Seit 2017 gibt es in NRW das Projekt „Lehrkräfte Plus“ an den Universitäten in Bielefeld und in Bochum. 2020 ist es an drei weitere Universitäten transferiert worden – nach Duisburg-Essen, Köln und Siegen. Die Universität Potsdam hat das Programm in dieser Zeit wissenschaftlich begleitet. Im Interview mit Schule21 stellen Prof. Dr. Dirk Richter und Anna Geske die wichtigsten Ergebnisse aus der Begleitforschung vor.  

Sie haben das Programm „Lehrkräfte Plus“ nach dem Transfer an die fünf Universitätsstandorte wissenschaftlich begleitet. Welche Fragen standen im Zentrum Ihrer Forschung? 

Wir interessierten uns vor allem dafür, welche Kompetenzen die Teilnehmenden im Laufe des Programms entwickelten. Dazu gehörte unter anderem die Frage, wie sich die Sprachkompetenzen veränderten, aber auch, wie gut die Teilnehmenden in der Lage waren, an einer deutschen Schule zu unterrichten. Darüber hinaus untersuchten wir, welche Personen an den Programmen teilnahmen, wie bedeutsam die einzelnen Programmelemente aus Sicht der Teilnehmenden waren und wie sich das Programm in Zukunft weiterentwickeln könnte. Um diese und andere Fragen zu beantworten, befragten wir über 100 Personen, die im Jahr 2021 das Programm an allen fünf Standorten des Programms begonnen hatten.  

 

Was sind die zentralen Ergebnisse der Begleitstudie? 

Die Begleitforschung hat gezeigt, dass die Teilnehmenden sehr stark vom angebotenen Programm profitieren. Die Teilnehmenden entwickelten im Verlauf des Programms eine deutlich gesteigerte Sicherheit in ihren beruflichen Aufgaben und verbesserten ihre Deutschkenntnisse substanziell. Knapp vier von fünf Teilnehmenden erreichten innerhalb eines Jahres das im Programm angestrebte Sprachniveau C1.  

Die verschiedenen Programmbausteine wurden von der überwiegenden Mehrheit der Befragten als hilfreich eingeschätzt, wobei insbesondere die Praxisphasen und die sogenannte pädagogisch-interkulturelle Qualifizierung als besonders unterstützend eingeschätzt wurde. Der Erfolg des Programms schlägt sich auch in der Absolventenquote nieder: In der untersuchten Kohorte schlossen knapp 90 Prozent der Teilnehmenden das Programm erfolgreich ab und der überwiegende Teil von ihnen ging in das Anschlussprogramm Internationale Lehrkräfte fördern (ILF) über.  

 

Gibt es Ergebnisse, die Sie überrascht haben? Wenn ja: welche?  

Überrascht hat uns zum einen, dass die Teilnehmenden vor allem aus der Türkei und zu einem deutlich kleineren Teil aus Syrien kamen. Andere Länder waren daneben kaum vertreten. Darüber hinaus hatten wir auch nicht erwartet, dass viele Teilnehmende bereits seit über 20 Jahren in Deutschland leben. Dies zeigt, dass das Programm nicht nur für diejenigen interessant ist, die seit 2015 nach Deutschland zugewandert sind, sondern auch für Personen, die schon lange in Deutschland leben.  

Überrascht hat uns auch, dass über 90 Prozent der befragten Teilnehmenden dauerhaft als Lehrkraft in Deutschland arbeiten wollen. Mit einer solchen Perspektive trägt das Programm einen kleinen Teil zur Verringerung des Lehrkräftemangels, aber in besonderer Weise zur Diversifizierung der Lehrerschaft in Deutschland bei.  

 

Welche Ergebnisse könnten eine Handlungsrelevanz für die politische Ebene haben? 

Die positiven Ergebnisse sprechen zunächst dafür, dass das Programm in der aktuellen Form erfolgreich ist und in Zukunft auch weiterhin Bestand haben sollte. Die Ergebnisse zeigen auch, dass es eine Nachfrage von international ausgebildeten Lehrkräften gibt, für die Tätigkeit als Lehrkraft an einer Schule in Deutschland vorbereitet zu werden. Aus diesem Grund sollten Angebote wie Lehrkräfte Plus in allen Ländern der Bundesrepublik verfügbar sein.  

Die Evaluation hat aber auch deutlich gemacht, dass allein der erfolgreiche Abschluss des Programms nicht dafür ausreicht, in Deutschland als Lehrkraft angestellt zu werden. Für eine unbefristete Tätigkeit im Schuldienst müssen die Teilnehmenden z. B. noch eine sogenannte pädagogische Einführung durchlaufen, die für Personen im Seiteneinstieg konzipiert ist. Damit verlängern sich die Qualifizierungszeiten und ermöglichen keine Sicherheit bei der Planung der eigenen beruflichen Zukunft. Vor diesem Hintergrund sollte die Politik dafür Sorge tragen, dass der erfolgreiche Abschluss des Programms nicht nur zum Erwerb eines Zertifikats führt, sondern eine verlässliche Perspektive als Lehrkraft in Deutschland bietet.