In den haushaltspolitischen Debatten 2024 klingt es verrückt, aber es gab eine Zeit, in der der Bund Geld im Überfluss hatte, politische Programme aller Art fördern konnte und das größte Problem darin bestand, die Gelder auszugeben.    

Ein Beispiel dafür ist das jüngst abgeschlossene Förderprogramm zum beschleunigten Ganztagsausbau. Der Ausbau der Ganztagsschulen ist seit Jahren ein strategisches Ziel der Bildungspolitik, welches sich ab 2026 in einem Rechtsanspruch wiederfindet, und in welches etliche Milliarden Bundesgelder für Bau und Betrieb fließen. 

Von diesem Gedanken ließ sich die damalige Bundesregierung wohl leiten, als sie Mitte 2020 plötzlich und unerwartet ein zusätzliches Investitionsprogramm über 750 Mio. Euro für die Kommunen auflegte. Der Clou: Die Mittel sollten bis Ende 2021 ausgegeben sein. Viele sagten von Anfang an, dass das nicht möglich wäre, und sie behielten recht. Aber warum kam es überhaupt zu diesem Förderprogramm? Die Idee war, das Beschleunigungsprogramm als eine von 50 Maßnahmen des Konjunkturprogramms zur Bewältigung der Corona-Pandemie auf den Weg zu bringen. Kurzfristig standen durch das Aussetzen der Schuldenbremse quasi unbegrenzt Mittel zur Verfügung, und so konnten die Fachpolitiker der damaligen Koalitionsparteien praktisch jedes Projekt finanzieren. Es musste nur schnell umgesetzt werden, denn das Programm wurde mit der Förderung der Konjunktur begründet.  

Zu den Besonderheiten des deutschen Föderalismus gehört, dass der Bund investive Finanzhilfen für Bildung an die Kommunen transferieren darf – immerhin ein Fortschritt im Rahmen des sonst geltenden Kooperationsverbotes zwischen Bund und Kommunen. Aber die Länder müssen der Ausgestaltung der Programme zustimmen und entscheiden eigenständig über die Verteilung und Administration der Mittel. So kommt es, dass es zu einem Bundesprogramm 16 Förderrichtlinien gab, die unterschiedliche Fördersätze, unterschiedliche Verwaltungsverfahren und potentiell gar unterschiedliche Fördermaßnahmen beinhalteten.  

Unser Vergleich dieser Förderrichtlinien zeigt: Die Länder leben den Föderalismus. Schauen wir uns ein paar für die Kommunen wichtige Variablen an.   

Wie wurden die Gelder verteilt? 

Die Hälfte der Flächenländer bildeten Budgets für die Kommunen anhand der Zahlen der Schülerinnen und Schüler vor Ort. Diese Beträge waren garantiert und konnten für Projekte abgerufen werden. Die Kommunen schätzen dieses Vorgehen, weil der Zeitdruck für Antragsstellung, Abruf der Mittel und Umsetzung geringer und die Verteilung der Mittel transparent sind. Mit einer Orientierung an lokalen Bedarfen hat solch ein Vergabeverfahren freilich nichts zu tun.  

Die andere Hälfte der Länder setzte auf klassische Antragsverfahren, über die die Kommunen frei Projekte beantragen konnten. Hier hat das Land einen größeren Einfluss bei der Bewilligung und kann die Mittelvergabe auch bedarfsorientiert steuern.  

Wie hoch war der Fördersatz? 

Das für die Kommunen wichtigste Detail jedes Förderprogramms ist die Höhe des Fördersatzes, also derjenige Teil der Ausgaben, den die bewilligten Mittel bei der Umsetzung der Maßnahme abdecken dürfen. Der Bund setzte den Fördersatz im Beschleunigungsprogramm auf 70 Prozent fest. Sechs Länder stockten diesen Fördersatz aus eigenen Mitteln auf, in Hessen und Schleswig-Holstein gar auf 100 Prozent, so dass Kommunen in diesen Ländern gar keine eigenen Mittel für ihre Projekte im Rahmen dieses Programms aufwenden mussten. Aber auch die Summen, die die Länder für diese „Zuschüsse“ aufwenden mussten, waren überschaubar. Sie wurden oft, wie das Bundesprogramm selbst, über Notlagenkredite finanziert.  

Welche Landesbehörden waren für die Mittelvergabe zuständig? 

Aus analytischer Sicht zeigten sich hier die größten und oft kaum erklärbaren Differenzen. Zwölf Länder konstruierten neun unterschiedliche Varianten. In sieben Ländern war das Beschleunigungsprogramm in je einer Behörde gebündelt. Das waren direkt dem Kultusministerium zugeordnete Abteilungen oder dezentral zuständige Behörden auf Bezirksebene.  

