Virtual Reality und reales Lernen waren lange Zeit nicht nur begrifflich zwei Welten. Das ändert sich allmählich: Eine zentrale Erkenntnis beim Gang über die Learntec 2018 war sicherlich die starke Zunahme von Virtual-Reality-Anwendungen zum Lernen, mit denen die Aussteller warben. An einem Stand konnte man im dreidimensionalen Raum die Mondlandung von 1969 aus dem Inneren der Landefähre erleben und anschließend die amerikanische Flagge in den Mondboden stecken. Die Firma Mobfish aus Wolfenbüttel präsentierte die  App „Beruf VR“ im Auftrag der IHK Braunschweig. Diese App bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, mittels 360-Grad-Video Auszubildende an ihren Arbeitsplätzen zu beobachten und so mehr über bestimmte Ausbildungsberufe zu erfahren.

So oder so sind VR-Lernanwendungen im wahrsten Sinne des Wortes „Hingucker“. Messebesucher, die mit 3D-Brillen etwas unbeholfen einen computergenerierten Raum erkunden, wecken mit Sicherheit mehr Interesse am Digitalen Lernen als Bildschirme, auf denen die Teilnehmerverwaltung eines Lernmanagementsystems gezeigt wird. Und wer eine solche Brille testet, kann sich nur schwer dem immersiven „Wow-Effekt“ entziehen.

Die Expertinnen und Experten der E-Learning-Branche sind optimistisch, was die Zukunftsfähigkeit des virtuellen Lernens betrifft. Etwas mehr als ein Drittel aller Befragten (34 %) im „mmb Learning Delphi“ attestieren den „Lernumgebungen in virtuellen 3D-Welten“ eine zentrale Bedeutung als Lernform in den nächsten drei Jahren.  Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zustimmung in dieser Höhe gefestigt (2016: 33 %). Im Jahr 2015 waren es übrigens nur 12 Prozent. Noch größer ist übrigens die prognostizierte Bedeutung für „Augmented Reality“ (2017: 45 %).

Doch betrachtet man viele gängige VR-Anwendungen, mit denen E-Learning-Hersteller und große Unternehmen jetzt für sich werben, stellt sich die Frage: Ist das wirklich schon Virtual Reality zum Lernen? Zur Zeit stehen eher andere Funktionen von Virtual Reality im Vordergrund: Entertainment, Marketing und die Werbung für das Medium selbst.

Die Bildungsbranche und die Unternehmen bauen hier eindeutig auf den „Wow-Effekt“, den die VR-Brille bei der ersten Nutzung erzeugt. Das hilft, auf eine neue Technologie aufmerksam zu werden, sich für ein innovatives Lernprodukt zu interessieren oder einen neuen Ausbildungsberuf kennenzulernen. Mit VR wird auch ein Image transportiert: Wer Virtual Reality Learning einsetzt, steht für Hightech. Und das wertet Berufe wie Packmitteltechnologe oder Einzelhandelskaufleute auf.

Unklar ist allerdings, ob man mit dem Immersionseffekt der VR-Brille tatsächlich mehr über einen Beruf lernt und ob sich der Aufwand im Vergleich zu einem einfachen Videofilm lohnt, denn die Kosten für 360-Grad-Videos und erst recht für die Generierung virtueller Räume sind nach wie vor hoch.

Irgendwann wird ein Großteil der Bevölkerung schon einmal eine 3D-Brille genutzt haben. Dann weicht der „Wow-Effekt“ der Normalität und viele Marketing-Anwendungen mit VR-Brillen werden verschwinden. Entscheidend für die virtuelle Zukunft des Lernens wird sein, was an deren Stelle tritt. Gut möglich, dass schon die nächste Learntec beim Virtual Reality Learning stärker die Didaktik in den Vordergrund stellt. Wünschenswert wäre es jedenfalls, über didaktische Konzepte und Standards für das virtuelle Lernen nachzudenken. Einige Ideen dazu wird ein weiterer Blogbeitrag liefern, der in Kürze an dieser Stelle erscheint.