Die Bundesschülerkonferenz (BSK) vertritt auf Bundesebene die Schülerschaft und repräsentiert die Landesschülervertretungen von 14 Ländern in Berlin. Im Oktober wurde im Rahmen des 1. Bildungskongress der BSK ein Forderungskatalog erstellt. Schule21 sprach mit dem Generalsekretär der BSK, Florian Fabricius, und wollte vor allem wissen, wie die Stimmen von Schüler:innen für Politik und Verwaltung hörbar und im bildungspolitischen Dialog stärker berücksichtigt werden können.

Welche bildungspolitischen Themen haben für die BSK bzw. das Bundessekretariat in dieser Legislatur 2023/24 besondere Relevanz?

Was sich vorher schon anbahnte, hat sich nun durch die aktuellen Ergebnisse der PISA-Studie bestätigt: Noch nie waren die Lernenden so schlecht im Rechnen, Lesen und Experimentieren. Seit 2012 geht die Bildung in unserem Land den Bach runter und Corona hat das Übrige getan. Wir steuern nicht mehr nur darauf zu, wir stehen inmitten einer Bildungskrise. Schulgebäude sind marode, es gibt einen Sanierungsbedarf von 44 Milliarden Euro. Eine Krankheitswelle sorgte in diesem Herbst dafür, dass Grundschulen teils kurz vor der temporären Schließung standen, da der Lehrkräftemangel jahrelang ignoriert wurde. Bildung als Chance für sozialen Aufstieg bleibt ein ferner Traum; soziale Herkunft und Migrationsgeschichte beeinflussen den Bildungserfolg maßgeblich.

Als Nation ohne viele natürliche Ressourcen hängen unsere Zukunftsaussichten maßgeblich von unseren Qualifikationen und damit unserer Bildung ab. Dass sich endlich etwas ändern muss, könnte also offensichtlicher nicht sein. Beim 1. Bildungskongress, den die BSK in diesem Herbst veranstaltet hat, sind deshalb fast 300 Schülervertreter aus ganz Deutschland in Berlin zusammengekommen, um Lösungen für die Bildungskrise zu erarbeiten. Drei Tage lang sind wir miteinander ins Gespräch gekommen, haben mit Politikern diskutiert und Ideen gesammelt. Aus dem Bildungskongress, den Workshops und den Gesprächen dort ist ein umfassendes Forderungspapier entstanden, das all unsere Anliegen und Ideen zusammenfasst. Wir skizzieren darin unsere Vision eines funktionsfähigen, inklusiven, gerechten und modernen Bildungssystems. Das Papier beinhaltet Forderungen zu Schulinfrastruktur, Leistungsbewertung, Antidiskriminierungsarbeit, beruflicher Bildung und viel, viel mehr.

Wie hat die Politik darauf reagiert?

Wir haben unseren Forderungskatalog auf einer Pressekonferenz an die Politik übergeben. Die Reaktion aus der Politik: Verhalten. Die Politik hat unsere Einladung überhaupt nicht wahrgenommen. Deshalb wollen wir unseren Fokus nun darauf richten, wie die Stimmen der Schüler:innen besser gehört werden können – sodass die Politik in Zukunft zumindest zu unseren Pressekonferenzen erscheint.

Dabei dreht sich das Bildungssystem um die Lernenden; ihre Stimme muss gehört werden. Wir müssen diejenigen zu Wort kommen lassen, die jeden Tag erleben, wie es um unser Bildungssystem steht. Deshalb steht die BSK für die Interessen der Lernenden ein; mit unserer Petition #Zukunftsbildung (https://chng.it/HFSSbQnvSg) auf change.org fordern wir und inzwischen über 45.000 Menschen in unserem Land die Entscheidungsträger auf, endlich ein zukunftsfähiges und gerechtes Bildungssystem zu schaffen. Unser Ziel sind 100.000 Unterschriften und wir freuen uns über jede Person, die mit uns gemeinsam für eine Bildungswende steht.

In welche Richtung soll denn die Bildungswende eingeschlagen werden oder konkreter: Wie sieht denn die Vision der Schüler:innen von einer guten Schule aus?

