Die Technologie-Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate (und auch das Twitter-Lehrerzimmer) waren von einem Thema dominiert: Generative AI bzw. ChatGPT. Die Technologie meisterte die amerikanische Anwalts- und Medizinprüfung, das Abitur und so ziemlich alle weiteren standardisierten Tests. Obwohl das Sprachverarbeitungsmodell GPT-3 eigentlich schon 2020 veröffentlicht wurde, kam die Technologie erst mit der Vorstellung von ChatGPT durch das Softwareunternehmen OpenAI im November 2022 in der breiteren Öffentlichkeit an. Seitdem geht es Schlag auf Schlag, und Mitte März wurde nun bereits die Nachfolgeversion GPT-4 präsentiert – noch umfangreicher und noch mehr Möglichkeiten bietend. Sieht man sich die Website von OpenAI an, bewegt sich der Großteil der präsentierten Anwendungsbeispiele im Bildungsbereich. Eine Sache, die im Zuge der aktuellen Entwicklung ebenso am laufenden Band diskutiert wurde, möchte ich hiermit jedoch gleich vorwegnehmen: Nein, Lehrkräfte müssen sich nicht um ihren Job sorgen.

Die viel wichtigere Frage lautet: In welchen Bereichen von Schule wird die Technologie bereits eingesetzt bzw. wie können wir sie nutzen, um Lehrkräfte im Arbeitsalltag zu entlasten und Lernen effektiver zu gestalten?

Aber bevor diese Frage beantwortet wird, zurück zu den Basics: Was ist eigentlich künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz (KI) ist die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren. KI ermöglicht es technischen Systemen, ihre Umwelt wahrzunehmen, mit dem Wahrgenommenen umzugehen und Probleme zu lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. KI-Systeme sind in der Lage, ihr Handeln anzupassen, indem sie die Folgen früherer Aktionen analysieren und autonom arbeiten.

Aktuell unterscheiden wir grundsätzlich vier verschiedene Hauptkategorien von KI-Systemen.

Als erstes ist hier das maschinelle Lernen zu nennen. Im Zuge dessen werden Computerprogramme darauf trainiert, aus bestehenden Datensätzen zu lernen und auf dieser Grundlage Vorhersagen oder Entscheidungen zu treffen. Ein klassisches Beispiel ist die automatisierte Bilderkennung. Angenommen, das gewünschte Programm soll erkennen, ob ein Bild einen Hund oder eine Katze zeigt. Das Programm wird dafür mit einem Datensatz markierter Bilder von Hunden und Katzen trainiert. Die Bilder werden analysiert und das Programm identifiziert dabei die einzigartigen Merkmale der beiden Tierarten (z.B. die Form der Ohren) und kann auf dieser Basis neue Bilder als Hunde- oder Katzenbilder klassifizieren.

Der zweite Teilbereich von KI ist das sogenannte Deep Learning. Dabei werden künstliche neuronale Netze verwendet, um zu lernen und Entscheidungen oder Vorhersagen zu treffen.

Diese Netze sind so konzipiert, dass sie die Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns nachahmen, mit Schichten von miteinander verbundenen Knoten, die Informationen verarbeiten und daraus lernen. Deep Learning ist besonders effektiv beim Lernen aus unstrukturierten Daten, wie Bildern, Audiodateien und Texten. Es kann komplexe Muster in den Daten erkennen und Informationen daraus ableiten. Ein Beispiel für Deep-Learning-Anwendungen sind Sprachassistenten, die Deep-Learning-Algorithmen verwenden, um Anfragen in natürlicher Sprache zu verstehen und zu beantworten.

Beim dritten Teilbereich, dem Reinforcement Learning, wird ein Programm darauf trainiert, Entscheidungen auf der Grundlage von Versuch und Irrtum zu treffen. Das Programm lernt, indem es Rückmeldungen in Form von Belohnungen oder Bestrafungen für Handlungen erhält. Diese Rückmeldungen werden genutzt, um die Entscheidungsfähigkeit zu verbessern.

In einem Spiel wie Schach erhält das Programm beispielsweise eine Belohnung für einen guten Zug. Mit der Zeit lernt das Programm dadurch bessere Züge zu machen. Reinforcement ist besonders nützlich in Szenarien, in denen die optimale Lösung noch nicht bekannt ist und das Programm durch Versuch und Irrtum lernen muss (z.B. bei Spielen und in der Robotik).

