Wie unklare und wirkungslose Governance erfolgreiche Personalentwicklung und damit Transformation in Schulen verhindert und was strukturell getan werden kann, um dem entgegenzuwirken. 

Schule als Lernort steht vor einer tiefgreifenden Veränderung, die gleichsam die Organisation und auch das Personal fordert. Neben der grundsätzlichen Aufgabe von Qualitätsentwicklung und Gewährleistung einer Unterrichtsversorgung zeichnet sich die Notwendigkeit ab, einen Lernkulturwandel umzusetzen. Lernen in Schule verändert sich von einer adäquat aufbereiteten Bereitstellung von Wissen hin zur Begleitung in einem individuellen Lernprozess.  

Das Lernen in der Digitalität erfordert eine neue Rolle von Lehrenden: Unterricht wird Lernraum und Lehrkraft wird Lernbegleitung. Dieser Kulturwandel braucht eine neue Haltung bei den Verantwortlichen und damit eine tiefgreifende Persönlichkeitsentwicklung. Neben diesen Veränderungen auf der individuellen Ebene kommt im Rahmen des Kulturwandels die nötige Veränderung der Organisation Schule hinzu. Fortbildung und Personalentwicklung bekommen auf einmal eine strategische Bedeutung für Schulentwicklung. Personalentwicklung ist wirkungslos ohne entsprechende Ausrichtung der Organisation inklusive der Entwicklung klarer Organisationsziele und damit eines Schulprogramms. Gleichzeitig müssen neue Prozesse und Strukturen entwickelt, also die Fragen der Organisationsentwicklung geklärt werden. Besonders mit dem Blick aus der Organisationsentwicklung außerhalb von Schule zeigt sich, wo in der Steuerung klare Missstände in Schule behoben und Herausforderungen überwunden werden müssen, um Personalentwicklung erfolgreich zu machen. Die folgenden vier Thesen sind Kernherausforderungen für die Weiterentwicklung von Schule und stehen dennoch stellvertretend für diesen kritischen Blick auf ihre Governance. 

Strategische Personalentwicklung braucht Führungskompetenz 

Um Fortbildungen wirksam zu machen, braucht es Antworten auf wichtige Fragen der Implementierung des in der Fortbildung Gelernten und auch bezüglich der Durchsetzung von Zielen der Organisation gegenüber den Mitarbeitenden. Auch wenn es in den letzten Jahren kleine Schritte in Richtung Stärkung der personalrechtlichen Verantwortung von Schulleitungen gab, liegen hier generelle Missstände, z. B. bei der Besetzung wichtiger Führungs- und Funktionsrollen, genereller disziplinarischer Möglichkeiten oder flankierender Maßnahmen wie der Einflussnahme auf die dienstlichen Beurteilungen von verbeamteten Lehrkräften. Die Instrumente für Schulleitung zur wirksamen Steuerung von Personalentwicklung bleiben daher stumpf und damit in vielen Fällen unwirksam. 

Schule hin zur multiprofessionellen Organisation öffnen 

Qualitätsentwicklung auf der Organisationsebene braucht auch wirksame Veränderungen in den Prozessen und der Struktur des Schulbetriebs sowie der damit verbundenen neuen Rollen. Häufig wird im Kontext Schule von „Multiprofessionellen Teams“ gesprochen, wenn es um die Zusammenarbeit von Sozialarbeit, Psychologie und Pädagogik im und rund um den Unterricht geht. Völlig übersehen wird, dass einfach ausgebildete Lehrkräfte, völlig fachfremd, wichtige Aufgaben in Schule übernehmen, z. B. Personalthemen, Bearbeitung von rechtlichen Fragestellungen, Aufgaben der Digitalisierung, Prozessplanung und vieles mehr. Keine Organisation außerhalb von Schule würde sich solche Personalentscheidungen leisten können und wollen. Eine Öffnung von Schule hin zu einer multiprofessionellen Organisation und eine Professionalisierung des Personals auch außerhalb von Pädagogik und Didaktik würde daher den Blick auf Personalentwicklung verändern, neue Entwicklungspotentiale für Lehrkräfte bieten, dem Lehrkräftemangel entgegenwirken und Schule zu einem neuen spannenden Arbeitsort für verschiedene Berufsgruppen machen. 

Ressourcen und Flexibilität in Schulen für die strategische Entwicklung bereitstellen 

Veränderung und Entwicklung brauchen zusätzliche Energie und verursachen Stress im System. Sobald Fortbildung und Personalentwicklung mit solchen strategischen Zielen verbunden sind und wirksam in Unterricht und Schulorganisation implementiert werden sollen, braucht es die Möglichkeit der Priorisierung und ausreichender Ressourcen im System – angefangen bei angemessenen Fortbildungs- und Zeitbudgets, die heute bundesweit nicht ansatzweise angemessen der Organisationsgröße von Schulen entsprechen, bis hin zur Entscheidungsfreiheit der Organisation, auch Qualität oder Unterrichtszeit temporär anzupassen, um eine Entwicklung überhaupt möglich zu machen. Entwicklungs- und Investitionsentscheidungen sind daher fast unmöglich oder werden getragen von hohem persönlichen Engagement Einzelner in Schule. 

Die Organisation Schule braucht Professionalisierung und Verantwortung in Prozessen und Struktur 

Schule ist geprägt von unterdifferenzierten Organisationsrollen und Prozessen, das ist deutlich sichtbar an dem Fehlen vieler wichtiger Kompetenzen, die sich außerhalb von Unterricht abspielen. Viele Aspekte neuer Lernformen und Erkenntnisse aus Fortbildungen können so nicht wirksam ins System gebracht werden. Die Verfestigung in klaren Prozessen, beispielsweise professionelles „Onboarding“ oder die Einführung neuer Funktionsrollen für bestimmte Lernformen, ist so praktisch unmöglich oder dem kreativen Engagement vor Ort überlassen. Durch fehlende Führungswerkzeuge und Instrumente der Verbindlichkeit stehen neue Rollen und Formen der Zusammenarbeit so immer auf wackeligen Beinen.   

Mit Blick auf die vier Kernthesen lässt sich zusammenfassend sagen, dass durch die geteilte Verantwortlichkeit rund um Schule mit der Kommune als Träger, der Schulbehörde des Landes als inhaltliche und personelle Instanz und der Schule als Umsetzungsort spannende und von außen betrachtet auch kuriose Entscheidungsstrukturen und -muster entstehen. Wenn wir anfangen, Schule als handelnde und entscheidende Organisation in einer kommunalen Bildungslandschaft zu betrachten, geben wir Entwicklungschancen einen Raum sich zu entfalten. Das Land als unterstützende und finanziell tragende Ebene wäre hier auch mehr eine Stärkung, die den Rücken freihält, als eine Störung. Die Situation heute stellt sich leider anders dar und man muss befürchten, dass die verwirrende Steuerung mit Blick auf die Ganztagssituation eher an Dynamik zunehmen wird.  

Eine weniger kleinteilige Steuerung der Schulbehörden in der Schulorganisation, in Personal- und Budgetfragen und bei der Unterrichtsentwicklung und dagegen mehr Steuerung über Ziele und Qualitätskriterien würde den Schulen die Möglichkeit geben, sich zu lernenden Organisationen zu entwickeln, die professionelles Wissensmanagement betreiben können und in denen Personalentwicklung mehr bedeutet als die Fortbildung Einzelner.  

 


Literatur und Quellen 

Mehr Hintergrund und Vertiefung, was wir verlernen und loslassen dürfen in Schule und Bildungssystems: https://bewirken.org/unlearn-school/ 

 

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