Wir Schüler:innen möchten in eine Schule gehen, in der es keine Rolle mehr spielt, ob jemand in einem Rollstuhl sitzt oder nicht. Eine Schule, in die wir auch mit Migrationshintergrund gehen können, ohne benachteiligt und diskriminiert zu werden. Eine Schule, in der es egal ist, wer wen liebt. Der Unterricht findet nicht mehr mit einer Lehrkraft vorne statt und wir Lernenden hören still zu. Wir werden aktiv eingebunden und mit uns wird auf Augenhöhe umgegangen. Kreidetafeln gehören der Vergangenheit an, jeder, der es möchte, kann mit einem Tablet arbeiten und die Smartboards nutzen. Wir lernen nicht länger nur für die nächste Klausur, um am Tag darauf alles vergessen zu haben, sondern weil die Themen spannend sind und uns auf unser Leben vorbereiten. Nachhaltigkeit wird im Klassenraum und vor allem im Unterricht großgeschrieben. Meinen Mitschülern geht es gut, sie werden weder von schlechten Noten noch voneinander fertiggemacht. Es ist sicher, dass wir Hilfe bekommen, wenn einer von uns unter mentalen Problemen leidet. Das ist das Bildungssystem, für das wir uns einsetzen.

Wie entwickelt die BSK ihre bildungspolitische Agenda und wer ist daran beteiligt?

Die wichtigsten Akteure der Bundesschülerkonferenz sind die Landesschülervertretungen. Bei uns bringen sich diejenigen ein, die sich bereits in den Bundesländern für die Interessen der Lernenden starkmachen. Die meisten Mitgliedsländer senden gewählte Bundesdelegierte, die sich voll auf ihre Mitarbeit in der Bundesschülerkonferenz konzentrieren können. Dieses Plenum schafft die Grundlage für die Arbeit des Bundessekretariats. Es überarbeitet unsere Satzung, fasst Beschlüsse und gibt uns als Bundessekretariat Weisungen.

Unsere Agenda stimmen wir demnach im Einklang mit den Landesinteressen ab. Dabei achten wir jedoch gerade in den vergangenen Monaten vermehrt darauf, auch unsere Basis, die Gesamtheit der Schüler:innen in Deutschland, nicht zu vergessen. Zum einen wird das sichtbar durch den Bildungskongress, zu dem hunderte Lernende aus ganz Deutschland eingeladen waren. Zum anderen ist gerade ein noch viel größeres Projekt in Planung: Wir wollen eine bundesweite Befragung der Schülerschaft durchführen. Denn in vielen Studien wie PISA und IQB geht es zwar um die Leistung der Lernenden, aber wie sie ihre Schulzeit wahrnehmen und welche Bedürfnisse sie haben, wird nicht ermittelt. Das ist schade, da sich somit die Politik auch nicht im vollen Umfang an diesen orientieren kann.  Die so gesammelten Themen bringt die BSK in die Politik ein. Das kann durch bilaterale Austausche, die Teilnahme an Veranstaltungen oder durch mediale Aufmerksamkeit geschehen.

Wie können die bildungspolitischen Mitwirkungsrechte der Schülerschaft generell in den kommenden Jahren verstärkt werden?

Wir bekommen leider immer wieder mit, dass den Lernenden in den Schulgremien nicht genug zugehört wird. Das muss sich auf jeden Fall ändern! Deshalb fordern wir eine flächendeckende Einführung eines drittelparitätisch besetzten Schulparlamentes oder einer Schulkonferenz. In vielen Bundesländern ist das bereits der Fall. Leider gibt es aber noch einen akuten Nachholbedarf, der schnellstmöglich ausgeglichen werden muss. Der Einsatz von Lernenden für bildungspolitische Themen sollte jedoch nicht auf schulinterne Gremien begrenzt werden; auch öffentlichkeitswirksame Aktionen wie die Teilnahme an Demonstrationen sowohl inner- als auch außerhalb der Schulzeit stellen einen integralen Teil von Mitbestimmung dar. Die Lernenden dürfen dafür keine Repressalien der für Bildung und Schule zuständigen Behörden und Institutionen erfahren. Um die Teilhabe von Jugendlichen in der Politik zu fördern, fordern wir als BSK die Heruntersetzung des Mindestalters zur Ausübung des aktiven Wahlrechts bei Kommunal- und Landtagswahlen auf 16 Jahre. Damit die Interessen der Schülerschaft im politischen Alltag besser wahrgenommen werden, ist es uns als BSK auch ein Anliegen, in die Verbandsanhörungen des BMBF aufgenommen zu werden. Denn so kann ein direkter Austausch zwischen Ministerium und BSK zu aktuellen Themen gewährleistet werden.

Schule21 bedankt sich herzlich für das Gespräch.

 


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