Am 1. Oktober dieses Jahres startete die Arbeit am „KI-Campus“. Beauftragt durch das BMBF entwickelt nun ein Konsortium aus Stifterverband, DFKI, HPI, neocosmo und mmb Institut eine neue Bildungsplattform für Künstliche Intelligenz. Bereits Ende 2020 sollen erste Angebote online gehen – bis 2022 soll die Plattform dann passgenaue Kurse und Inhalte für KI-Interessierte und Anwender ebenso wie für KI-Experten, Studierende und Wissenschaftler anbieten.

Künstliche Intelligenz (KI) gilt als Schlüsseltechnologie unserer Zeit. In so unterschiedlichen Arbeitsfeldern wie der Medizin, dem Maschinenbau, der Rechtswissenschaft oder auch der Pädagogik übernehmen komplexe Algorithmen die Verarbeitung von Daten in einem Umfang und mit einer Effizienz, die durch Menschen nicht mehr leistbar ist. Und auch in unserem Alltag hat KI längst einen festen Platz: Internet-Suche wäre beispielsweise ohne KI unmöglich. Die Auswahl der richtigen Songs bei Spotify wäre zumindest weit umständlicher  und auch bei der Analyse von MRT-Bildern werden KI-basierte Assistenten, die nicht nur ein Vielfaches an Vergleichsbefunden nutzen, sondern auch viel differenziertere, quasi pixelgenaue Kontrastanalysen erlauben, zunehmend Realität. Immer mehr Gegenstände unserer Welt sind inzwischen Teile von IT-Systemen (Internet of Things) – und fast überall steckt KI drin. In anderen Worten: KI ist allgegenwärtig: Sie zu verstehen, sie anzuwenden und wissenschaftlich weiterzuentwickeln ist eine der größten Aufgaben unseres Bildungssystems.

Zahlreiche Publikationen haben sich in den vergangenen Jahren mit dieser Herausforderung und vor allen Dingen mit dem drohenden Fachkräftemangel in Deutschland auseinandergesetzt. Besonders im Technologie-Bereich ist demnach davon auszugehen, dass die Nachfrage aus der Wirtschaft das verfügbare Angebot an IT- bzw. Tech-Spezialist:innen weit überschreitet. So geht etwa der Stifterverband in einer Studie über „Future Skills” schon bis 2023 von einem Bedarf von rund 450.000 Personen mit IT-spezifischen Kompetenzen allein in der Wirtschaft aus. Auch die Plattform Lernende Systeme konstatiert, dass KI neue Kompetenzprofile erfordert und vielfältige Optionen für die individuelle Kompetenzentwicklung genutzt werden müssen. Ihre KI-Landkarte gibt passend dazu einen praxisorientierten Überblick darüber, „wie KI die Wirtschaft und den Alltag heute und künftig transformiert”.

KI-Expert:innen braucht es sowohl in der fachlichen Tiefe als auch in der gesellschaftlichen und beruflichen Breite. Wenn Entscheidungsprozesse datenbasiert vorbereitet werden, dann sollten der Arzt, die Ingenieurin oder der Jurist einerseits verstehen können, wie dahinter liegende KI-Systeme funktionieren, andererseits aber auch dazu in der Lage sein, eine mündige Interpretation und Anwendung derartiger Verfahren vorzunehmen. Um bei der Entwicklung von KI-Systemen wettbewerbsfähig zu sein, braucht es nicht zuletzt fundierte technologische Expertise für deren Konzeption und Entwicklung.

