Vor kurzem ist die Handreichung „Online- und hybride Fortbildungen lernwirksam gestalten“, herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung und dem Forum Bildung Digitalisierung gGmbH, erschienen. Schule 21 sprach mit Jens Lindström, einem der beiden Autoren, über den Hintergrund für diese Publikation, über die Besonderheiten von Online- und hybriden Fortbildungen für Lehrkräfte und die Herausforderungen für Fortbildnerinnen und Fortbildner. 

 

Die Handreichung „Online- und hybride Fortbildungen lernwirksam gestalten“ war ja ursprünglich von der Bertelsmann Stiftung und dem Forum Bildung Digitalisierung angedacht als ein kurzes Impulspapier. Sie sind täglich mit dem Thema Lehrkräftefortbildung befasst und konnten uns schon direkt nach unserer Anfrage bezüglich einer Autorenschaft für das Paper überzeugen, dass die Fortbildungsszene mehr braucht als einen Überblick über das Thema. Welchen Mehrwert bietet die nun vorliegende Handreichung für Fortbildnerinnen und Fortbildner? 

Ich erlebe in der Fortbildungspraxis eine große Schere zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Merkmalen lernwirksamer Fortbildung und der tatsächlichen praktischen Umsetzung. In einem Projekt habe ich kürzlich eine Vielzahl von Fortbildungsausschreibungen aus ganz Deutschland gesichtet. Dabei war zu beobachten, dass viele Fortbildungsangebote durch ihre Grundkonzeption schon so ausgelegt sind, dass sie nur für eine sehr begrenzte Zielgruppe wirksam werden können. Frank Lipowsky und Daniela Rzejak haben in ihrem Leitfaden „Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten“ (2021) zehn Merkmale lernwirksamer Fortbildungen aus dem aktuellen Forschungsstand formuliert und gezeigt, dass unter anderem neben einem inhaltlichen und wissenschaftsbasierten Input auch die Erprobung und die Reflexion sowie die kollegiale Kooperation von besonderer Bedeutung für die Wirksamkeit einer Fortbildung sind. In einer One-Shot Online-Fortbildung von 90 Minuten kann ein solcher Prozess kaum angeregt werden. Dennoch sieht man derzeit sehr viele solcher Angebote.  

Für sehr engagierte Lehrkräfte, die bereits mit der Bedeutung der Erprobung, Reflexion und Kooperation vertraut sind und entsprechende Methoden kennen und selbstständig umsetzen, kann auch ein reiner Input lernwirksam werden. Andere Lehrkräfte benötigen dafür mehr Unterstützung, Strukturen und Anregungen durch die Fortbildungsleitung. Der Mehrwert unserer Handreichung liegt darin, dass wir einerseits an sehr konkreten Beispielen zeigen, wie Elemente zur Erprobung, Reflexion und Kooperation in ein Fortbildungsformat integriert werden können. Andererseits zeigen wir Möglichkeiten auf, wie Fortbildnerinnen und Fortbildner schon bei Beginn des Planungsprozesses für ihr Angebot, also bei der Kontaktaufnahme mit der Zielgruppe und beim Finden des Themas, Merkmale lernwirksamer Fortbildungen berücksichtigen können. Dazu bieten wir sehr konkrete Tipps von der Planung bis zur praktischen Durchführung.  

Bevor wir näher auf die Handreichung eingehen, eine grundsätzliche Frage: Können denn digitale und hybride Fortbildungen für die Teilnehmenden ähnlich lernwirksam werden wie Präsenzveranstaltungen? 

Der Forschungsstand zeigt, dass es beim Gestalten wirksamer Fortbildungen nicht so sehr darauf ankommt, ob die Veranstaltung online oder in Präsenz stattfindet. Vielmehr gelten für beide Settings die gleichen Grundlagen, die beachtet werden müssen. Das sind zum Beispiel eine Verknüpfung von Input, Erprobung und Reflexion, das Anregen kollegialer Kooperation oder die Möglichkeit zu einem intensiven Coaching. Frank Lipowsky und Daniela Rzejak stellen diese Grundlagen in ihrem Leitfaden dar und wir bauen in der Handreichung darauf auf. Beim Schreiben der Handreichung war es meiner Co-Autorin Dr. Maike Abshagen und mir besonders wichtig, nicht so sehr die verschiedenen Welten von online und Präsenz oder synchronem und asynchronem Lernen voneinander abzugrenzen. Vielmehr wollten wir herausstellen, wo die Stärken der unterschiedlichen Formate liegen und wie sie in einem hybriden Setting voneinander profitieren können. 

Der Entstehungsprozess der Handreichung beinhaltete eine ganz besondere Feedbackschleife. Wie haben Sie dieses für einen Autor vielleicht etwas ungewohnte Vorgehen erlebt?  

