In den vergangen Blogbeiträgen zur Strategiekonferenz am 24.09.2018 wurden mit den Themen Diversity und Kompetenzentwicklung wichtige Ziele für den digitalen Wandel in der Hochschullehre sowie erste Herausforderungen beleuchtet. Doch wie können Hochschulen diesen Wandlungsprozess managen? Wie unterscheidet sich dieser von Veränderungsprozessen in anderen Organisationen? Dr. Anja Ebert-Steinhübel, Leiterin des Learning Leadership Institute, IFC EBERT in Nürtingen, geht in ihrer Session Change 2.0 – Vom Managementprozess zum lernenden System“ der Frage nach, welche Veränderungsprozesse, Maßnahmen und Methoden sich dafür eignen, den Digital Turn an Hochschulen nachhaltig umzusetzen. 

Kaum eine Firma, kaum eine Einrichtung oder Institution, die angesichts der Digitalisierung nicht vor der Herausforderung stände, bestehende Abläufe, Routinen und Prozesse gründlich zu überdenken und neue Kompetenzen und Skills aufzubauen. Kurz: Auf der Agenda vieler Unternehmen und Organisationen steht das Thema Change weit oben – häufig angestoßen durch neue Technologien und Wettbewerber, nicht selten auch durch steigenden Effizienzdruck oder veränderte Markt- und Kundenerwartungen.

Organisatorische Veränderungsprozesse dieser Art, davon ist Anja Ebert-Steinhübel überzeugt, können nicht „Top Down“ verordnet werden, wenngleich die Frage nach „guter Führung“ und, eng damit zusammenhängend, erfolgreicher Kommunikation durchaus essentiell sei. Ebenso wichtig sei es jedoch, Veränderung von Anfang an so zu gestalten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl die dahinterstehenden strategischen Ideen teilen, als auch entsprechend befähigt und qualifiziert werden. Denn „Change“, so Ebert-Steinhübel, „gelingt nur über die Menschen“, und die reagieren eben nicht immer a priori begeistert und positiv motiviert auf Wandel. Viel häufiger sei hingegen mit Desinteresse, Vorbehalten oder sogar Widerstand zu rechnen, wobei, dies betont Ebert-Steinhübel, solchen Verweigerungshaltungen meistens Ängste, Befürchtungen oder einfach Unwissenheit zugrunde liegen. Die richtige Antwort auf derartige Einstellungen sei daher nicht „Druck von oben“, sondern ein Mix aus Strategie und Psychologie, Befähigung, Kommunikation und Entscheidungstransparenz.

Was bedeutet dies im Blick auf den anstehenden „Digital Turn“ der Hochschulen? Nach vielen Jahren, um nicht zu sagen, Jahrzehnten einer bislang nur mäßig erfolgreichen digitalen Umgestaltung der Hochschulen, geht es laut Ebert-Steinhübel heute mehr denn je darum, das „Faktum der digitalen Transformation“ endlich anzuerkennen und die akademische Lehre inhaltlich wie auch didaktisch entsprechend neu auszurichten. Die strategischen Eingangsfragen lauten mithin: Was bedeutet gute Lehre in Zeiten der Digitalisierung, Internationalisierung und veränderter Demographie? Welche fachlichen und methodischen Anforderungen stellen sich im Zuge umfassender Automatisierung und Vernetzung in einer globalisierten Lebens- und Arbeitswelt 4.0?

Ausgehend von diesen Fragen muss laut Ebert-Steinhübel zunächst einmal jede Hochschule für sich die Frage nach ihren übergreifenden Zielen und Leitideen beantworten. Dies sollte idealerweise unter Einbeziehung möglichst vieler Mitglieder und Leistungsbereiche einer Hochschule geschehen – allerdings nicht im Sinne einer Entscheidungsdelegation von der Hochschulleitung in einen diffusen „Bottom Up“ Prozess. Notwendig sei vielmehr – auch und gerade an Hochschulen – ein permanenter Abstimmungsprozess aller Hochschulmitglieder unter aktiv-steuernder Mitwirkung der Führungsverantwortlichen. Letztere sollten sich allerdings immer wieder bewusst machen, dass Führung in erster Linie Entscheidungsfindung bedeutet, und zwar in enger Verbindung mit Wertschätzung, Sinngebung und Kommunikation. Es reiche nicht, einer Organisation Ziele, Strategiepapiere oder Leitbilder vorzugeben, unverzichtbar sei hingegen ein nachhaltiges und durchaus persönliches Vorleben und „Commitment“.

Hochschulen, so Ebert-Steinhügel, laufen Gefahr, ihre gesellschaftliche Legitimation zu riskieren, wenn sie – gerade auch in ihren Lehrangeboten – nicht dazu in der Lage sind, auf die Anforderungen einer sich rasch und tiefgreifend verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftliche Realität zu reagieren. Diese Erkenntnis sowie die präzise Beschreibung der neuen Anforderungen und Aufgaben stehen am Beginn eines jeden hochschulischen Change-Prozesses. Erst auf dieser Grundlage kann dann, wie es Ebert-Steinhübel formuliert, die „Organisationswerdung“ der Institution Hochschule stattfinden: als ein Prozess, in dem sich alle Menschen in dem System auf die erkannten neuen Herausforderungen beziehen und damit gemeinsam lernen. Im Idealfall können so intrinsische Motivlagen entstehen. Manchmal helfen aber auch externe Anreize, um bestimmte Verhaltensänderungen zu befördern. Allerdings sollte dabei nicht übersehen werden, dass Incentives, gleich welcher Art, nur dann „wirken“, wenn die Grundidee geteilt wird und Veränderungsprozesse bereits im Gange sind.

Ebert-Steinhübel verweist darauf, dass Hochschulen ganz besondere Institutionen sind, die anders auf Innovationen reagieren als beispielsweise Unternehmen. Dennoch gibt es viele vergleichbare Mechanismen, die Veränderung ermöglichen oder auch verhindern. Im Workshop „Change 2.0 – Vom Managementprozess zum lernenden System“ bei der Strategiekonferenz des Hochschulforum Digitalisierung werden einige davon genauer in den Blick genommen und kritisch hinterfragt. Denn, darin ist sich Ebert-Steinhübel sicher: Veränderungsprozesse sind primär Selbsterkenntnisprozesse. Je besser diese bezeichnet, benannt und kommuniziert werden, desto größer die Erfolgschance von Change-Management-Prozessen an Hochschulen.