Und schließlich kommen wir nun zur Generative Artificial Intelligence (AI). Das sind Systeme, die neue Inhalte wie Bilder, Texte und Musik erzeugen können. Generative Modelle werden in der KI verwendet, um auf Basis der Trainingsdaten, denen die Programme in den zuvor beschriebenen Modellen ausgesetzt waren, neue Daten zu generieren. Das bekannteste Beispiel für generative KI ist die Verwendung von Sprachmodellen wie GPT-3 oder GPT-4, um auf der Grundlage einer vorgegebenen Aufforderung kohärenten und kontextuell passenden Text zu erzeugen.

Die Anwendungen dieser Modelle in Schule und Unterricht

Die meisten Lehrkräfte sowie auch Schülerinnen und Schüler haben bisher wohl wenig direkte Anwendungserfahrung in Bezug auf die ersten drei der vier beschriebenen KI-Kategorien gesammelt. Maschinelles Lernen, Deep Learning und auch Reinforcement Learning sind jedoch inzwischen Bestandteil der meisten Lernplattformen und Apps, die im Unterricht oder auch zu Hause verwendet werden. Dabei werden diese Ansätze – oftmals in Kombination – eingesetzt, um beispielsweise personalisierte Lernpfade auf Grundlage bisheriger Ergebnisse zu erstellen, aber auch, um detailliertes Feedback auf schriftliche Arbeiten zu geben oder individuelles Feedback in Bezug auf die Sprach- und Lesekompetenz.

Generative AI hat jedoch in den letzten Monaten in Windeseile die Klassenzimmer des Landes erobert und viele Lehrkräfte haben begonnen, mit ChatGPT und weiteren Anwendungen zu experimentieren. Besonders hilfreich hat sich die Anwendung bisher bei sprachlichen Übersetzungen sowie auch zur Erstellung von Übersichten und Zusammenfassungen erwiesen. Inzwischen können Programme wie DALL-E oder Synthesia Text auch in Bilder und Videos umwandeln oder auf Basis von Texten Quizzes, Karteikarten und Präsentationen erstellen.

Das neu veröffentlichte GPT-4 baut auf dem Vorgänger GPT-3 auf, kann jedoch die Antworten auf Basis eines viel größeren und komplexeren Datensatzes generieren. Zudem ist die Anwendung multimodal, das heißt, GPT-4 kann Texte und auch Bilder als Eingabe akzeptieren, gibt aber immer Text aus. Beispielsweise kann ein Bild von einem kaputten Gegenstand hochgeladen werden und GPT-4 kann auf Basis des Bildes Reparaturtipps geben.

Tipps für den Einsatz

Schließen möchte ich mit drei konkreten Tipps für den proaktiven Einsatz dieser neuen Anwendungen in Schule und Unterricht.

  1. KI wird bleiben. Anstatt diese Anwendung in Schule und Unterricht zu verbieten, sollte der richtige Umgang damit gelehrt und gelernt werden. Hierfür kann ein KI-Manifest für die Schule und auch einzelne Klassen sinnvoll sein. Darin werden „Dos“ und „Don‘ts“ sowie der verantwortungsvolle Umgang mit der Technologie festgelegt.
  2. KI-Anwendungen können viel Zeit einsparen. Man muss jedoch wissen, wie sie zeitsparend eingesetzt werden können. Passende „Prompts“ zu schreiben ist jedoch eine Kunst für sich. ChatGPT braucht einen Kontext für die Aufgabe, daher sollte man immer damit starten, der KI eine konkrete Rolle zuzuweisen (z.B. als Biologielehrkraft einer achten Klasse). Anschließend kann es helfen, nur jeweils eine Aufgabe zu stellen und diese möglichst spezifisch zu formulieren (mit Beispielen sowie einer vorgeschlagenen Struktur).
  3. Obwohl die Anwendungen immer besser werden, sind sie fehleranfällig und vor allem mathematische Aufgaben führen oftmals zu falschen Antworten. Daher: Die Antworten der KI immer nachprüfen und diese Fehleranfälligkeiten auch mit den Schülerinnen und Schülern thematisieren.

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