielgruppen ansprachen, waren sie auch überwiegend sehr verständlich und dennoch anspruchsvoll gestaltet.Wer allerdings nicht gern alleine lernt und den sozialen Druck anderer Teilnehmender benötigt, wird es sicherlich etwas schwerer haben, sich über mehrere Wochen durchgehend zu motivieren. Hilfreich könnte es sein, die Unverbindlichkeit und Anonymität dadurch abzuschwächen, dass man beispielsweise Freunde in den MOOC einlädt und sich mit diesen verabredet, gemeinsam zu bestimmten Zeiten zu lernen.