Darum geht es

Wir haben mit der Peter Gläsel Schule einen Ort geschaffen, an dem Grundschulkinder sich ohne Leistungs- und Notendruck angstfrei ausprobieren können und die Möglichkeiten und den Raum erhalten, ihre eigenen Stärken zu entdecken und zu erproben. Hier begleiten wir die Kinder auf ihrem persönlichen Lern- und Entwicklungsweg und unterstützen sie dabei, Architekten ihrer eigenen Bildungsbiografie zu werden: Sie übernehmen Verantwortung für das eigene Lernen, erhalten Freiraum für die Entwicklung und Entfaltung ihrer persönlichen Potenziale und werden dabei von qualifizierten Pädagoginnen und Pädagogen unterstützt. Kurz gesagt: Wir suchen nicht die Fehler, sondern wir gestalten die Möglichkeiten. Mittlerweile haben die ersten vier Jahrgänge erfolgreich die Grundschule abgeschlossen, und in naher Zukunft soll auch die weiterführende Peter Gläsel Schule starten. 

Lernen für das 21. Jahrhundert 

Massive Veränderungen unserer Lebens- und Arbeitswelt erfordern von uns Menschen eine hohe Flexibilität sowie die Notwendigkeit, lebenslang zu lernen. Für viele äußerst komplexe Menschheitsprobleme müssen Lösungen gefunden und entwickelt werden. Dabei geht es um den rasanten Klimawandel, um Flüchtlingsströme, die ungerechte Verteilung von Ressourcen und Reichtum und weitere von den Vereinten Nationen in den Global Goals aufgelistete Herausforderungen.   

Für eine zukunftsfähige Bildung müssen demnach folgende Dinge noch besser als heute in den meisten Schulen üblich vermittelt werden: 

  • Die Förderung individueller Stärken und Möglichkeiten 
  • Die Förderung der sozialen und kooperativen Kompetenzen 
  • Die Förderung der Selbstständigkeit und des eigenständigen Lernens 
  • Die Förderung der Kreativität und der Gestaltungskompetenz 

Genau so müssten Schulen in Deutschland die Kinder und Jugendlichen auf die Zukunft vorbereiten. An der Peter Gläsel Schule tun wir dies bereits, denn an unserer Schule sind eben diese Lebensweltbezüge nicht nur Grundlage der Lernangebote, sondern bilden gleichzeitig den Rahmen für die gesamten Bildungsprozesse innerhalb der Schule. So können auch die erwähnten Zukunftskompetenzen in hohem Maße gefördert werden. 

So lernen wir in der Peter Gläsel Schule 

Im Mittelpunkt unseres Bildungsverständnisses steht das Kind als Gestalter seiner persönlichen Wirklichkeit und Entwicklung. Die Peter Gläsel Schule ermöglicht Kindern Freiräume zur Entfaltung ihrer Potenziale, bietet ihnen zugleich Impulse, Anregungen und Schutz, um Neues zu wagen, Erfahrungen zu gewinnen, diese zu reflektieren und in sicheres Handlungswissen für ihre Zukunft zu überführen. 

Die Peter Gläsel Schule ist ein Ort, an dem Kinder mit professioneller Begleitung eigenen Interessen nachgehen, sich selbst mit der Unterstützung der Lernbegleiter bilden, forschend lernen und ohne Angst und Druck in guter Gemeinschaft Lust am Lernen behalten.  

Darum gibt es keine Fächer, sondern Lernangebote und anstatt Noten Lernberatungen. Künstlerische Prozesse beflügeln dabei das Lernen in der Schule und setzen kreative Potentiale frei.  Dieses Vorgehen bezeichnen wir als Bildungskunst 

In der Schule orientieren wir uns an den Fragen 

  • wie wir gemeinsames Lernen gestalten können (Kunst der Beziehung),  
  • wie wir uns gegenseitig am Lernen und an den Lernprozessen beteiligen können (Kunst der Beteiligung)  
  • und wie wir am besten voneinander und miteinander lernen können (Kunst der Vermittlung). 
Vielfalt als gesellschaftliche Normalität und Motor für Beteiligung 

Mit ihrem Ansatz der Bildungskunst verändert die Peter Gläsel Schule nicht nur das Lernen, sondern auch und insbesondere das Miteinander aller beteiligten Personen. Dabei verstehen sich die Erwachsenen nicht als UNTERrichtende Lehrpersonen. Vielmehr begreifen sie sich als als LernBEGLEITER:innen, die den Lernbewegungen der Kinder zu folgen versuchen und die Kinder darin ermutigen, neugierig und wissbegierig zu sein (und zu bleiben!). Dies gelingt ihnen dadurch, dass sie den Fragen der Kinder nicht ausweichen und sie darin unterstützen, ihre eigenen Antworten zu finden. 

Diese Haltung des Zutrauens und Vertrauens ermöglicht nicht nur vielfältige Zugänge für den Erwerb der Basiskompetenzen, sondern fördert und belebt auch in hohem Maße überfachliche und soziale Kompetenzen wie Empathie, Verantwortungsübernahme, Eigeninitiative und Rücksichtnahme. Dies wird durch ein multiprofessionelles Team von Lernbegleiter:innen vor- und mitgelebt. Diese Vielfältigkeit innerhalb des Teams gibt wiederum jedem Lernbegleiter und jeder Lernbegleiterin die Möglichkeit, besondere Kompetenzen einzubringen und eigene Akzente zu setzen. 