Ich war 2020 Teil einer Gruppe von Expertinnen und Experten, die die Bertelsmann Stiftung zur Diskussion und Reflexion eines Textentwurfs von Prof. Frank Lipowsky und Daniela Rzejak für den Leitfaden „Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten“ zusammengestellt hat. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlebt, dass Autorinnen und Autoren in einer größeren Runde aus Wissenschaft und Praxis bereits vor der Veröffentlichung einer Publikation Feedback bekommen, um es für die Finalisierung des Werkes zu nutzen. Und diese Offenheit war nun auch ein besonderes Erlebnis, als wir selbst unseren Entwurf in einer Runde von Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland diskutieren durften. Das war einerseits hart, da in dieser Runde schonungslos angesprochen wurde, an welchen Stellen es noch Entwicklungspotential in unserem Textentwurf gab. Andererseits hat dieses Feedback die Qualität der Handreichung auf ein ganz neues Niveau gehoben.  

Welche Empfehlungen geben Sie den Nutzerinnen und Nutzern für die Arbeit mit der Handreichung? 

Je nachdem, an welcher Stelle Leserinnen und Leser bei der Entwicklung einer hybriden oder Online-Fortbildung stehen, können sie das entsprechende Kapitel in der Handreichung auswählen und daraus Anregungen und Ideen für die weitere Gestaltung ihres Angebots entnehmen. Von den Planungsgrundlagen über die Auswahl eines Fortbildungsformats, die Methodik im Rahmen konkreter Fortbildungsteile bis hin zu sinnvollen Werkzeugen für die Anwendung finden die Leserinnen und Lesern immer wieder Anregungen, wie Merkmale lernwirksamer Fortbildungen online und in hybriden Settings umgesetzt werden können. Besonders am Herzen liegt Maike Abshagen und mir dabei das letzte Kapitel, in dem wir in fünf unterschiedlichen Szenarien darstellen, wie ein Fortbildungskonzept gestaltet sein könnte und warum wir meinen, dass auf diese Weise besonders lernwirksame Fortbildungen entstehen können. Diese Szenarien sind aber nicht als eins zu eins umzusetzende „Kochrezepte“ zu verstehen. Um wirklich wirksam zu werden, muss jedes dargestellte Szenario noch von Fortbildnerinnen und Fortbildnern auf die eigenen jeweiligen Rahmenbedingungen und die Zielgruppe angepasst werden.  

Was sind Ihre wichtigsten Tipps an Fortbildnerinnen und Fortbildner für die Gestaltung einer bedarfsorientierten und lernwirksamen Fortbildung im digitalen Raum?  

Das ist pauschal und in Kürze nur schwer zu beantworten. Wir versuchen mit der Summe der Tipps in der Handreichung eine gute Antwort auf diese Frage zu geben. Für mich ist ein wichtiger Ausgangspunkt beim Gestalten einer Fortbildung die Frage, wie ich als Fortbildner möglichst nah an die Praxis der Lehrkräfte herankomme, um bei der Erprobung begleiten und Reflexion und Kooperation anregen zu können. Dieser Wunsch trifft dann oftmals auf die Stundenpläne der Schulen, Lehrkräftemangel, Rahmenbedingungen der Fortbildungsinstitute oder die Grenzen meiner eigenen Ressourcen. Und in diesem Kontext muss gemeinsam ein Fortbildungsthema gefunden, ein Ziel für die Fortbildung festgelegt und ein passendes Fortbildungskonzept gestaltet werden.  

Von besonderer Bedeutung ist es deshalb, die Bedürfnisse der teilnehmenden Lehrkräfte so früh wie möglich mit in die Planung einzubeziehen und dabei nah an ihren Wünschen und Fragen, aber auch ihren schulischen Rahmenbedingungen zu planen. Dazu müssen gerade bei Online-Fortbildungen häufig Kompromisse eingegangen werden. Da man oft nicht selbst mit im Unterricht sein kann, hospitieren Lehrkräfte in Tandems im gegenseitigen Unterricht und berichten dann online von ihren Erfahrungen. Oder man arbeitet mit Videoaufzeichnungen von Unterricht (falls möglich auch aus der Fortbildungsgruppe) oder anderen Fallbeispielen, die eine Nähe zum Unterricht ermöglichen. Je nachdem, welche Rahmenbedingungen gegeben sind, ändert sich dann das Vorgehen für die Gestaltung der Fortbildung. Startpunkt sind für mich aber immer die Nähe zur Praxis und die Kommunikation mit der Zielgruppe. 

 

Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch, lieber Herr Lindström.

Die Handreichung „Online- und hybride Fortbildungen wirksam gestalten“ von Jens Lindström und Dr. Maike Abshagen steht zum Download bereit auf den Seiten des Forum Bildung Digitalisierung.

Den Leitfaden „Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten“ von Frank Lipowsky und Daniela Rzejak finden Sie als Download auf den Seiten der Bertelsmann Stiftung.