In fünf Ländern waren zwei Landesbehörden involviert: eine für die inhaltliche Entscheidung über die Anträge, eine andere für die Formalitäten. Relativ selten spiegelten die Zuständigkeiten die grundsätzliche Verwaltungsstruktur des Landes wider. Oft wurden bewusst die ländereigenen Förderbanken als Dienstleister eingebunden. Gelegentlich – so schien es – war auch nach dem Zufallsbetrieb über die Zuständigkeit entschieden worden und diejenige Behörde, die gerade die größten zeitlichen Ressourcen hatte, wurde als Ansprechpartnerin ausgewählt.  

Welche inhaltlichen Voraussetzungen waren für eine Bewilligung zu erfüllen? 

Der Bund definierte die zulässigen Förderbereiche bewusst offen. Die Länder übernahmen diese Offenheit in ihre Richtlinien. Besondere inhaltliche Voraussetzungen für den Mittelbezug legten weder der Bund noch die Länder fest. Auch soziale Aspekte in den Kommunen, wie unterschiedliche sozioökonomischer Hintergrund von Schülerinnen und Schülern oder kommunale Bedarfslagen, blieben bei der Entscheidung über die Zuteilung der Mittel außen vor. Dies überrascht, ließe sich hierüber doch die Verwendung der Gelder steuern und die Wirksamkeit des Programms erhöhen. Offenbar wollten die Länder jedoch die bürokratischen Hürden möglichst niedrig halten. Das Beschleunigungsprogramm war somit durch Bund und Länder in Summe attraktiv gestaltet. Leider flossen dennoch nur 72 Prozent der zur Verfügung stehenden Gelder ab.  

Die Masse der geförderten Projekte entfiel auf die Ausstattung der Ganztagseinrichtungen, wie z. B. Mobiliar oder Spielzeug. Ein kleinerer Teil wurde für bauliche Maßnahmen genutzt. Das waren in der Regel Sanierungen. Wirklich neu zu bauen war schon zeitlich innerhalb des Förderprogramms nicht möglich.  

Ob die Ausgestaltung der Förderrichtlinien durch die Länder Einfluss auf den Mittelabruf hatte, kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Es zeigte sich in unserer Analyse aber einmal mehr, dass fehlendes Geld nicht die einzige Hürde kommunaler Investitionen ist. Vielmehr spielen Personalkapazitäten in den Bauämtern, das Vergabeverfahren, die Marktlage oder Lieferketten und vieles mehr eine Rolle bei der Beantragung und Inanspruchnahme von Förderangeboten.  

Der Zeitdruck für die Umsetzung des Beschleunigungsprogramms in den Kommunen potenzierte die Hürden. In manchen Ländern betrug die Antragsfrist nur zwei Monate, die Frist zur Umsetzung und Abrechnung der getätigten Maßnahmen nur sechs Monate. Diese Konstellation führte zwar dazu, dass das Förderprogramm inhaltlich möglichst breit und administrativ möglichst einfach gehalten wurde. Die Priorität lag darauf, die Gelder auszugeben, inhaltliche Steuerung war zweitrangig. Dennoch schreckte es einige Kommunen ab, Mittel zu beantragen, da sie sich dem Zeitdruck nicht gewachsen sahen. 

In Summe sind wohl alle Beteiligten froh, dass dieses Förderprogramm inzwischen abgeschlossen ist. Der Fokus von Bund und Ländern richtet sich längst auf die aktuell zur Verfügung stehenden Mittel. Das sogenannte „Basisprogramm zum Ganztagsausbau“ kommt nun planmäßig, mit einigen Jahren Vorlauf und fünf Jahren Zeit für die Umsetzung in Länder und Kommunen. Die Länderministerien haben Zeit, eigene Überlegungen in die Förderrichtlinien einfließen zu lassen und die Kommunen können ihren Ganztagsausbau sorgfältig planen. Dementsprechend höher werden vermutlich auch Mittelabruf und damit Wirkung ausfallen – zum Wohle des Ganztags! 

 


Weitere Informationen zur Analyse: 

Unterstützung beim Ganztagsausbau für Grundschulkinder – Welcher Leitlinie folgt das Beschleunigungsprogramm des Bundes?

 

Ähnliche Beiträge auf diesem Blog:

Finanzierung von Schulen – Die Rolle von Bund und Ländern

Die Kommune als Schulträger: In welchem Umfang ist Schulqualität von der Finanzkraft der Kommunen abhängig?