Die digitale Arbeitswelt entwickelt sich in den letzten Jahren rasant weiter. Die Fähigkeit von (lernenden) Tools, den Menschen Routinearbeit abzunehmen, steigt stetig. Das birgt viele Chancen, aber auch Risiken. Dies gilt auch für den Einsatz solcher Tools in Schule und Hochschule.  

Das Lernen und Lehren mit Unterstützung von digitalen Tools ist im Hochschulbereich (im Unterschied zu Schulen) weit verbreitet und wird größtenteils als erweiterte Lernform anerkannt. Auch bestimmte Routineaufgaben von Lehrpersonen, z. B. das Vergeben von Punkten oder Benoten von Multiple-Choice-Tests, werden schon länger digital unterstützt. Aber auch komplexere Aufgaben im Zusammenhang mit Lehre und Unterricht können zunehmend von digitalen Tools bearbeitet werden, z. B. wenn im Sprachunterricht Essays auf korrekte Schreibweise, Wortschatz und Textstruktur überprüft werden. Die richtige Auswahl und der passende Einsatz dieser digitalen Tools erfordern jedoch Kompetenzen auch bei den Lehrenden.  

Der Begriff „Kompetenz“ ist hier ein Schlüsselwort mit verschiedenen Facetten: 

  • Grundsätzlich ist „Kompetenz“-Förderung das Ziel von Unterricht und Lehre. 
  • Die zunehmende „Kompetenz“ der digitalen Tools, auch komplexe Aufgaben zu lösen, vergrößert das Repertoire der für Lehrende verfügbaren Werkzeuge. 
  • Um diese Werkzeuge für die Lernenden „Kompetenz“ fördernd einzusetzen, sind bei den Lehrenden, als Anwendende, ebenfalls (Medien-) Kompetenzen gefragt. 

In den Schulen und Hochschulen gibt es divergente Positionen gegenüber digitalen Hilfsmitteln generell und lernenden Algorithmen im Besonderen. Von der vollständigen Digitalisierung des Unterrichts im Rahmen der Lehre in einer Kultur der Digitalität bis zur Konzentration auf analoge Unterrichtsmethoden sind alle Standpunkte in vielen Kollegien vertreten. Diese Vielfalt der Perspektiven spiegelt zugleich die Chancen und Risiken digitaler Lehrmethoden wider. Dies gilt besonders für digitale Tools, die die Bewertung von Prüfungsleistungen unterstützen. 

Richtig eingesetzt können digitale Lehrmethoden und Bewertungstools die Effizienz des Unterrichts erhöhen. Sie können damit Spielräume für die individualisierte Kompetenzförderung bei den Lernenden erweitern sowie neue Lehr-/Lernformen erleichtern. Doch falsch oder unreflektiert eingesetzt bergen sie Risiken, wie z. B. den Verlust von Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden, Verlust des „persönlichen Touch“ der Lehrenden und Probleme bei der Erklärbarkeit von digital erstellten Bewertungen. 

Eher unbestritten ist (neben dem Einsatz von Software zur Erkennung von Plagiaten bei schriftlichen Prüfungsarbeiten) der anfangs erwähnte Einsatz von digitalen Tools bei der Durchführung von Multiple-Choice-Tests. Diese werden besonders in standardisierten Prüfungsformaten oder in Kursen mit vielen Teilnehmenden eingesetzt, so in vielen Hochschul-Studiengängen. Der vermehrte Einsatz dieser Unterstützungstools bei der Auswertung von Prüfungsleistungen birgt jedoch auch eine Schattenseite: Er verleitet Lehrende zum häufigeren Einsatz von Multiple-Choice-Tests als Prüfungsmethode. Sie birgt jedoch ein Risiko für die Lernenden, indem sie die Aneignung von vorrangig deklarativem Wissen (Stichwort „Bulimielernen“) und weniger den Aufbau von Kompetenzen im Anwenden und Übertragen von Wissen bzw. komplexeres Denken fördert.  

Es gibt allerdings eine Reihe von Methoden und Werkzeugen zur Unterstützung von Lehrenden bei der Auswertung von Prüfungsleistungen, die stärker zum tiefen Lernen beitragen. Dass sie sich (noch) nicht durchgesetzt haben, hat verschiedenste Gründe. Beispiele für diese sind inhaltliche Qualitätsmängel sowie geringe Nutzungsfreundlichkeit dieser Tools und ein damit verbundener größerer Einarbeitungsaufwand für Lehrende und Lernende. Auch fehlen vergleichende Tests und Empfehlungen zu solchen Tools, auf die sich Entscheidungen von Lehrenden oder deren Vorgesetzte stützen könnten. Entwickler:innen von solchen Programmen sollten deshalb deren Passung für die Anforderungen von Lehrenden und die bessere Zugänglichkeit und Verfügbarkeit berücksichtigen und verbessern.  

Aus einer kleinen Befragung von Lehrenden an einer Schweizer Fachhochschule haben sich folgende Anforderungen für solche unterstützenden Tools oder Programme ergeben, die die Nutzerfreundlichkeit und damit Akzeptanz und Nutzungshäufigkeit erhöhen könnten: 

  • Sehr wichtig war den Anwender:innen, zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle über die Bewertung zu verlieren. Dies träte ein, wenn das Tool eine „KI-Blackbox“ enthält, welche vollautomatisch Bewertungen erstellt. Wenn der Bewertungsprozess nicht nachvollziehbar sei, litten Transparenz und Fairness von Bewertungen, so die Befürchtung der Lehrenden, und dadurch wiederum sinke die Akzeptanz des Tools. 
  • Das Programm sollte mit einem schlanken Interface auskommen, welches schnell zu durchschauen ist. Denn möglicherweise wird es nur in großen Abständen genutzt und die Lehrenden haben nicht die Chance, zu routinierten Usern zu werden. 
  • Features, die die Barrierefreiheit erhöhen und die in den Tools für Lernende bereits breit genutzt werden, könnten ebenfalls zu einer höheren Akzeptanz des Programms bei den Lehrenden führen. Beispiele sind eine Sprachausgabe, leichte Bedienbarkeit oder zusätzliche Optionen für Sehbeeinträchtigte.  

Die Evaluation eines auf der Basis dieser Anforderungen entwickelten Programms, das Lehrende bei der Auswertung von Kurz-Antwort-Fragen unterstützt, ohne die erbrachte Prüfungsleistung zu bewerten, hat ergeben, dass die Lehrenden ein solches nutzerorientiert aufgebautes Tool tatsächlich als Unterstützung bei der Beurteilung von Prüfungsleistungen empfinden. Sie hatten das Gefühl von mehr Fairness bei der Bewertung und fühlten sich im Feedbackgeben unterstützt. Das Lehrenden-Team konnte sich gut vorstellen, ein solches Programm auch in Zukunft zu nutzen. 

Diese Untersuchung hat aber auch gezeigt, dass am Ende der Wille bei den Nutzenden zählt, sich auf die Suche nach unterstützenden digitalen Lösungen für den jeweiligen Zweck zu begeben und etwas Neues zu versuchen. Durch immer wieder kleine Experimente und Ausprobieren von digitalen Neuerungen können Lehrende am Ball bleiben und einer echten Entlastung bei Routinearbeiten, wie z. B. bei der Bewertung von Prüfungsleistungen, ein Stück näherkommen. Zur weiteren Vertiefung seien empfohlen: 

 

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