Die zwei Säulen und sechs Leitlinien des KI-Campus

Im Rahmen ihrer im November 2018 verabschiedeten „Strategie Künstliche Intelligenz (KI)“ hat die Bundesregierung daher auch eine digitale Lernplattform vorgesehen, die bundesweit Zugänge zu einschlägigen Lernangeboten schafft. Der aus diesem Plan entstandene KI-Campus richtet sich an alle Personen, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen für dieses Thema interessieren und dazu weiterbilden möchten oder müssen. Er soll der Ort sein, an dem unterschiedliche Nutzer:innengruppen entlang ihrer Bildungsbiografie für ihre jeweilige Fachausbildung und Berufstätigkeit relevante KI-Kompetenzen onlinebasiert erwerben können. Während also grundsätzlich eine breite Zielgruppe aus Studierenden, Berufstätigen und anderen „lebenslang Lernenden” erreicht werden soll, sind Studierende im Rahmen der dreijährigen Erprobung zunächst eine primäre Zielgruppe. Dabei wird die digitale Plattform zu einem Ökosystem ausgebaut, das es ermöglicht, dass Hochschulen die KI-Campus-Angebote in ihre eigenen Bildungsangebote integrieren, sie mit individuellem Tutoring vor Ort erweitern und somit den Lernerfolg auf verschiedenen Wegen fördern können. Zum Zwecke der Anerkennung bzw. Anrechnung im Studium ist die Vergabe von Kredit-Punkten vorgesehen und Hochschulvertreter:innen sowie Akteuren aus der Praxis werden bei der Erstellung der innovativen Lernangebote eng eingebunden.

Das inhaltliche Programm des KI-Campus basiert auf zwei Säulen: Einerseits werden Kurse und Materialien auf akademischem Niveau speziell für den KI-Campus entwickelt; andererseits gilt es, vorhandene Angebote zu kuratieren und sinnvoll zu integrieren. Hierfür formuliert der KI-Campus Empfehlungen für Format, Didaktik und Qualität.

Um all dies in einem kooperativen und innovationsorientierten Umfeld erreichen zu können, haben die Projektpartner für die Konzeption und prototypische Entwicklung sechs Leitlinien formuliert:

  • Technische Interoperabilität und die Kooperation mit anderen Plattformen und Initiativen gelten als handlungsleitend bei der Umsetzung des KI-Campus.
  • Lernende und Lernprozesse stehen im Mittelpunkt der Angebote (Shift from Teaching to Learning).
  • Die didaktischen Konzepte für den KI-Campus sind zukunftsfähig, innovativ und beinhalten soziale Lernformate.
  • Die Plattform basiert auf einer agilen, partizipativen und nutzerorientierten Produktentwicklung.
  • Die Plattformangebote nutzen selbst KI-Verfahren (wie z.B. Learning Analytics und Empfehlungssysteme) und bieten eine hohe Übersichtlichkeit, Personalisierbarkeit und Adaptivität.
  • Alle erstellten Lernangebote und genutzten Technologien folgen dem Prinzip der Offenheit von Ressourcen und Quellcodes.

Hochschulen und weitere Bildungsanbieter werden im Rahmen mehrerer wettbewerblicher Ausschreibungen durch das BMBF eingeladen, sich mit ihrer Expertise am Aufbau des KI-Campus zu beteiligen. Sie können vom Micro-Content bis hin zum MOOC-basierten Modul ihre Inhalte, Erfahrungen und wissenschaftlichen Perspektiven lernendenorientiert in den KI-Campus einbringen. Wenngleich der KI-Campus also vielfältige Inhalte auf akademischem Niveau umfassen wird, soll die Plattform auch für diejenigen attraktiv sein, die keinen wissenschaftlichen Studienabschluss oder ein akademisches Zertifikat anstreben. Auch solche Personen zu erreichen, die KI einfach nur besser verstehen möchten oder in ihren beruflichen und privaten Kontexten anwenden und einsetzen möchten, ist für die Macher des KI-Campus keine kleine Herausforderung. Sie werden sich ihr mit großer Energie zu stellen haben.

 

Titelbild: Digital Gipfel 29.10.2019 (v.l.n.r.: Prof. Dr. Tonio Krüger (DFKI), Dr. Ulrich Schmid (mmb Institut), Anja Karliczek (BMBF), Florian Rampelt (Stifterverband), Dr. Volker Zimmermann (neocosmo)

Der Autor dieses Blogbeitrags hat an der Konzeption des KI-Campus mitgewirkt und ist als Geschäftsführer des Konsortialpartners mmb Institut GmbH tätig.