Dreierlei Qualitäten 

Um die Lernbegleiter:innen in ihrer Arbeit zu unterstützen, blicken wir in einem stetigen gemeinsamen Diskurs  auf die Rahmenbedingungen unserer Arbeit. Dies geschieht sowohl in den wöchentlichen Teambesprechungen, in punktuellen Themengemeinschaften sowie an acht bis zehn Schulentwicklungstagen pro Jahr. Dabei versucht das multiprofessionelle Lernbegleiter:innen-Team die Qualität des eigenen Handelns und damit auch die Qualität der Schule zu reflektieren und zu optimieren. Dabei betrachten und reflektieren wir die … 

  • Orientierungsqualität: Mit welcher Haltung begegnen wir dem Kind? 
  • Strukturqualität: Wie organisieren wir den Schulbetrieb so, dass sich die Kinder sowohl curriculare als auch Zukunftskompetenzen aneignen können? 
  • Prozessqualität: Wie gestalten wir das Miteinander z. B. innerhalb des Teams bei wichtigen Entscheidungen? 

So stellen wir sicher, dass wir die oben formulierten Ansprüche in den Schulalltag übersetzen können sowie, dass wir Erfahrungen und Ergebnisse aus Hospitationen und Fortbildungen im generellen Schulentwicklungsprozess, aber auch hinsichtlich der Professionalisierung des Teams nutzen können. Hierbei geht es nicht darum, dass in den Lernangeboten dann alle Lernbegleiter:innen schlussendlich das Gleiche tun und auf die gleiche Art mit den gleichen Materialien und Impulsen tätig sind. Vielmehr geht es immer darum, jeden Lernbegleiter und jede Lernbegleiterin darin zu unterstützen, sich ein persönliches Portfolio – wir sprechen an dieser Stelle von einem Handlungsrepertoire – anzueignen. 

Partizipation als Ausgangspunkt 

Seit die Schule 2015 gegründet worden ist, wird sie vom Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Paderborn (Prof. Dr. Petra Büker) wissenschaftlich begleitet. Die Fragestellungen dieser begleitenden Evaluation beziehen sich auf die Wirkungsebene der Partizipation der Kinder, wie Partizipation von den Kindern wahrgenommen wird und wie sich diese auf das Lernen auswirkt. 

Die bisher vorliegenden Ergebnisse bestätigen den Wirkungszusammenhang zwischen Beteiligung, Selbstwirksamkeit, sozialer Beziehungsfähigkeit und Lernerfolg (Büker et al., 2018; Höke, 2020; Hüpping & Büker, 2019). Oder wie es eine ehemalige Schülerin mir erklärt hat (zu diesem Zeitpunkt war sie etwa ein halbes Jahr schon nicht mehr bei uns, sondern in der 5. Klasse eines Gymnasiums): „Ich kann genauso gut rechnen, lesen und schreiben wie meine Freunde in der neuen Schule. Aber ich bin kreativer, selbstständiger und kann deutlich besser Verantwortung für mich und andere übernehmen.“ 

Die Ergebnisse der Begleitforschung nutzen wir immer wieder, um wie weiter oben beschrieben unsere Prozesse und Strukturen zu verbessern. Daher kann man durchaus sagen, dass wir die erste (und einzige) Schule sind, die Schulentwicklung durchdacht, konsequent und systemisch vom Kind aus betreibt. 

Darüber nutzen wir die „forschende Betrachtungsweise“ auch dazu, die Kinder selbst zum Forschen und forschenden Lernen zu befähigen. Das gleiche gilt auch für die Lernbegleiter:innen. So ist unter anderem ein Forscherkoffer entstanden, der die Lernbegleiter:innen darin unterstützt, mit ihren Schüler:innen entsprechende Lernsettings zu entwickeln und durchzuführen. 

Bildungserfolge ermöglichen 

Wenn wir als moderne Gesellschaft den Anspruch an Bildungserfolg für möglichst alle Kinder geltend machen wollen, müssen wir Kinder und Jugendliche in ihren individuellen Stärken und Möglichkeiten fördern und ihnen Möglichkeiten bieten, sich soziale und kooperative Kompetenzen anzueignen. Diese sind Grundpfeiler der Selbstständigkeit und des eigenständigen Lernens, das wiederum Ausdruck findet in einem hohen Maß an Kreativität und Gestaltungskompetenz. 

Dafür brauchen wir eine Schule, die Bildungserfolg im Sinne fachlicher und überfachlicher Bildungsziele ermöglicht, statt sich darauf spezialisiert zu haben, Fehler von Schüler:innen zu zählen. Dies wiederum fängt bei der Haltung dem Kind gegenüber an. Wir müssen den Kindern in dieser Sache mehr Vertrauen entgegenbringen. Und können dies auch wirklich tun, denn die Kinder kennen sich, was das Lernen anbelangt (was sie lernen möchten und was sie dazu brauchen) besser aus als wir. 


Literaturhinweise

Büker, P., Hüpping, B., Mayne, F. I. & Howitt, C. (2018): Kinder partizipativ in Forschung einbeziehen – ein kinderrechtsbasiertes Stufenmodell. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung/Discourse. Journal of Childhood and Adolescence Research, 13(1), S. 109114. 

Höke, J. (2020): „Und die Kinderkonferenz, die haben wir abgeschafft“. Möglichkeiten kindlicher Beteiligung im Zusammenspiel von Handlungsstrategien der Erwachsenen und Kinderperspektiven in einer partizipativ arbeitenden Grundschule. In: DDS – Die Deutsche Schule, 112(2), 224240. 

Hüpping, B. & Büker, P. (2019): Kinder als Forscher in eigener und gemeinsamer Sache ein Weg zur Partizipation? Ein kinderrechtebasierter didaktischer Ansatz und dessen Relevanz aus der Perspektive von Grundschulkindern. In: Pädagogischer Blick, 27(3), 159173.